Hamburg . Joghurt-Unternehmer unterstützt vorbildliche Initiativen. Rot-Grün beschließt neue Eltern-Kind-Zentren zur Integration.

Das Tauwetter hat in der Nacht eingesetzt. Zwischen den Wohncontainern der Flüchtlingsunterkunft an der Vogt-Kölln-Straße steht das Wasser. Hamdi Ulukaya sitzt mit einer Familie, die aus dem irakischen Mossul geflüchtet ist, in deren keine zehn Quadratmeter großem Zimmer. Immer wieder streicht der Gast dem jüngsten der drei Kinder sanft über den Kopf, während die Mutter von ihrer Flucht über die Türkei, das Mittelmeer bis nach Hamburg erzählt.

Hamdi Ulukaya ist in der Provinz Erzincan im Osten der Türkei aufgewachsen, lebt heute in New York und hat innerhalb weniger Jahre mit der Produktion von Joghurt ein Milliardenvermögen erwirtschaftet. Von Hamburgs vorbildlichem Engagement in der Flüchtlingskrise hatte US-Präsident Barack Obama vor der Uno gesprochen. Wolfgang Schmidt, Staatsrat in der Senatskanzlei, hatte danach den Kontakt zu Ulukaya hergestellt.

Der Unternehmer unterstützt mit seiner Tent-Stiftung weltweit 20 innovative Flüchtlings-Initiativen mit jeweils 50.000 Dollar. Ziel sei es, ähnlich wie bei Start-up-Unternehmen, den regional gegründeten Initiativen dabei zu helfen, ihr „Produkt“ so weiterzuentwickeln, dass es auch in anderen Ländern bei der Hilfe für Flüchtlinge eingesetzt werden könne, so Wolfgang Schmidt.

In Hamburg hatten drei Initiativen – die Kleiderkammer, Help here (ein Vermittlungsportal für ehrenamtliche Hilfe) und ein Medizincontainer mit Dolmetschersystem – die Möglichkeit, ihre Arbeit dem Unternehmer vorzustellen. Staatsrat Schmidt geht davon aus, dass alle drei Hamburger Initiativen gute Chancen haben, von der Tent-Stiftung unterstützt zu werden.

Ulukaya, der am Sonntagvormittag noch mit Bürgermeister Olaf Scholz sprach, zeigte sich nach dem Besuch der Unterkunft in der Vogt-Kölln-Straße beeindruckt vom Umfang der Hilfsbereitschaft Hamburgs. Die Integration so vieler Menschen sei nach der Erstversorgung die eigentliche Herausforderung. Diese gelinge nur, wen beide Seiten offen aufeinander zugingen und voneinander lernten.

