Hamburg. Ein Mann aus Eritrea springt vor einen Zug, eine Irakerin erhängt sich „nach Abort“. 40 Suizidversuche hat es seit April 2014 gegeben.

Erstmals haben sich nach offiziellen Senatsangaben in Hamburg zwei Flüchtlinge das Leben genommen. Das geht aus der Antwort der Behörden auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Christiane Schneider hervor. Im Dezember 2015 ließ sich ein Mann aus Eritrea an der S-Bahn-Station Holstenstraße nur wenige Tage vor Weihnachten von einem Zug überrollen.

Nach Presseberichten war er 26 Jahre alt, lebte in einer Einrichtung in Harburg, und ist am 21. Dezember 2015 an der Holstenstraße gegen 20 Uhr vor eine Regionalbahn auf die Gleise gesprungen. Im März erhängte sich laut Senatsantwort in der Zentralen Erstaufnahme (ZEA) Rugenbarg eine Frau aus dem Irak. „Nach Abort“, wie es in der Antwort heißt. Näheres über diesen Fall ist bisher nicht bekannt.

„Was hatten diese Menschen erlebt, mit welcher Hoffnung kamen sie?“

Suizidversuche von in Hamburg untergebrachten Flüchtlingen hatte es auch zuvor bereits häufiger gegeben. Insgesamt 40 Fälle sind laut der aktuellen und zweier älterer Anfragen der Linken-Abgeordneten Schneider seit April 2014 dokumentiert. Seit Mitte September waren es noch neun Fälle.

„Zwei Menschen, die als Geflüchtete nach Hamburg kamen und in einer Zentralen Erstaufnahme untergebracht waren, haben ihrem Leben ein Ende gesetzt. Neun Menschen haben in diesem Zeitraum einen Suizidversuch begangen, darunter ein Minderjähriger. Das erschüttert mich“, sagte Schneider dem Abendblatt. „Auch wenn ich über die konkreten Motive für die beiden Suizide und die neun Suizidversuche nichts weiß: Was hatten die Geflüchteten an Furchtbarem erlebt? Wie viel Hoffnung hatten sie, als sie hierher kamen? Welche Hoffnungslosigkeit trieb sie zu dem verzweifelten Schritt?“

Stadt betont, dass bei Erstuntersuchung auf psychische Traumata geachtet werde

Allein sechs der Betroffenen seien aus Afghanistan, zwei aus dem Iran, betonte die Bürgerschaftsabgeordnete. „Für Menschen aus diesen Ländern ist die Bleibeperspektive aufgrund der inzwischen sehr restriktiven Asylpolitik extrem unsicher. Von der Behörde erwarte ich Auskunft darüber, warum der traurige, einsame Tod von zwei Menschen, die hier Schutz suchten und in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht waren, der Öffentlichkeit verschwiegen wurde.“

Die Sprecherin des Zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge, Christiane Kuhrt, bestätigte, dass die beiden jüngeren Todesfälle die ersten in Hamburg dokumentierten Suizide von Flüchtlingen seien. Sie betonte aber zugleich: „Schon im Rahmen der Erstuntersuchung wird darauf geachtet, ob schwere traumatische Störungen vorliegen, die auf Suizidgefahr hindeuten.“ Zudem sei es „für das Sozialmanagement selbstverständlich, ebenso wie für die in den Einrichtungen tätigen Ärzte, auch auf traumatisierte Menschen zu achten und diese gegebenenfalls an entsprechende Einrichtungen, wie etwa im UKE, weiterzuleiten“.

Senat: Flüchtlingen stehen grundsätzlich die gleichen Angebote offen wie anderen Bürgern

Die jüngsten neun Suizidversuche verteilten sich auf unterschiedliche Unterbringungen. Zwei Fälle gab es in der ZEA Neuland 2, zwei am Rugenbarg, je einen Selbstmordversuch am Karl-Arnold-Ring, an der Papenreye und an der Dratelnstraße. Eine Frau aus dem Iran versuchte sich in einer Hamburger Moschee das Leben zu nehmen und ein Mann aus Afghanistan im „Hamburger Stadtgebiet“ - ohne dass die Behörden den Ort nennen.

Der Senat betont in seiner Antwort auf die aktuelle Anfrage, dass den Flüchtlingen „grundsätzlich die gleichen Angebote“ offen stünden „wie anderen psychisch erkrankten oder traumatisierten Bürgerinnen und Bürgern“. Zusätzlich bestehe „ein System ärztlicher Versorgung und sozialer Betreuung in den Einrichtungen“.