Hamburg. Einsatzrekord: Bei der Brandbekämpfung benötigen die Retter immer häufiger ehrenamtliche Unterstützung. Eine dramatische Entwicklung.
Die Feuerwehr muss immer mehr Aufgaben auf Ehrenamtliche abwälzen. Vor allem die Einführung der Schutzziele, durch die seit zwei Jahren definiert ist, wie viele Feuerwehrleute in welcher Zeit an einem Brandort sein müssen, überfordert die Berufsfeuerwehr in vielen Bereichen der Stadt. Hier springt vermehrt die Freiwillige Feuerwehr ein. „Eine gefährliche Entwicklung, die sich noch verschärft“, warnt Daniel Dahlke, Landesvorsitzender beim Berufsverband Feuerwehr. Denn Hamburg wächst. Viele neue Wohngebiete entstehen vor allem am Stadtrand.
11.768-mal alarmierte die Einsatzzentrale im vergangenen Jahr in Hamburg die Freiwillige Feuerwehr. So oft waren die ehrenamtlichen Helfer, organisiert in 87 Wehren, noch nie beim Retten, Löschen und Bergen eingesprungen. Zum Vergleich: 2014 hatten die Freiwillige Feuerwehr 8679 Einsätze gezählt, 2007 waren es noch 7520.
Der Blick in die Einsatzstatistik verrät: Die Mehrbelastung ist ungleich verteilt. Vor allem in den Bereichen Bergedorf, Alstertal und Harburg sind besonders hohe Steigerungen der Einsatzzahlen zu verzeichnen. Dabei spielen oft Zufälle, wie das Wetter, eine Rolle. Drei Stürme hatte es 2015 in Hamburg gegeben, nach denen zahlreiche Schäden zu beseitigen waren.
Kann die Feuerwehr die Schutzziele einhalten?
Ein anderer Grund: Die Schutzziele, festgelegt von der Arbeitsgemeinschaft der Berufsfeuerwehren, sind in Hamburg mit den hauptamtlichen Brandbekämpfern nicht annähernd zu erreichen. Die Berufsfeuerwehr hat aktuell an 17 Standorten Löschzüge stehen, die mittlerweile „Kurzzüge“ mit zehn Beamten sind. Nur in Stellingen, Barmbek und Billstedt sind am Tag zusätzliche Kräfte auf einem Fahrzeug. Sie rekrutieren sich aus Beamten in Ausbildung. So müssen bei Bränden meistens Fahrzeuge zwei Löschzüge der Berufsfeuerwehr ausrücken, weil die Schutzziele vorsehen, dass bei einem Wohnungsbrand zehn Feuerwehrleute innerhalb von acht Minuten und sechs weitere Feuerwehrleute innerhalb von 13 Minuten vor Ort sind.
„Der Anspruch war, dass man zu 95 Prozent dieses Ziel einhält“, sagt Dahlke. „Michael Neumann hatte als Innensenator noch eine Erfüllungsquote von 85 Prozent angepeilt. Wir sind jetzt im zweiten Jahr unter 75 Prozent gelandet. Davon liefert die Freiwillige Feuerwehr 20 Prozent.“ Da stelle sich die Frage, inwieweit der Grundschutz, den die Berufsfeuerwehr bieten soll, auch von ihr geleistet werden könne. „Es ist natürlich die für die Stadt günstigere Variante, wenn man die Freiwilligen Feuerwehren da miteinbezieht. Man muss sich auch fragen, in welchem Umfang die Freiwilligen Feuerwehren das leisten können.“
Freiwillige Feuerwehr: Um das Ehrenamt steht es nicht gut
Tatsächlich steht es in diesem Bereich nicht sonderlich gut um das Ehrenamt. Innerhalb von zehn Jahren ist die Zahl der Mitglieder im Einsatzdienst der Freiwilligen Feuerwehren in Hamburg um 70 Personen geschrumpft – ein leichter Rückgang, der aber zwei kompletten Wehren entspricht. Erstmals haben sich in Hamburg im vergangenen Jahr auch zwei Wehren zusammengeschlossen. Der Grund: Sie bekommen einzeln nicht ausreichend Personal zusammen, um schnell genug ausrücken zu können. Mindestens sechs Mitglieder, darunter spezielle Funktionen wie Träger von Atemschutzgeräten, müssen bereitstehen, damit eine Freiwillige Feuerwehr ausrücken kann.
Feuer auf der Veddel
Lagerhalle brennt im Hamburger Hafen
„Die Kameraden sind hoch engagiert. Aber auch die Familie und der Arbeitgeber müssen mitmachen“, sagt ein Freiwilliger Feuerwehrmann. Dazu komme, dass viele Wehren sich zeitweise außer Dienst melden müssten, weil die Mitglieder an ihrem Arbeitsplatz zu weit weg seien. „So haben wir tagsüber statt 87 tatsächlich etwa 50 Freiwillige Feuerwehren im Dienst“, sagt Dahlke.
Feuerwehr nicht auf wachsende Stadt eingestellt
Wie wichtig die sind, beschreibt ein Angehöriger der Berufsfeuerwehr: „Die Berufsfeuerwehr arbeitet in vier Schichten. Tatsächlich sind tagsüber knapp 200 Mann auf den Löschzügen. Bei einem Feuer wie jetzt auf der Peute hätten wir nicht einen einzigen Mann für eine andere Aufgabe, wenn dort nicht in großem Umfang die Freiwillige Feuerwehr eingesetzt würde.“
Auf die wachsende Stadt, in der neue Wohngebiete für Tausende Menschen aus dem Boden gestampft werden, sei die Feuerwehr nicht eingestellt. „Ein Strategiepapier hat ganz klar ausgesagt, dass wir sechs zusätzliche Feuer- und Rettungswachen brauchen, um den Schutz zu gewährleisten. Solange dem nicht nachgekommen wird, wird die zusätzliche Arbeit zu einem großen Teil auf die kostengünstigere Variante Ehrenamt ausgeweitet.“
In der Innenbehörde hingegen sieht man die Feuerwehr perspektivisch „gut aufgestellt“, wie Behördensprecher Frank Reschreiter sagt. „Wir bilden bereits jetzt über den Bedarf aus.“ Zudem verweist Reschreiter auf die positive Personalentwicklung bei der Freiwilligen Feuerwehr im vergangenen Jahr mit 30 zusätzlichen Mitgliedern. Zudem will man versuchen, vermehrt Hamburger mit Migrationshintergrund zu gewinnen.