Hamburg. Till Steffen lässt untersuchen, warum er nicht früher von der sich abzeichnenden Entlassung des Kinderschänders informiert wurde.
Die Schärfe kam gut eine Stunde vor dem eigentlichen Showdown ins Spiel. Noch vor dem Beginn der Sondersitzung des Justizausschusses zur Entlassung des Kinderschänders Thomas B. aus der Sicherungsverwahrung ließ Anna von Treuenfels-Frowein, FDP-Fraktionsvize, die Meldung verbreiten, dass sie Justizsenator Till Steffen (Grüne) in seinem Amt für überfordert halte. „Ein solches Justiz-Chaos ist nicht länger hinnehmbar. Steffen verspielt das Vertrauen der Menschen in unseren Rechtsstaat.“ Die Sondersitzung fiel dagegen angesichts der Geschehnisse vergleichsweise zahm aus.
Schon eher teilte Steffen selbst aus – und zwar in Richtung des eigenen Apparats. Wie er in seinem gut 15 Minuten langen Eingangsstatement verlas, habe er selbst erst am 1. März dieses Jahres von der sich schon lange abzeichnenden Entlassung des Sicherungsverwahrten erfahren. „Ich hätte in der Tat erwartet, dass ich bereits im Frühjahr 2015, kurz nach meinem Amtsantritt am 16. April vergangenen Jahres, (...) informiert worden wäre“, sagte Steffen. „Dann hätten wir gemeinsam eine Lösung suchen können für das Dilemma, vor dem die Anstalt aus ihrer Sicht offenkundig stand.“
Wer genau dafür verantwortlich ist, dass der Behördenchef nicht informiert wurde, ist nun Gegenstand der internen Untersuchungen. Spekuliert wird auch darüber, was der Grund dafür ist. Möglicherweise haben Mitarbeiter die sich anbahnende Entwicklung, nämlich die Freilassung des Kinderschänders, unterschätzt. Vielleicht haben sie geglaubt, sie könnten die Lage allein in den Griff bekommen – oder sie haben die Brisanz schlicht nicht erkannt.
Steffen will Austausch zwischen Behörder und JVA intensivieren
Dabei hatte sich die Entwicklung längst abgezeichnet. Wie berichtet war Thomas B. 2004 wegen schweren
sexuellen Missbrauchs zu viereinhalb Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Als Betreuer einer Pfadfindergruppe hatte er sich das Vertrauen von Kindern erschlichen und sich an ihnen vergangen. Auf Empfehlung eines Gutachters wurde er von 2013 an zunächst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel psychotherapeutisch behandelt; der Arzt lehnte aber mit Blick auf die räumliche Situation die Fortsetzung der Therapie in der Anstalt ab. Eine Behandlung in seiner Praxis verweigerte wiederum die JVA – mit Verweis auf Sicherheitsrisiken.
Am 27. März 2015 ordnete dann das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) an, dass Thomas B. extern behandelt werden muss und seine Therapie bis zum 24. April 2015 zu ermöglichen sei. Allerdings schätzte die JVA das Fluchtrisiko als so hoch ein, dass fünf Bedienstete gleichzeitig für die Bewachung von Thomas B. abgestellt werden sollten. Mit dieser strikten Kontrolle war wiederum der Arzt nicht einverstanden. Die Folge: Thomas B. stellte einen Antrag auf Entlassung – erfolgreich.
Steffen sagte im Ausschuss, er habe nun angeordnet, dass der Austausch zwischen der Behörde und der JVA ab sofort intensiviert werde. „Als Sofortmaßnahme werden die Vollzugsplanstände der Sicherungsverwahrten monatlich von der JVA Fuhlsbüttel und der Aufsichtsabteilung der zuständigen Behörde in einer gemeinsamen Besprechung erörtert.“
CDU: Steffen wird zum Sicherheitsrisiko für Hamburg
Während der nur rund 80 Minuten dauernden Ausschusssitzung gab es gedämpfte Erregung aufseiten der Oppositionsabgeordneten. Erst im Anschluss wurde die Kritik ebenso deutlich wie im Vorfeld. Richard Seelmaecker (CDU) sagte, dass Steffen aus seiner Sicht „zum immer größeren Sicherheitsrisiko für die Stadt“ werde. Der Versuch, die Verantwortung „allein auf Mitarbeiter und untergeordnete Stellen zu schieben“, sei schlicht und unwürdig. „Anstatt sich für die Legalisierung von Cannabis oder die Straffreiheit des Schwarzfahrens einzusetzen, sollte Steffen dringend die unhaltbaren Zustände in seiner Behörde in den Griff bekommen.“
Ähnlich argumentierte auch von Treuenfels-Frowein: „In Berlin versucht sich der Hamburger Justizsenator Till Steffen mit einer Verschärfung des Sexualstrafrechts zu profilieren. Zeitgleich kommen in Hamburg aufgrund von Versagen seiner Justizbehörde immer wieder gefährliche Straftäter frei.“ Einzig Carola Timm (Grüne) lobte ihren Parteifreund: „Justizsenator Steffen hat ab dem Moment, als er von dem Vorgang Kenntnis bekam, entschlossen gehandelt.“