Hamburg. Nach dem Freispruch für drei Angeklagte schieben sich Hamburger Gericht und Strafverfolger gegenseitig die Verantwortung zu.
Nach dem Freispruch für drei Angeklagte im Prozess zu den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht gerät die Vorsitzende Richterin am Landgericht massiv in die Kritik. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich werfen der Richterin Anne Meier-Göring in einer gemeinsamen Mitteilung ein unangemessenes Verhalten bei der Urteilsverkündung vor.
„Der verbale Rundumschlag der Vorsitzenden Richterin ist beschämend“, so Meyer und Fröhlich. Die Vorsitzende Richterin hatte die Ermittlungsfehler in dem Fall scharf kritisiert: Es habe keine ausreichende Verdachtslage für eine Anklage gegeben.
Sie werfen der Richterin vor, den Rechtsstaat zu diskreditieren
Diese Schuldzuweisung ist nach Ansicht der Strafverfolger völlig unangebracht gewesen. „Polizei und Staatsanwaltschaft haben monatelang mit unermüdlichem Einsatz versucht, die Überfälle in der Silvesternacht aufzuklären. In diesem Verfahren wurden alle Haftbefehle vom Hanseatischen Oberlandesgericht bestätigt. Die Vorsitzende Richterin selbst hatte mit ihrer Kammer das Hauptverfahren eröffnet und damit eine Verurteilung der drei Angeklagten für überwiegend wahrscheinlich gehalten“, heißt es in der Mitteilung. Dass sich der Verdacht gegen die drei Männer in der Hauptverhandlung nicht erhärtete, sei neuen Erkenntnissen geschuldet gewesen und eher ein Beleg für einen funktionierenden Rechtsstaat.
Meyer und Fröhlich werfen der Richterin dagegen vor, den Rechtsstaat zu diskreditieren: „Er gerät nicht durch die aufopferungsvolle Arbeit der Hamburger Ermittlungsbehörden in Gefahr, sondern durch diejenigen, die ihnen leichtfertig manipulierte Beweismittel, finstere Machenschaften und politische Instrumentalisierung andichten.“
Richterin sah „keinerlei Anhaltspunkte“ für Schuld der Angeklagten
Bei der Verkündung des Urteils hatte die Richterin den Ermittlern indirekt vorgeworfen, angesichts des öffentlichen Drucks unbescholtene Männer angeklagt zu haben, um Ergebnisse in der Aufarbeitung der Silvesternacht präsentieren zu können.
Es gebe „keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagten die angeklagten Taten begangen haben“, sagte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring, die in ihrer Urteilsbegründung massiv Kritik an den Ermittlungsbehörden übte. Das Verfahren habe ihr gezeigt, „wie leicht unser Rechtssystem durch den Druck der öffentlichen Meinung, der Medien und der Politik“ zu erschüttern sei.
Im Namen der Hamburger Justiz entschuldigte sich die Richterin bei den Männern
Die Beweislage habe mitnichten ausgereicht, um die Männer zu verurteilen. Es sei vielmehr „alarmierend für unseren Rechtsstaat, dass drei Menschen sechs Monate in U-Haft gesessen haben, obwohl es dafür keine konkrete Verdachtslage gab.“ Im Namen der Hamburger Justiz wolle sie sich entschuldigen. Für die erlittene Untersuchungshaft erhält jeder der Freigesprochenen rund 4600 Euro Entschädigung. „Ich kann nur hoffen, dass sie den Glauben an den Rechtsstaat nicht verloren haben“, zitiert der NDR Meier-Göring.
Zuvor war es bei den Ermittlungen nachweislich zu schweren Pannen gekommen. So wurden dem Opfer des sexuellen Übergriffes in dem zugrundeliegenden Fall bereits Bilder von möglichen Tätern gezeigt, bevor dieses selbst eine Täterbeschreibung abgegeben hatte. Außerdem hätten die Beamten eine suggestive Befragung durchgeführt, deren Ergebnisse vor Gericht nicht zu verwenden sind.
Der Prozess gegen die drei Angeklagten war der vorerst letzte nach den umfangreichen Ermittlungen nach der Silvesternacht. In der juristischen Aufarbeitung wurde lediglich ein Angeklagter wegen Hehlerei eines gestohlenen Handys verurteilt.