Hamburg. Den Kritikern machen vor allem die Platzprobleme in dem Gebäude zu schaffen und die mangelhaften hygienischen Verhältnisse.

Beim Aufbereiten der Einsätze sind die Statistiker der Feuerwehr auf eine hübsche Zahl gestoßen: 112. Die 112 ist nicht nur die Notrufnummer – sie steht auch für das Einsatzintervall der Feuerwehr. Demnach musste sie 2015 alle 112 Sekunden ausrücken. Insgesamt zählte die Berufsfeuerwehr mit ihren 2875 Beschäftigten im Vorjahr 280.473 Einsätze – so viele wie nie zuvor. Aufs Jahr gerechnet rückte die Feuerwehr im Schnitt jeden Tag 768-mal aus (2014: 708). Auch die 87 Freiwilligen Feuerwehren leisteten beachtliche Arbeit: Bei ihnen schrillte 11.768-mal der Alarm. 2014 gab es nur rund 8700 Alarmierungen.

Was Großbrände angeht, war 2015 kein gutes Jahr. 27 Großfeuer gab es, neun mehr als 2014. Besonders fordernd seien die beiden Bunkerfeuer am 4. und 8. August gewesen oder der Lkw-Brand im Elbtunnel am 2. Dezember, sagte Oberbranddirektor Klaus Maurer, der am Montag mit Innensenator Andy Grote (SPD) die Jahresbilanz vorstellte. Insgesamt sei die Feuerwehr zu 5796 Bränden ausgerückt, bei denen 399 Menschen verletzt und 15 getötet wurden (2014: neun). Die meisten Feuer seien im häuslichen Bereich ausgebrochen. Die Installation von Rauchwarnmeldern sei daher unerlässlich. „Das sind Lebensretter!“, sagte Maurer.

8000-mal wurde der Rettungsdienst in die Flüchtlingsunterkünfte gerufen

Deutlich häufiger musste die Feuerwehr 2015 zudem technische Hilfestellung leisten, was vor allem auf die verheerenden Unwetterlagen zurückgeht. Am meisten zu tun hatte aber der Rettungsdienst. Die Zahl der Einsätze stieg um mehr als zehn Prozent auf 247.000. Etwa 8000-mal wurden die Retter in die Hamburger Flüchtlingsunterkünfte gerufen. Viele Neuankömmlinge seien noch nicht mit den Regeln des deutschen Gesundheitswesens vertraut, so Maurer. „Viele wählen die 112, auch wenn eine hausärztliche Versorgung angebracht wäre.“

Leicht zugenommen hat auch die Zahl der Notrufe, die in der Rettungsleitstelle (RLST) an der Wendenstraße aufgelaufen sind. 565.221 registrierte die Feuerwehr 2015. Doch während die Arbeitsbelastung steigt, hat sich an der räumlichen und personellen Situation kaum etwas geändert – dabei drängt die Feuerwehr seit 2010 auf einen Neubau.

Wie aus einem internen Vermerk der Feuerwehr hervorgeht, der dem Abendblatt vorliegt, bemängeln Mitarbeiter seit Jahren die Zustände in der RLST. Ihnen machen vor allem die Platzprobleme in dem Gebäude zu schaffen, die „schlechte Klimatisierung“, die mangelhaften hygienischen Verhältnisse, die schadhafte Ausstattung und allgegenwärtiger Lärm. „Die Behörde hat alle Bemühungen der Feuerwehr, die Themen Gutachten zur Leitstelle und Neubaubedarf zu betreiben, in den letzten Jahren abgelehnt“, heißt es in dem Vermerk weiter. Zwar sieht auch die Innenbehörde einen erhöhten Raumbedarf. Doch ob die RLST neu gebaut oder am Standort Wenden­straße erweitert wird, ist unklar.

Feuerwehrbeamte warnen: Behörde darf sich keine weiteren Verzögerungen erlauben

Auf Abendblatt-Nachfrage sagte Innensenator Grote gestern nur: Eine Machbarkeitsstudie sei bei der Hamburgischen Immobilien Management mbH (IMPF) in Auftrag gegeben worden. Viele komplexe Fragen seien noch zu klären, etwa die nach der Verzahnung der Leitstelle mit der Einsatzzentrale der Polizei, so Grote.

