Hamburg. Polizei nimmt zwei Afghanen fest. Die Männer fuhren mit ihrem Opfer bis nach Stellingen, vergewaltigten die Frau am Neujahrsmorgen.
Die Ermittler haben offenbar einen besonders schweren sexuellen Übergriff aus der Silvesternacht aufgeklärt: Am Dienstag nahm die Polizei zwei 19 und 22 Jahre Männer aus Afghanistan vorläufig fest, die eine 19-Jährige von der Reeperbahn mutmaßlich bis zum Spannskamp in Stellingen verfolgt haben. Dort soll einer der Männer die Frau vergewaltigt haben; der 19-Jährige kam in Untersuchungshaft. Beide Verdächtigen sind Flüchtlinge und waren in der Erstaufnahme an der Schnackenburgallee in Bahrenfeld untergebracht.
Nach Polizeiangaben feierte die 19-Jährige bis zum frühen Morgen in einem Lokal an der Großen Freiheit. Von dort aus begab sich die alkoholisierte Frau gegen 7 Uhr zum Bahnhof Reeperbahn, um mit der S-Bahn nach Hause zu fahren. „Offenbar wurden die Täter dort auf die Frau aufmerksam“, sagte Polizeisprecher Jörg Schröder. Dies legten Videoaufnahmen aus der Nacht nahe. Mit den Bildern hatte die Polizei intern nach den Männern gefahndet. Der entscheidende Hinweis auf das Duo kam aus der Soko „Silvester“, die im Fall der massenhaften Übergriffe an der Großen Freiheit ermittelt. Dort waren die beiden Afghanen bereits im Rahmen der Ermittlungen aufgefallen.
Die Männer attackierten und vergewaltigten die junge Frau vor 9.10 Uhr am Neujahrsmorgen. Außerdem sollen sie ihr Handy gestohlen haben. Nach Abendblatt-Informationen konnte sie zunächst selbst keine Beschreibung der Täter geben. Die Beamten der Abteilung für Sexualdelikte im Landeskriminalamt identifizierten die 19 und 22 Jahre alten Flüchtlinge jedoch anhand der Videoaufnahmen im Bereich der Reeperbahn und aus der Bahn.
Am vergangenen Dienstag durchsuchten die Beamten die Wohnräume der Männer an der Schnackenburgallee und stellten Beweismaterial sicher. Der 19-Jährige wurde anhand eines DNA-Schnelltestes als mutmaßlicher Vergewaltiger überführt. Der zweite Tatverdächtige wurde aufgrund eines negativen Ergebnisses zunächst auf freien Fuß gesetzt. Gegen den Mann werde aber weiterhin ermittelt, heißt es.
Nach dem aktuellen Fahndungserfolg sitzen nun insgesamt vier mutmaßliche Täter aus der Silvesternacht wegen sexueller Übergriffe in Untersuchungshaft. Zuletzt hatte die Soko „Silvester“ Anfang Februar einen 22-jährigen Algerier aus dem niedersächsischen Eschershausen festgenommen, der Frauen an der Großen Freiheit in drei Fällen gemeinsam mit anderen Männern sexuell genötigt haben soll. Der Mann war nach Polizeiangaben zu Silvester zunächst zum Feiern nach Hamburg gekommen. Außerdem sitzen ein 33 Jahre alter Iraner sowie ein 29-Jähriger aus Afghanistan in Untersuchungshaft. Auch sie waren als Flüchtlinge jeweils in Erstaufnahmeeinrichtungen in Hamburg untergebracht. Insgesamt liegen der Polizei inzwischen 240 Strafanzeigen wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigungen bei der Polizei vor, 400 Frauen sind offenbar Opfer der Übergriffe auf St. Pauli geworden.
Unmittelbar nach den Vorfällen gingen Polizisten intern davon aus, dass sich die Ermittlung der Tatverdächtigen sehr lang hinziehen könnte. Die schnellen Erfolge kommen durchaus überraschend. Weiterhin gibt es keine Hinweise darauf, dass die Täter der Übergriffe in Hamburg mit den Beteiligten des Mobs am Kölner Hauptbahnhof vor den Taten in Kontakt standen. Auch unter den Tatverdächtigen in Hamburg ist bislang keine direkte Verabredung zu den Taten bekannt.
Die Ermittler in der Soko gehen jedoch davon aus, dass zwischen den Festgenommenen eine oberflächliche Bekanntschaft bestand. Kurz nach dem Jahreswechsel formierten sich die Männer zu kleinen Gruppen und griffen die in der Masse vorbeiziehenden Frauen gezielt an. Die Soko „Silvester“ ist sich sicher, dass die Übergriffe weit überwiegend sexuell motiviert waren und Diebstähle von Wertsachen eher als Nebeneffekt zu sehen sind.
Anhand eines Übersichtsfotos der Großen Freiheit aus der Silvesternacht hoffen die Beamten, noch weitere Tatverdächtige zu identifizieren. Vor Wochen lobte die Staatsanwaltschaft eine Belohnung von jeweils 2000 Euro für Hinweise auf mehrere Männer aus, nach denen anhand von Aufnahmen weiterhin öffentlich gefahndet wird. Sie sollen auch an der Vergewaltigung von Frauen in dem Gedränge verantwortlich sein. Die Hamburger Polizei bittet Zeugen, die weitere Hinweise zu den Tätern geben können, sich unter Tel. 040-428 65 67 89 zu melden.