Hamburg. Warteschlangen am Morgen: So hoffen Bürger, mit ihren Anliegen dranzukommen. Auf reguläre Termine müssen sie wochenlang warten.

Montagmorgen, sieben Uhr, fünf Grad. Auf einer Mauer vor dem Kundenzentrum Barmbek-Uhlenhorst sitzt Markus Werner (Name geändert). Sein Rucksack dient als Kissen, denn er wird lange auf dem kalten Stein ausharren: Erst in einer Stunde, um 8 Uhr, öffnet die Einrichtung.

Doch Herr Werner weiß, wie groß der Andrang in den 19 Hamburger Kundenzentren täglich ist. Er will kein Risiko eingehen, ist deshalb früh zur Stelle. Am vergangenen Donnerstag war er nach einer Stunde Wartezeit am Schalter weggeschickt worden mit der Begründung: „Nur für Notfälle“. Doch auch sein Anliegen drängt: Er braucht eine Verpflichtungserklärung, um Besuch aus Thailand empfangen zu können. „Die muss beantragt, ausgestellt und weggeschickt werden. Heute ist die letzte Gelegenheit, wenn es sich noch lohnen soll“, sagt er.

Kurz nach Markus Werner treffen die nächsten Bürger ein – mit dringenden Anliegen. „Ich habe geheiratet und möchte schnellstmöglich einen Ausweis mit meinem neuen Namen haben“, sagt eine Frau aus Winterhude, die erst Mitte Juni einen Termin bekommen hätte. Auch sie war schon vor einigen Tagen hier und wurde wieder weggeschickt. „Obwohl noch gar nicht Feierabend war“, sagt sie ärgerlich.

Die Probleme sind seit Monaten in ganz Hamburg gleich: Auf freie Termine, die man im Internet für das Ausstellen von Reisepässen, Personalausweisen oder Meldebestätigungen buchen will, muss man viele Wochen warten. Nach wie vor heißt es im Online-Terminmanagement der Kundenzentren in roter Schrift: „Wenn Sie online keinen Termin finden, versuchen Sie es bitte später noch einmal.“ Die Bürger werden gebeten, von einer telefonischen Terminvereinbarung abzusehen.

Grund sind personelle Engpässe: Rund ein Fünftel der ehemals 213 Stellen sind unbesetzt, viele Mitarbeiter sind eingebunden in die Organisation der Flüchtlingshilfe. Das Resultat: Immer mehr Kunden kommen ohne Termin, oft lange, bevor die Kundenzentren aufmachen.

Die Mitarbeiter vor Ort kalkulieren mit drei Kundenkategorien: Terminkunden, die eine längere Dienstleistung beanspruchen (Pass, Ausweis, Meldebestätigung), Spontankunden mit Fragen oder Anliegen, die am Schalter erledigt werden können (Beglaubigung, Meldebestätigung) und Spontankunden, die auf eine längere Dienstleistung warteten. „Diese können nur bedient werden, wenn sich zeitliche Lücken ergeben“, sagt Tom Oelrichs, stellvertretender Bezirksamtsleiter von Hamburg-Nord. Das sei der Fall, wenn Kunden ihre gebuchten Termine nicht wahrnehmen oder wenn die Mitarbeiter Dienstleistungen schneller als vorgesehen erledigen könnten.

Norman Jandali musste sechs Wochen
auf einen Termin warten
Norman Jandali musste sechs Wochen auf einen Termin warten © HA | Andreas Laible

Angesichts der vielen Spontankunden ließen die Mitarbeiter der Kundenzentren nur so viele Personen ein, wie sie meinen, bedienen zu können, so Oelrichs. „Doch sie gucken schon, welche Sorgen und Nöte sie haben.“

Mittlerweile stehen hinter Markus Werner schon sechs Leute in der Schlange, die bis 8 Uhr auf rund 40 Personen anwachsen wird. Eine junge Dame benötigt eine Meldebestätigung. Sie ist vor kurzem aus München hergezogen. „Ich habe zwar Anfang Mai einen Termin“, sagt sie. „Doch jetzt ist es dringend geworden: Ich habe mir ein Auto gekauft.“ Ein junger Mann braucht eine Ledigkeits- und eine Geburtsurkunde. Auch für ihn ist es der zweite Besuch innerhalb weniger Tage. Vor einer Woche habe er zwei Stunden gewartet. In dieser Zeit wären etwa acht Kunden, die wie er keinen Termin hatten, bedient worden. „Weil vor mir immer noch sieben weitere standen, bin ich dann los.“

Nur wer dringend eine behördliche Bescheinigung oder einen Reisepass braucht (diesen gibt es auch als Expresspass für 32 Euro innerhalb von 72 Stunden) gilt als Notfall. Im Kundenzentrum Rahlstedt sind das an diesem sonnigen, kühlen Vormittag gut zehn Personen. Sie durften Platz nehmen, in den ausliegenden Prospekten blättern. Und warten. „Das kann heute schon einige Stunden dauern“, sagt eine Behördenmitarbeiterin. Während dieser Montag relativ ruhig in Gang kommt, gebe es bei durchschnittlich rund 400 Bürgern pro Tag allerdings regelmäßig Ärger und Beschwerden über die langen Vorlaufzeiten.

Norman Jandali hatte vor gut sechs Wochen per Internet seinen Termin gebucht. Jetzt kommt er aus dem Kundenzentrum und ist froh: Er hält den neuen Personalausweis in der Hand.