Eppendorf. 1,2 Millionen Euro für 120 Quadratmeter Wohnfläche an einer Hauptverkehrsstraße? In Hamburg ist im Moment alles möglich.

Der Termin beim Notar war schon vereinbart. Zwei Tage noch, dann sollte der Verkauf der in der Geschwister-Scholl-Straße gelegenen Zweizimmerwohnung über die Bühne gehen. 260.000 Euro für nicht ganz 60 Quadratmeter – ein saftiger Preis, aber angesichts der zentralen Lage in Eppendorf unweit des Universitätsklinikums durchaus akzeptabel. Dann kam der Anruf der Verkäuferin. Ein anderer Interessent biete rund 20.000 Euro mehr. Daher habe sie sich für den Verkauf an ihn entschieden.

Björn Dahler, geschäftsführender Gesellschafter der Dahler & Company Group in Hamburg, will zwar nicht verallgemeinern. Allerdings hat er in den vergangenen Jahren bemerkt, wie sehr einige Immobilienverkäufer auf einen möglichst hohen Verkaufspreis fixiert sind. „Die Begehrlichkeiten nehmen zu“, sagt er. Viele Käufer hingegen treibt der Umstand, dass „Betongold“ inzwischen fast als die einzige sichere und wertstabile Geldanlage gilt.

Was sich derzeit in angesagten Stadtvierteln bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern abspielt, spottet jeder Beschreibung. „Je besser die Lage, die Ausstattung und die Architektur sind, desto begehrter ist das Objekt“, sagt Dahler. Für architektonisch wertvolle Stadtvillen rund um die Außenalster oder in den Elbvororten werde heute bis zu einem Drittel mehr bezahlt als vor vier, fünf Jahren. „Ab sechs Millionen Euro bis zweistellige Millionenbeträge sind möglich.“

Quadratmeterpreise bis zu 10.000 Euro in Eppendorf

Lars Seidel, Geschäftsführer von Grossmann & Berger, hat auch in Vierteln aus der Gründerzeit eine große Nachfrage ausgemacht. „Besonders hohe Preise werden bei Stadthäusern erzielt, da es hier kaum ein Angebot gibt. In Harvestehude werden auch schon mal 30 Prozent über dem Marktdurchschnitt bezahlt.“ Andreas Gnielka, Bereichsleiter Wohnimmobilien bei Grossmann & Berger, ergänzt, dass in Eppendorf wegen des geringen Angebotes Quadratmeterpreise zwischen 8000 und 10.000 Euro erlöst würden.

Auch jüngere Stadtteile wie die HafenCity, wo die Immobilienpreise bereits als hoch galten, legten in den vergangenen Jahren eine atemberaubende Preisrallye hin. Als am Sandtorkai in der HafenCity 2006 die ersten Häuser errichtet worden seien, habe man als Projektentwickler beim Verkauf mit einem Preis von 3500 Euro pro Qua­dratmeter kalkulieren müssen, sagt Björn Dahler. Bei der Bebauung des Kaiserkais zwei, drei Jahre später seien es schon 4000 Euro pro Quadratmeter gewesen. „Heute bezahlen sie beim Kauf einer Eigentumswohnung in der HafenCity in der Regel mehr als 6000 Euro pro Quadratmeter, manchmal auch mehr als 10.000 Euro.“

Die Gründe für die enorme Preisentwicklung sind vielfältig. So animieren die historisch niedrigen Zinsen derzeit auch Menschen zum Kauf von Wohneigentum, die früher nicht im Traum daran dachten. Statt für rund 4,5 Prozent im Jahr 2006 sei eine zehnjährige Immobilienfinanzierung jetzt für unter 1,5 Prozent zu haben, heißt es im jüngst vorgestellten Immobilienmarktatlas 2016 der LBS Bausparkasse Schleswig-Holstein/Hamburg. Bei gleichem persönlichem Budget erhalte der Käufer heute eine um rund 88 Prozent höhere Darlehenssumme als noch vor zehn Jahren. Im vergangenen Jahr kosteten in Hamburg bestehende Wohnungen 8,5 Prozent mehr als 2014. Bei neuen Wohnungen mussten im Schnitt 6,7 Prozent zusätzlich angelegt werden.

Immobilien statt Aktien

Björn Dahler bezeichnet die Preisentwicklung in den vergangenen Jahren als verblüffend. „5000 bis 6000 Euro pro Quadratmeter sind beim Kauf einer Eigentumswohnung heute keine Seltenheit mehr. Wegen der niedrigen Zinsen sind Menschen, die etwas Geld haben, fast schon verzweifelt, wie sie den Wert ihres Vermögens sichern können.“ Bei einer Immobilie hätten viele das Gefühl, sie könnten diese besser überschauen als beispielsweise Aktien.

Allerdings fehlt es inzwischen in Toplagen an attraktiven Immobilien. „In beliebten Stadtteilen werden im Bestand ungewöhnlich wenige Einfamilienhäuser oder Eigentumswohnungen angeboten“, sagt Lars Seidel. Für die Käufer steigt damit das Risiko, das gewünschte Objekt nicht zu bekommen, wenn sie verhandeln wollen.

Verkäufer hingegen können sich entspannt zurücklehnen. „Wir haben Haus- oder Wohnungsbesitzer, die eigentlich verkaufen wollen, es dann aber doch nicht tun“, sagt Lars Seidel. Eigentümer, die keinen Druck hätten, gäben auch bei den Vertragsverhandlungen nicht nach. „Es gilt die Regel: Man kann verkaufen, wenn der Preis stimmt, aber man muss nicht um jeden Preis verkaufen.“

Preise bleiben vermutlich hoch

Menschen sind vor allem dann bereit, mehr zu bezahlen, wenn sie die Wohnung oder das Haus selbst beziehen wollen. „In der Regel betrachtet der Eigennutzer die Investition in eine Immobilie etwas emotionaler als derjenige, der eine Kapitalanlage sucht“, sagt Björn Dahler. Lars Seidel spricht von Liebhaberpreisen. „Wer die Wohnung selbst nutzt, ist manchmal bereit, mehr zu bezahlen als jemand, der das Ganze kommerziell betrachtet, die Wohnung also vermieten will.“ Angesichts steigender Mieten nimmt bei manchen Interessenten zudem die Sorge zu, in zwanzig Jahren die Miete nicht mehr zahlen zu können.

Auch wenn in Hamburg seit einigen Jahren verstärkt gebaut wird, dürften in guten Lagen die Preise hoch bleiben. Noch bezahlbares Wohneigentum gibt es daher eher außerhalb des Rings zwei. Andreas Gnielka geht davon aus, dass weitere Stadtteile in den kommenden Jahren steigende Immobilienpreise erleben werden. „In Schnelsen macht sich bereits bemerkbar, dass dort ein Autobahndeckel errichtet wird. Die Häuserpreise sind gestiegen.“ Björn Dahler erwartet, dass Barmbek-Süd zum Trendviertel wird.

Unter diesen Umständen wird auch das Wohnen in der Innenstadt wieder attraktiver. Neue Projekte würden so konzipiert, dass unten eine Ladenzeile entsteht, in der Mitte Büros und weiter oben Wohnungen, sagt Lars Seidel. Allerdings erwartet der Immobilienexperte, dass es eher teure Wohnungen sein werden, die im Hamburger Stadtzentrum entstehen.