Hamburg. Fraktionsvizechefin wertete Antworten auf Kleine Anfragen aus – Rot-Grün vernachlässige die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber.
Hamburgs Christdemokraten werfen dem rot-grünen Senat im Umgang mit der Flüchtlingskrise ein Spiel mit falschen Zahlen vor. „Nach der Auswertung der Flüchtlingszahlen für Hamburg steht für uns fest: der Senat operiert zur Rechtfertigung der integrationsfeindlichen Großsiedlungen mit überhöhten Zahlen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Karin Prien, dem Abendblatt. Zugleich würden die Bürger über die wirklichen Fertigstellungstermine der sogenannten Expresswohnungen für Flüchtlinge getäuscht, „um deren Alternativlosigkeit zu belegen“.
Der Senat hatte im vergangenen Herbst den Bau von 5600 Expresswohnungen für bis zu 28.000 Flüchtlinge mit Bleibeperspektive beschlossen und deren Fertigstellung bis Weihnachten dieses Jahres versprochen. Sie werden zunächst als Flüchtlingsunterkünfte deklariert und nach der Erstellung eines regulären Bebauungsplans in einigen Jahren in normale Wohnungen umgewandelt. Die zuständige Stadtentwicklungsbehörde nutzt dazu Ausnahmen im Baugesetz, die der Bundestag im vergangenen Oktober beschlossen hatte. Danach können Flüchtlingsunterkünfte auf Flächen errichtet werden, auf denen Wohnungsbau bislang nicht vorgesehen oder erlaubt ist.
Gegen die Errichtung der Expresswohnungen gibt es in Hamburger Stadtteilen Kritik. Bürgerinitiativen werfen der Regierung vor, die Interessen der Anwohner nicht zu berücksichtigen (siehe dazu auch den Beitrag auf dieser Seite). Dabei lehnen die meisten Bürger die Nachbarschaft von Flüchtlingswohnungen nicht grundsätzlich ab, sondern fordern in der Regel eine Reduzierung der geplanten Wohnungszahl. Der Senat wiederum beruft sich auf eine Notsituation und verweist darauf, dass Ende dieses Jahres bis zu 80.000 Flüchtlinge in der Hansestadt untergebracht werden müssten.
CDU: Expresswohnungen nicht notwendig
Die CDU hat jetzt Antworten des Senats auf Kleine Anfragen ausgewertet und ist nach den Worten von Prien zu dem Schluss gekommen, dass es den von SPD und Grünen „behaupteten Bedarf“ für eine dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen gar nicht gibt. Für die Flüchtlinge, die keine oder eine mittelfristige Bleibeperspektive hätten, seien Folgeunterkünfte die geeignete Unterbringung, so das Fazit von Prien.
Dem Senat zufolge kamen im vergangenen Jahr 61.598 Flüchtlinge nach Hamburg. Davon mussten 22.315 Menschen zunächst in der Hansestadt untergebracht werden. Gehe man von einem gleichbleibenden Flüchtlingsstrom aus, obwohl auch Sozialdemokraten von der Notwendigkeit einer Reduzierung sprächen, würden für 2016 nur etwas über 65.000 Plätze benötigt, erklärte Prien. „Davon müssen aber nur knapp 45.000 mittelfristig angelegt sein, so denn konsequent abgeschoben wird und innerhalb weniger Tage nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel umverteilt wird.“
Eine mittelfristige Unterbringung bedeutet nach Auffassung von Prien eine Unterkunft für vorerst drei Jahre. Dafür würden bereits vorhandene Folgeunterkünfte ausreichen. Bis Ende dieses Jahres seien die vom Senat für notwendig erachteten 5600 Expresswohnungen daher nicht notwendig.
CDU fordert kleinere und durchmischte Quartiere
Prien verweist zudem auf Angaben des Senats, wonach lediglich rund 50 Prozent der Asylbewerber mittelfristig in Hamburg bleiben dürften. Die andere Hälfte müsse konsequenterweise in ihre Heimatländer zurückkehren.
Die CDU-Politikerin leugnet nicht die Notwendigkeit, zusätzlich zu den Sozialwohnungen mehrere Tausend Unterkünfte für Flüchtlinge, die dauerhaft in Hamburg bleiben, zu errichten. Angesichts der Senatszahlen sei es jedoch sinnvoller, in Zusammenarbeit mit Anwohnern kleinere und durchmischte Quartiere zu schaffen. Dadurch würde eine Integration der Flüchtlinge erleichtert. Die Unionspolitikerin bezweifelt zudem, dass der vom Senat gesteckte Zeitplan, wonach die Expresswohnungen bereits Ende dieses Jahres bezugsfertig sein sollen, einzuhalten ist. Auch für die Flüchtlingswohnungen seien vor dem ersten Spatenstich komplexe Planungen, gegebenenfalls nationale sowie internationale Ausschreibungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Baugenehmigungsverfahren notwendig. „Deshalb ist eine Fertigstellung eher Ende 2017 realistisch“, sagte Prien.
Prien warf dem rot-grünen Senat zudem mangelnden Willen bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber vor. Demnach seien im Dezember vergangenen Jahres 341 Personen abgeschobenen worden – 143 weniger als im November. Zudem habe ein Vertreter der Sozialbehörde am vergangenen Freitag im Sozialausschuss erklärt, dass 70 Prozent aller abgelehnten Asylbewerber eine Duldung erhielten.
Die CDU-Politikerin bemängelte zudem den schleppenden Personalaufbau der beiden Referate in der Innenbehörde, die für eine Rückführung verantwortlich seien. „Vor Monaten hatte der Senat angekündigt, die Referate E32 und E 332 massiv mit mehr Personal auszustatten“, sagte Prien. „Jetzt heißt es, dass für das Referat E332 die Bewerbungsfrist für sechs Stellen beendet sei und nun das Auswahlverfahren starte; für Referat E32 würden die Ausschreibungen für 20 Stellen laufen.“ Es sei offensichtlich, „dass Rot-Grün beim Thema Abschiebungen und der dazugehörigen Aufstockung des Personals den Worten zu wenig Taten folgen lässt“. Mit „Ankündigungspolitik“ löse man aber keine Probleme.