Blankenese. Hamburg lässt nach Aufhebung des Baustopps die Fläche am Björnsonweg roden, um Flüchtlingsheim zu bauen. Das sagen die Anwohner.
Viel Zeit hat sich die Stadt nicht gelassen. Nur einen Tag nach Aufhebung des Baustopps suchte ein Biologe am frühen Donnerstagmorgen das kleine Wäldchen am Björnsonweg nach Vogelnestern ab.
Dann rückten Männer mit Kettensägen an. Um 9.30 Uhr fuhr das dreiköpfige Team einer Gartenfirma dann auf das zeitweise so umkämpfte Gelände in Blankenese. Nach Angaben von Vorarbeiter Horst Putfarcken habe sich nur ein Anwohner zu Beginn der Arbeiten erkundigt, ob alles seine Richtigkeit habe.
Anwohner: „Was soll man machen?“
Fast scheint es, als seien die Anrainer dem Grundstück diesmal demonstrativ ferngeblieben. In den umliegenden Häusern sind lediglich einige Bewohner zu sehen, die hinter geschlossenen Fenstern telefonierend die Vorgänge beobachteten.
„Was soll man machen?“, sagt ein Mann, der schräg gegenüber im Garten eine Zigarette raucht, während sein kleiner Sohn in der Sandkiste spielt. Wir haben alles versucht, nun müssen wir das akzeptieren“. Ebenso wie die anderen Anwohner es seit Wochen praktizieren, will auch er seinen Namen nicht nennen.
Seitdem in Blankenese Autos angezündet wurden und Front gegen „Bonzen“ gemacht wurde, ist man vor Ort vorsichtig geworden. Er habe nichts gegen Flüchtlinge, sagt der Mann, der einen aufgeschlossenen Eindruck macht. Sorge bereite ihm lediglich die Vorstellung, dass vor der Tür irgendwann ständig Menschen an- und abfahren. Auch die junge Mutter, die ein paar Häuser entfernt das Spruchband „Refugees Welcome“ an ihrem Balkon angebracht hat, will sich namentlich äußern – „lieber nicht“. Es sei richtig, dass nun mit den Arbeiten begonnen werde, sagt sie. Im Übrigen sei sie in der Nachbarschaft wegen ihrer Haltung noch nie angefeindet worden.
Schnell sind die Bäume am Björnsonweg gefällt
Währenddessen kreischen auf dem brachliegenden Gelände, auf dem eines Tages die Flüchtlingsunterkunft stehen wird, die Motorsägen. Krachend fällt Baum um Baum. Zwei riesige Kiefern liegen neben Birken mittlerer Größe, dazwischen blühen Forsythien-Büsche. Die Fällung geht zügig voran, schon um halb eins sind die Arbeiten wieder beendet.
Wie berichtet, dürfen auf dem Gelände 42 größere Bäume gefällt werden – vor Ort wachsen aber – noch – Hunderte, wenn auch deutlich kleinere. Kopfschüttelnd betrachtet eine ältere Frau die Szenerie. „Wenn ich meinen Hund frei herumlaufen lassen würde, bekäme ich wegen der Brutzeit sofort eine Strafe, aber hier dürfen Bäume gefällt werden.“
Sie kann sich noch an die Zeit erinnern, als schon einmal eine Unterkunft für Asylbewerber am Björnsonweg gestanden hat. Damals habe man „schlimme Sachen“ beobachten können, sagt die Frau, die an der Rissener Landstraße wohnt und ebenfalls anonym bleiben will. Dann besinnt sie sich schnell: „Ich will das jetzt nicht alles schlecht reden, man muss diesen Menschen ja eine Chance geben.“
Flüchtlingsunterkunft könnte Mitte 2017 fertig sein
Laut Susanne Schwendtke, Sprecherin von „Fördern & Wohnen“, werden nach Abschluss der Fällarbeiten die Bauvorarbeiten fortgesetzt. „Das Gelände wird vermessen, Abwasser- und Stromleitungen verlegt.“ Es werde noch eine Weile dauern, bis die 192 Flüchtlinge einziehen können. „Ich gehe davon aus, dass es Mitte 2017 so weit sein wird“, sagte Schwendtke. Vorausgesetzt, dass kein Gericht die Arbeiten unterbricht. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte zwar am Mittwoch den Baustopp aufgehoben. Allerdings ist damit in der Hauptsache noch keine Entscheidung gefallen.
Eigentlich ist es in Hamburg nicht erlaubt, innerhalb der sogenannten Schutzfrist vom 1. März bis zum 30. September Bäume zu fällen. Ausnahmen sind aber bei „überwiegendem öffentlichen Interesse“ erlaubt. Nach Angaben des Bezirksamts Altona ist es zwischen März und September „aus Artenschutzgründen generell verboten, Bäume, Hecken und Gebüsche auf den Stock zu setzen, auch wenn diese sonst nicht geschützt sind“. Befreiungen seien lediglich im Einzelfall möglich.