Hamburg . Auch die Online-Anmeldungen in Kundenzentren helfen kaum. Die Mitarbeiter sind überlastet. Bezirksämter suchen neues Personal.
In den Kundenzentren der Bezirke sollte durch Online-Terminvergabe alles besser werden: kürzere Wartezeiten, schnellere Beratung. Doch zwei Jahre nach der Einführung hapert es noch immer an der Umsetzung. Zwei Monate müssen Hamburger in der Regel auf einen Termin warten – nur um sich umzumelden oder um sich einen neuen Pass oder Personalweis ausstellen zu lassen. Die Termine sind in fast allen Kundenzentren bis in den Mai ausgebucht.
Gerade zu einer Zeit, in der europaweit wieder Grenzkontrollen eingeführt werden, ist das ein Fallstrick für Urlauber. Vielen fällt erst kurz vor der Reise auf, dass Ausweise und Reisepässe erneuert werden müssen. Doch auch für das Ausstellen von vorläufigen Pässe gibt es frühestens im April einen Termin – und das bloß in einem einzigen Kundenzentrum in Eimsbüttel.
Wer sich nicht durch einen abgelaufenen Pass vom Skiurlaub in Österreich abhalten lassen will, muss also ohne Termin ins Kundenzentrum kommen. Nachdem diese Spontantermine ursprünglich gar nicht mehr vorgesehen waren und es Beschwerden gegeben hatte, wurden sie ausdrücklich zugelassen – und führen ebenfalls zu langen Wartezeiten. Durchschnittlich 50 Minuten müssten die Kunden in Kauf nehmen, gibt der Harburger Bezirksamtsleiter Thomas Völsch zu, unter dessen Federführung das Online-Terminmanagement steht.
„Senat spart bei bürgernahen Dienstleistungen“
„Die Wartezeiten in den Kundenzentren sind inakzeptabel“, sagt Thilo Kleibauer, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Es zeigt sich, dass der Senat überproportional in den Bezirken und damit bei den bürgernahen Dienstleistungen spart. Das darf so nicht weitergehen.“
Als Ursache für die langen Vorlaufzeiten sieht Thomas Auth-Wittke strukturelle Probleme. „Wir brauchen zusätzliche Leute“, sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Personalräte aller Bezirksämter. Denn nicht nur die Kunden sind genervt. Auch die Mitarbeiter der Kundenzentren klagen über extreme Belastung. Der Spagat zwischen Termin- und Spontankunden sei für die Sacharbeiter schwierig zu meistern, so Auth-Wittke. Sie seien in einem „Hamsterrad“ gefangen: Einerseits müssen sie die Warteschlangen in den Kundenzentren abarbeiten, andererseits kurzfristig Online-Termine bereithalten. Ohne zusätzliche Stellen sei beides nicht zu schaffen.
40 Prozent vereinbaren Termin online
„Die Vorlaufzeit für einen Termin ist ein Schwachpunkt bei der Online-Terminvergabe“, sagt Bezirksamtsleiter Völsch (SPD). Trotzdem sieht er eine positive Entwicklung. Mittlerweile hätten etwa 40 Prozent der jährlich 800.000 Kunden vorher online einen Termin vereinbart, eine „überraschend hohe Zahl“. Dadurch habe sich die Wartezeit für Terminkunden auf durchschnittlich acht Minuten reduziert. Trotzdem hält Völsch das Terminsystem für ausbaufähig. Als Voraussetzung dafür würde aber mehr Personal in den Kundenzentren benötigt.
Von etwa 200 Sachbearbeiterstellen seien 25 nämlich gar nicht besetzt. „Wir haben Schwierigkeiten, Leute für diese Stellen zu finden“, so Völsch. Deshalb suchen die Bezirksämter mit einer Ausnahmegenehmigung des Personalamtes nun auch außerhalb Hamburgs nach Arbeitskräften. Doch auch bei Neubesetzungen ließe sich der Vorlauf für einen Termin nicht auf weniger als 20 Tage drücken.
Lange Wartezeiten sind keine Einzelfälle
Die langen Wartezeiten bei der Online-Terminvergabe in den Kundenzentren der Bezirke verärgern die Kunden. Da ist der Urlauber, der sich im Dezember um einen Termin für das Ausstellen eines neuen Reisepasses bemühte, diesen für den 24. Februar bekam – und dann aber doch einen hohen Expresszuschlag zahlen musste, weil der neue Pass nicht rechtzeitig fertig geworden wäre. Oder die junge Frau, die gerade von München nach Hamburg zog, sich aber erst in acht Wochen ummelden kann.
Abendblatt-Stichproben zeigen, dass das keine Einzelfälle sind. In Billstedt, Blankenese und Bramfeld gab es am vergangenen Donnerstag keine Ummelde-Termine vor dem 10. Mai. Für die Kundenzentren in Bergedorf und Finkenwerder werden gar keine Termine angezeigt. Einzig in Eimsbüttel wäre am 13. und 14. April etwas frei.
Einen neuen Personalausweis bekommt man frühestens am 23. März in Harburg. In Wandsbek, Wilhelmsburg und anderen Kundenzentren ist vor dem 10. Mai gar kein Termin zu bekommen. Das gilt auch für vorläufige Personalausweise. Bis auf einen versprengten Termin in Eimsbüttel am 14. April müssen Kunden mit diesem Anliegen zwei Monate Vorlauf einplanen.
Personalräte fordern Mitbestimmung beim Terminmanagement
Bei diesen Vorlaufszeiten kommen viele Kunden ohne Termin. Dass sie dann ebenfalls warten müssen, verärgert viele. „Die Leidtragenden sind die Mitarbeiter an den Rezeptionen, die immer wieder beschimpft werden“, sagt Personalrat und Ver.di-Mitglied Stefan Wiarda aus Hamburg-Nord. Da die Mitarbeiter zudem nebenbei sogenannte Schnelldienstleistungen erledigen und etwa Dokumente aushändigen müssten, seien sie extrem belastet. Um das zu ändern, befinden sich die Personalräte derzeit in Auseinandersetzungen mit den Bezirksämtern,. „Wir fordern Mitspracherecht beim Terminmanagement“, so Wiarda. Man wolle Einfluss darauf haben, wie viele Termine pro Tag vergeben würden und wie lange sie dauerten. „Momentan werden Termine zur Verfügung gestellt, ohne dass die tatsächliche Besetzung in den Kundenzentren berücksichtigt wird.“ Spätestens bei der nächsten Personalversammlung im April werde die Forderung auf der Agenda stehen.
Die Stadt will versuchen, das Problem in den Griff zu bekommen. Angedacht ist offenbar, mehr feste Termine im Arbeitstag der Mitarbeiter zu verankern; dadurch würde aber die „Pufferzone“, die ihnen für spontane Kunden oder etwaige Verzögerungen zur Verfügung steht, reduziert. Zudem könnte die Dauer der Termine je nach Anliegen verkürzt werden. So könnte eine Anmeldung bald nur noch zehn statt 15 Minuten dauern.
Für Sieglinde Frieß, die bei der Gewerkschaft Ver.di zuständig ist für die Bezirksämter in Hamburg, ist das keine Option. Denn: „Die Kollegen arbeiten unter hoher Belastung und wissen jetzt schon nicht mehr, wie sie das bewältigen sollen.“ Während der Termine sei oft nur Zeit für die Betreuung der Kunden. Deshalb blieben viele Mitarbeiter länger, um die notwendige Nacharbeit zu erledigen.