Reetdach bei Brand völlig zerstört

Gegen 23.30 Uhr am Donnertsgabend wurde die Feuerwehr alarmiert, Ein Reetdach am Georgswerder Deich brannte
Gegen 23.30 Uhr am Donnertsgabend wurde die Feuerwehr alarmiert, Ein Reetdach am Georgswerder Deich brannte © HA
Zwölf Arbeiter befanden sich zum Zeitpunkt des Ausbruchs im Haus, Sie konnten sich unverletzt retten
Zwölf Arbeiter befanden sich zum Zeitpunkt des Ausbruchs im Haus, Sie konnten sich unverletzt retten © HA | Zand-Vakili
Das Bezirksamt Mitte hatte die zwölf Personen vorerst anderweitig untergebracht
Das Bezirksamt Mitte hatte die zwölf Personen vorerst anderweitig untergebracht © dpa | Daniel Bockwoldt
Die Rauchentwicklung war so stark, dass sogar der Verkehr auf der A1 beeinträchtigt wurde
Die Rauchentwicklung war so stark, dass sogar der Verkehr auf der A1 beeinträchtigt wurde © HA | Zand-Vakili
65 Feuerwehrleute waren in Wilhelmsburg vor Ort
65 Feuerwehrleute waren in Wilhelmsburg vor Ort © dpa | Daniel Bockwoldt
Die Einsatzkräfte der Feuerwehr sind momentan noch mit den Nachlöscharbeiten beschäftigt
Die Einsatzkräfte der Feuerwehr sind momentan noch mit den Nachlöscharbeiten beschäftigt © dpa | Daniel Bockwoldt
Die Brandursache ist weiterhin unklar. Auch die Höhe des Sachschadens kann noch nicht beziffert werden
Die Brandursache ist weiterhin unklar. Auch die Höhe des Sachschadens kann noch nicht beziffert werden © dpa | Daniel Bockwoldt
Seit 11.10 Uhr konnten auch die nach Löscharbeiten beendet werden
Seit 11.10 Uhr konnten auch die nach Löscharbeiten beendet werden © dpa | Daniel Bockwoldt
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Dabei warnen Feuerwehrbeamte: Die Behörde dürfe sich keine weiteren Verzögerungen erlauben. So laufe im Jahr 2020 der technische Support für die RLST aus. Zudem könne die Leitstelle, so wie sie jetzt ausgestattet ist, nicht als „redundantes System“ für die Polizei fungieren. Das Redundanz-Konzept sieht vor, dass sich Feuerwehr und Polizei im Störungsfall oder auch bei terroristischen Anschlägen wechselseitig unterstützen.

Feuerwehrleute kommen vorübergehend bei der Polizei unter

Gerade erst hat sich das Konzept in der Praxis bewährt: Nach einem Kabelbrand in der RLST am 11. April kamen Feuerwehrleute vorübergehend bei der Polizei unter. Ob das auch umgekehrt funktionieren würde, ist fraglich. „Durch den erhöhten Eigenbedarf ist die Umsetzung des Redundanzkonzeptes stark gefährdet“, heißt es in dem Vermerk der Feuerwehr weiter. „Gerade im Hinblick auf den G20-Gipfel in Hamburg müssen die Mängel dringend behoben werden“, sagt Daniel Dahlke, Chef des Hamburger Berufsfeuerwehrverbandes. „Die Einsatzbereitschaft der Leitstelle und der polizeilichen Notrufzentrale muss zu jedem Zeitpunkt gesichert sein.“

Bewegt hat sich bisher kaum etwas, wie Senatsantworten auf fünf unterschiedliche Anfragen seit 2013 zur Planung in Sachen Rettungsleitstelle belegen. Grote habe am Montag wichtige Zukunftsfragen ausgeklammert, kritisiert der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Gladiator: „Die Feuerwehr braucht seit Jahren eine neue Leitstelle. Außer Ankündigungen und Absichtserklärungen hat der Senat nichts auf den Weg gebracht. Es ist höchste Zeit, der Innensenator muss Verantwortung übernehmen und handeln.“