Hamburg. Politikerin unterliegt bei Kandidatenkür zur Bundestagswahl unerwartet einer kaum bekannten Parteifreundin.
Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis Anna Gallina sich wieder gefasst hatte. Völlig unerwartet hatte die Landesvorsitzende der Hamburger Grünen zuvor ihre wohl bitterste politische Niederlage erlitten. Bei der Wahl der Landesliste für den Bundestagswahlkampf 2017 unterlag sie der vergleichsweise unbekannten Bergedorfer Kreisvorsitzenden Jennifer Jasberg. Erst nachdem eine Reihe altgedienter und erfahrener Parteifreunde Aufbauarbeit geleistet hatten, betrat Gallina wieder den großen Saal des Bürgerhauses Wilhelmsburg.
Dabei sah es zunächst so aus, als ob die Landesmitgliederversammlung am Wochenende harmonisch verlaufen würde. Der eigentliche Knackpunkt war nämlich schon im Voraus ausgeräumt worden: der Streit um den Bau der Hafenquerspange.
Vergangene Woche hatten mehrere Grüne, allen voran der Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke, einen Antrag vorgelegt, der das Projekt infrage stellte. Das Problem: Die Grünen hatten sich im Koalitionsvertrag mit der SPD auf den Bau der Autobahn geeinigt.
Fraktionschef Anjes Tjarks hatte daraufhin einen neuen Antrag geschrieben und unter anderen mit Justizsenator Till Steffen die Autoren des Ursprungsantrags überzeugt, sich der Änderung anzuschließen. Schließlich stimmten die Grünen für die „Minimierung der ökologischen Kosten“ und ein Verkehrskonzept für die Veddel und Wilhelmsburg.
Für Gallina stimmten nur 89 Mitglieder
Anschließend wählten die Grünen-Mitglieder die beiden Bundestagsabgeordneten Anja Hajduk und Manuel Sarrazin erwartungsgemäß auf Platz eins und zwei der Landesliste. Für Hajduk stimmten 170 von 188 Mitgliedern auf dem Parteitag im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Das sind rund 90 Prozent. Es gab keinen Gegenkandidaten. Ebenfalls ohne Gegenkandidaten wurde Manuel Sarrazin auf Listenplatz zwei gewählt. Für ihn stimmten 172 Mitglieder.
Es schien ausgemachte Sache zu sein, dass Gallina auf Listenplatz drei gewählt würde. Sie hatte ihre Kandidatur damit begründet, den Bundestagswahlkampf von dem prominenten Listenplatz aus zu unterstützen. Klar war zudem, dass es schwer werden würde, beide Bundestagsmandate zu verteidigen. Ein drittes gilt als unwahrscheinlich. Doch dann die Überraschung: Für Gallina stimmten nur 89 Mitglieder, für Jennifer Jasberg aber 115. Zunächst gratulierte die Unterlegene ihrer Herausforderin noch fair. Doch dann übermannte sie die Enttäuschung.
Gallina gab sich gewohnt kämpferisch
Unter Tränen verließ Anna Gallina den Saal. Ihre Vorgängerin im Amt der Parteichefin, Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, folgte als Erste, um sie zu trösten. Auch Hajduk, Steffen, Tjarks und Umweltsenator Jens Kerstan schlossen sich an und sprachen Mut zu.
Gallina gab sich anschließend wieder gewohnt kämpferisch. „Natürlich tut diese Niederlage weh. Sie ändert aber nichts daran, dass ich die Partei mit Leidenschaft in den Bundestagswahlkampf führen werde“, sagte sie dem Abendblatt. Andere Grüne beschwichtigten. Dies sei keine Wahl gegen Gallina, sondern für Jasberg gewesen. Es hieß auch, die Mitglieder haben es „krachen lassen wollen“, weil es auf den Plätzen eins und zwei keine Gegenkandidaten gegeben habe. Sogar von Langeweile war die Rede. „Das war einfach nur dumm“, sagte ein prominenter Grüner hinterher.
Sarrazin im Bundestagswahlkampf-Modus
Gefasster formulierte es Katharina Fegebank: „Die Wahl zeigt, dass unsere Partei immer für eine Überraschung gut ist.“ Und sie stärkte Gallina den Rücken: „Sie ist weiterhin unsere Landesvorsitzende.“ Allerdings eine geschwächte.
Gallina war schon im Mai vergangenen Jahres mit einem wenig überzeugenden Ergebnis ins Amt gewählt worden. Sie erhielt nur 56 Prozent der Stimmen – bei einer Gegenkandidatin. Es wird für sie in den kommenden Wochen und Monaten darauf ankommen, sich als überzeugende Wahlkämpferin zu bewähren und die Zweifler in der Partei von sich zu überzeugen.
Anja Hajduk und Manuel Sarrazin sind nun im Bundestagswahlkampf-Modus. „Es geht darum, die offene Gesellschaft zu verteidigen“, sagte Hajduk in ihrer Rede. „Das wird ein anderer Wahlkampf als zuvor.“
Und Manuel Sarrazin erklärte, dass Hamburg als Großstadt eine wichtige Rolle für das Ergebnis der Grünen im Bundestag haben werde. Der Bundestagsabgeordnete: „Uns fliegen die Herzen auf dem Land nicht mehr so leicht zu. Wir Hamburger sind deshalb besonders gefordert. Für Deutschland und für ein Signal nach Europa.“