Hamburg . Gericht gibt Eilantrag von Anwohnern statt und bestätigt verhängten Baustopp. Wohncontainer stehen bereits und werden beheizt.
Die Flüchtlingsunterkunft Fiersbarg in Lemsahl-Mellingstedt darf auch weiterhin nicht fertiggebaut und betrieben werden. Das Verwaltungsgericht Hamburg gab am Montag einem Eilantrag von Anwohnern statt. „Die Baugenehmigung sei voraussichtlich rechtswidrig, da sie für drei Fünftel des Bebauungsplangebietes eine in diesem Plan nicht vorgesehene Nutzung ermögliche”, heißt es in der Mitteilung der Richter. Das Urteil könnte von Bedeutung für den Bau von Flüchtlingsheimen auch in anderen Quartieren sein.
Am Fiersbarg 8 wollte die Stadt Wohncontainer für bis zu 950 Flüchtlinge aufstellen. Die Inbetriebnahme der Einrichtung war für Anfang November vergangenen Jahres vorgesehen. Gegen die Unterkunft regt sich in der Nachbarschaft Widerstand. Die Anwohner sind nicht grundsätzlich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen am Standort Fiersbarg. Sie halten die Einrichtung lediglich für zu groß.
Auf Grund der Widerstands reduzierte die Stadt die Zahl der unterzubringenden Asylbewerber auf 252. Die Baugenehmigung bezog sich daher lediglich auf die Errichtung und den Betrieb von 17 Wohncontainerblöcken. Die Anwohner fürchteten jedoch eine spätere Erweiterung der Einrichtung und zogen vor Gericht. Sie fordern eine „verbindliche Reduzierung der Belegung” und eine „zeitliche Begrenzung” der Einrichtung auf zwei Jahre.
Dressel bedauert Hängepartie
Der Anwalt der Anwohner, Gero Tuttlewski von der Kanzlei Klemm & Partner, zeigte sich erfreut über das Urteil des Gerichts. „Wir hoffen, dass die Stadt die Entscheidung zum Anlass nimmt, um mit den Anwohnern in ernst gemeinte Gespräche einzutreten. Nur so lässt sich die Einrichtung schnellstmöglich zur Flüchtlingsunterbringung verwenden.“
SPD-Fraktionschef Andreas Dressel bedauerte, dass „die bedauerliche Hängepartie um diese Unterkunft“ weitergehe. Er kündigte an, dass die Stadt Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht einreichen werde. Bedauerlich sei zudem, dass die Notlage der Stadt bei der Unterbringung von Flüchtlingen keine Rolle gespielt habe.
Das am Montag veröffentlichte Urteil des Verwaltungsgerichts war auch aus einem anderen Grund mit Spannung erwartet worden. Die Prozessbeteiligten, allen voran die Stadt, erhofften sich Hinweise der Richter darauf, wie sie mit den Anfang Oktober vergangenen Jahres vom Bundestag beschlossenen Ausnahmeregelungen für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften umgehen sollen.
Die Verwaltungsrichter erklärten nun, dass im vorliegenden Fall die vom Bundestag beschlossenen Befreiungen „nicht zu einer derart erheblichen Abweichung von dem Bebauungsplan” berechtige. „Erforderlich wäre vielmehr eine Änderung des Bebauungsplans in dem dafür vorgesehenen Verfahren”, heißt es in der Erklärung.
Gero Tuttlewski verwies darauf, dass mit der Gerichtsentscheidung der Verwendung des neuen Sonderrechts Grenzen gesetzt worden seien. Anders als von der Stadt vertreten, müssten trotz der Privilegierungsvorschrift des Paragraphen 246 Absatz 12 des Baugesetzbuches die Grundzüge des betroffenen Bebauungsplanes beachtet werden. „Werden diese verletzt, darf das neue Sonderrecht nicht zur Anwendung kommen”, sagte Tuttlewski.
SPD-Fraktionschef Dressel meinte hingegen, das Gericht ziehe für die Anwendung des Paragraphen 246 enge Grenzen. „Diese Begrenzung läuft der von Bundestag und Bundesrat gewollten Erleichterung der Genehmigung von dringend benötigten Unterkünften erkennbar zuwider.“
Wohnungen für Flüchtlinge können rascher errichtet werden
Das veränderte Baurecht privilegiert den Bau von Flüchtlingsunterkünften. Während für einen normalen Häuslebauer hohe Standards – zum Beispiel bei der Bürgerbeteiligung – gelten, kann der Staat Wohnungen für Flüchtlinge aufgrund erheblicher Ausnahmen rascher errichten.
Allerdings gibt es auch Kritik an den beschlossenen Ausnahmen. Nicht wenige Juristen wenden ein, dass damit ein doppeltes Baurecht geschaffen wurde. Zumal Hamburg die Privilegien nicht als Ausnahme, sondern als Regel anwenden will. Das widerspreche dem „Geist” des Gesetzes, sagen Kritiker.
Der Staatsrat der Innenbehörde, Bernd Krösser, hatte vor wenigen Tagen im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt erklärt, dass man jetzt Rechtssicherheit benötige. „Wir brauchen also die Entscheidung der Richter, ob wir bauen dürfen, ob nicht oder unter welchen Einschränkungen.”
Die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Karin Prien, warf dem rot-grünen Senat vor, „auf Biegen und Brechen ... mit eigentlich für den absoluten Notfall gedachten Paragrafen des Baurechtes Standorte für Flüchtlingsunterkünfte durchsetzen” zu wollen.
„Wieder haben SPD und Grüne dabei die Konfrontation mit den Anwohnern gesucht“, sagte Prien. „Wieder ist Rot-Grün mit seiner Konfrontationspolitik dabei gegen die Wand gefahren. Wieder hat das Verwaltungsgericht Rot-Grün die Grenzen aufgezeigt.” Als Konsequenz forderte die CDU-Politikerin einen Runden Tisch zur Flüchtlingsunterbringung.