Hamburg. Seit 2005 gab es fünf Fälle von schwerster Misshandlung in Hamburg. Aktuell steht ein Vater vor Gericht.

In jeder Woche sterben in Deutschland zwei Kinder durch Gewalt oder Fahrlässigkeit – das geht aus der aktuellen Jahresstatistik des Bundeskriminalamtes hervor. Mehrere besonders dramatische Fälle ereigneten sich in den vergangenen Jahren in Hamburg, sie zogen jeweils Haftstrafen und politische Folgen nach sich.

• Am 1. März 2005 entdeckten Notärzte die Leiche der siebenjährigen Jessica in einer Wohnung in Jenfeld. Das Mädchen wog nur noch 9,6 Kilo – so viel wie ein einjähriges Kind. Jessica war von ihren Eltern, Marlies S. und Burkhard M., in einer Hochhaussiedlung wie eine Gefangene gehalten worden. Sie sollen Stromkabel im Kinderzimmer so in­stalliert haben, dass Jessica durch die Berührung damit gestorben wäre. Das Mädchen aß Teppichreste und die eigenen Haare, es erstickte an seinem Erbrochenen. Jessicas Eltern wurden zu lebenslangen Gefängnisstrafen verurteilt, ohne Chance auf Haftentlassung nach 15 Jahren. Als Reaktion auf den Fall gründete die Politik einen Sonderausschuss und verschärfte die Kon­trollen von Eltern

• Im März 2009 starb die erst neun Monate alte Lara Mia in Wilhelmsburg an Hunger. Sie habe ein „greisenhaftes“ Gesicht gehabt und ausgesehen „wie ein Kind aus Afrika“, sagten geschockte Polizisten beim Prozess vor dem Hamburger Landgericht. Der Körper des Babys war noch so klein und dünn, dass er in Windeln für Neugeborene gepasst habe.

Die damals 19 Jahre alte Mutter des Kindes gab zunächst an, die schleichende Abmagerung nicht bemerkt zu haben. Die Justiz sah dagegen eine eindeutige Fahrlässigkeit der Eltern. Das Landgericht verurteilte die Mutter zu drei Jahren Jugendhaft. Auch die Familienhelferin, die Lara Mia nur eine Woche vor ihrem Tod gesehen hatte, musste sich vor Gericht verantworten.

• Im Januar 2012 starb die elfjährige Chantal an einer Methadon-Vergiftung. Das Kind lebte bei drogensüchtigen Pflegeeltern und nahm den Heroinersatzstoff aus Versehen ein, als sie nach einem Medikament gegen Erbrechen suchte. Die Pflegeeltern wurden vom Hamburger Landgericht im Februar 2015 wegen fahrlässiger Tötung zu Bewährungsstrafen verurteilt.

• Im Dezember 2013 erlag die drei Jahre alte Yagmur aus Mümmelmannsberg ihren inneren Verletzungen. Sie war über Monate von ihrer Mutter körperlich misshandelt worden, ihr Körper wies mehr als 70 Hämatome und andere Verletzungen auf. Im November 2014 wurde die 27 Jahre alte Mutter Malek Y. wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt – der Vater erhielt eine Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen Unterlassung.

Die Familie stand seit der Geburt von Yagmur in der Betreuung mehrerer Jugendämter. Der Fall wurde in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet und die Jugendhilfe grundlegend reformiert. Malek Y. kündigte an, in Revision gegen das Urteil gehen zu wollen.

• Ende April dieses Jahres kam der drei Monate alte Jamie-Dean in Finkenwerder durch Gewalteinwirkung fast zu Tode. Der 27-jährige Vater soll das Kind mehrfach mit dem Handballen gegen den Kopf geschlagen haben. Die Eltern sind polizeibekannt und betranken sich regelmäßig. Ihr Sohn wird nach den Prognosen der Ärzte taub und blind bleiben, er hat eine Lebenserwartung von wenigen Jahren. Der Vater muss sich seit vergangener Woche vor Gericht verantworten. Ihm drohen 15 Jahre Haft. (HA)