Hamburg. Landgericht widerruft zwar die Bewährung für Thomas B., endgültig ist die Entscheidung aber nicht. Erleichterung bei Senator Steffen.

Justizsenator Till Steffen (Grüne) dürfte am Donnerstag ein Stein vom Herzen gefallen sein: Auf Antrag der Staatsanwaltschaft beschloss das Landgericht, die Bewährung des aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Kinderschänders Thomas B. zu widerrufen. Steffen war zuletzt politisch massiv unter Beschuss geraten, weil es die der Justizbehörde unterstellte JVA Fuhlsbüttel war, die durch ein gravierendes Versäumnis die Entlassung des Triebtäters überhaupt erst möglich gemacht hatte.

Die JVA hatte dem Mann nicht fristgerecht eine Therapie außerhalb der Anstalt ermöglicht und damit gegen eine Anordnung des Hanseatischen Oberlandesgerichts verstoßen. Aus zwingenden rechtlichen Gründen musste darauf der Vollzug der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ausgesetzt werden.

Zahlreiche Verstöße gegen Alkoholverbot

Bevor sich am 2. Mai die Tore der JVA Fuhlsbüttel für Thomas B. öffneten, waren ihm zwar innerhalb der sogenannten Führungsaufsicht mehrere Weisungen erteilt worden, darunter auch das strikte Verbot, Alkohol zu konsumieren.

Doch bereits am ersten Tag in Freiheit, am 3. Mai, beobachteten zu seiner Observation eingesetzte Polizisten, wie der Mann bei „Gosch“ am Hauptbahnhof zwei Biere trank. Einen weiteren Verstoß gegen das Alkoholverbot registrierten die Beamten am 4. Mai. Bei seiner Verhaftung am 6. Mai in den Boberger Dünen – Thomas B. wollte gerade ein Sonnenbad nehmen – stellten sie abermals fest, dass der Mann getrunken hatte.

Das war noch nicht alles: Auf dem Hachmannplatz am Hauptbahnhof hatte der 50-Jährige während seiner kurzen Zeit in Freiheit – kurz nach dem Konsum von Alkohol – einen 19 Jahre alten Mann angesprochen, der nach Einschätzung der Beamten „deutlich jünger“ wirkte, und sich nach dessen Tagesplanung erkundigt.

Verhalten ähnelt dem bei begangenen Straftaten

Dieses Verhalten ähnele den Gewohnheiten, die auch bei den der Sicherungsverwahrung zugrunde liegenden Straftaten eine Rolle gespielt hätten, befand nun die Strafvollstreckkungskammer. Thomas B. hatte sich einst häufig alkoholisiert in der Stricher- und Straßenkinder-Szene am Hauptbahnhof herumgetrieben und dort Opfer gefunden.

Ein Rückfall in alte Verhaltensmuster, so die Kammer, sei im Zusammenspiel mit Alkohol nicht auszuschließen. In der Vergangenheit habe Thomas B. unter Alkoholeinfluss immer wieder Straftaten begangen, auch solche ohne sexuellen Bezug. Die Weisungsverstöße, so die Kammer, gäben „Anlass zu der Besorgnis“, dass Thomas B. „weitere der Anlasstat gleichwertige Straftaten begehen könnte“.

Mit Anlasstat gemeint ist der sexuelle Missbrauch von Kindern in fünf Fällen, deretwegen der bereits einschlägig vorbestrafte Mann 2004 zu viereinhalb Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden war.

Thoams B. könnte auch bald wieder frei sein

Zusätzlich erließ die Kammer einen Sicherungshaftbefehl, das heißt: Solange der Beschluss noch nicht rechtskräftig ist, bleibt Thomas B. in der U-Haftanstalt am Holstenglacis. Sollte die nächste und letzte Instanz, das Oberlandesgericht, den Beschluss bestätigen, müsste Thomas B. in die Sicherungsverwahrung zurückkehren.

Sollte jedoch eine sofortige Beschwerde seines Verteidigers Erfolg haben, wäre der Triebtäter vermutlich zügig wieder auf freien Fuß zu setzen. Wann das OLG über den Fall berät, ist noch nicht bekannt.

„Wir freuen uns natürlich, dass das Gericht unserer Einschätzung gefolgt ist“, heißt es jetzt aus der Justizbehörde. Der aktuelle Beschluss verschafft Justizsenator Steffen zumindest eine kurze Atempause im Streit mit der Opposition, die ihm ein komplettes Versagen im Zusammenhang mit der Entlassung des Triebtäters vorwirft.

Rücktrittsforderungen an Justizsenator

Hamburgs Justizsenator Till Steffen
Hamburgs Justizsenator Till Steffen © HA / Mark Sandten | HA

An vorderster Front stehen dabei Richard Seelmaecker und Anna von Treuenfels-Frowein, die justizpolitischen Sprecher der CDU- und FDP-Bürgerschaftsfraktionen. Mit Verweis auf weitere „Skandale“, etwa die Entlassung zweier Totschläger aus der U-Haft wegen überlanger Verfahrensdauer, sprechen die Abgeordneten von „Chaos in der Justiz“.

Steffen sei zum „Sicherheitsrisiko“ geworden, mithin ein „Unterlassungstäter“, der seinen Laden nicht im Griff habe. Seelmaecker verstieg sich während der letzten Bürgerschaftssitzung am Mittwoch zur bösen Spitze, dass die CDU Steffen zwei Bewährungshelfer an die Seite stellen müsse: Bürgermeister Olaf Scholz und SPD-Fraktionschef Andreas Dressel.

Sie müssten Steffen künftig „stärker kontrollieren“. Von Treuenfels-Frowein fordert gar den Rücktritt des Justizsenators. Till Steffen wiederum will genau untersuchen, wie es zu dem Schlamassel in seiner Behörde kommen konnte. Er selbst habe erst Anfang März dieses Jahres von der sich lange abzeichnenden Entlassung des Sicherungsverwahrten erfahren.