Flüchtlinge ziehen in Niendorfer Tennishalle

Am Donnerstagnachmittag wurde der Kauf der Tennishalle in Niendorf beschlossen
Am Donnerstagnachmittag wurde der Kauf der Tennishalle in Niendorf beschlossen © HA | TV Newskontor
Etwa 500 Flüchtlinge sollen hier einziehen
Etwa 500 Flüchtlinge sollen hier einziehen © HA | TV Newskontor
Die Flüchtlinge sollen nur vorläufig einziehen
Die Flüchtlinge sollen nur vorläufig einziehen © HA | TV Newskontor
In der vergangenen Nacht konnten bereits die ersten Flüchtlinge die Straße verlassen und in der Halle unterkommen
In der vergangenen Nacht konnten bereits die ersten Flüchtlinge die Straße verlassen und in der Halle unterkommen © HA | TV Newskontor
Zuvor musste die Tennishalle noch ausgerüstet werden
Zuvor musste die Tennishalle noch ausgerüstet werden © HA | TV Newskontor
„Wenn ich vor der Alternative stehe, 400 Menschen bei den Temperaturen draußen vor der Tür stehen zu lassen oder sich Zugang zu dieser Halle zu verschaffen, war meine Entscheidung völlig klar“, sagte Innensenator Neumann
„Wenn ich vor der Alternative stehe, 400 Menschen bei den Temperaturen draußen vor der Tür stehen zu lassen oder sich Zugang zu dieser Halle zu verschaffen, war meine Entscheidung völlig klar“, sagte Innensenator Neumann © HA | TV Newskontor
Der Aufbau der Betten in der Tennishalle in Niendorf
Der Aufbau der Betten in der Tennishalle in Niendorf © HA | TV Newskontor
Der Aufbau der Betten in der Tennishalle in Niendorf
Der Aufbau der Betten in der Tennishalle in Niendorf © HA | TV Newskontor
Der Aufbau der Betten in der Tennishalle in Niendorf
Der Aufbau der Betten in der Tennishalle in Niendorf © HA | TV Newskontor
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Das wissen natürlich auch die Abgeordneten der rot-grünen Hamburger Regierungskoalition. Es sei wichtig, nun endlich deutlich zu machen, dass man neben der Unterbringung so vieler Menschen parallel auch alle nötigen Weichen für ihre rasche Integration stelle, heißt es derzeit aus dem Rathaus. Ein wichtiger weiterer Schritt dazu soll die Einrichtung von zehn neuen Eltern-Kind-Zentren (EKiZ) in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften sein. Diese Zentren in Kitas dienen als Treffpunkte, vor allem für Familien mit Kindern unter drei Jahren. Grundsätzlich stehen sie laut Senat aber allen noch nicht eingeschulten Kindern und deren Eltern offen. Sie können dort „ohne weite Wege, ohne Anmeldung und ohne Kita-Gutschein die Förder-, Bildungs- und Beratungsangebote nutzen und Hilfestellung in Erziehungsfragen erhalten“, so der Senat. Damit können sie ein wichtiges Instrument der Integration von Flüchtlingsfamilien sein, so die Hoffnung. Derzeit gibt es 40 solcher EKiZ in Hamburg.

Bei der nächsten Bürgerschaftssitzung am 10. Februar will die rot-grüne Koalition zunächst die schnelle Einrichtung von zwei weiteren Eltern-Kind-Zentren beschließen – und zwar nahe der Flüchtlingsunterkünfte Am Aschenland (Neugraben-Fischbek) und Gleisdreieck Billwerder. 400.000 Euro sollen für 2016 für den Betrieb der beiden EKiZ bewilligt werden. Zusätzlich gibt es 120.000 Euro für je ein Lotsenprojekt, bei dem Elternlotsen mit ausländischen Wurzeln Flüchtlingsfamilien in Unterkünften ansprechen, über die Angebote informieren und sie an die Kitas heranführen.

„Eltern-Kind-Zentren bieten gute Integrationsmöglichkeiten, weil die Erzieher vor Ort die soziale Umgebung kennen und die kulturelle Herkunft der Familien berücksichtigen können“, sagte der familienpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Uwe Lohmann. „Kinder werden somit frühzeitig an die institutionelle Kindertagesbetreuung herangeführt, die Familien aus vielen Herkunftsländern oft nicht kennen. Diese Zentren schaffen Kontakt zu den Familien und haben für die Kinder eine Türöffner-Funktion in unser System der frühen Bildung.“

Die grüne Familienpolitikerin Anna Gallina betonte, dass die Zentren „Eltern und Kindern schon vor dem Kitabesuch eine gute Möglichkeit zum Spielen mit Gleichaltrigen und zum gemeinsamen Austausch und Unterstützung bieten“. Angedockt an Kitas, seien sie durch die Arbeit von Experten speziell darauf ausgerichtet, Eltern und ihre Kinder an die Kita heranzuführen. „Mit den neuen Eltern-Kind-Zentren sorgt Rot-Grün dafür, dass auch den geflüchteten Kindern und Eltern ein behutsamer Einstieg in Hamburger Kitas sowie unserem Kinderbetreuungssystem ermöglicht werden“, so Gallina. „Das ist ein wichtiger Baustein für eine gelingende Integration.“

Weitere EKiZ sollen laut Antrag folgen und zwar dort, „wo große Wohnunterkünfte mit vielen Flüchtlingskindern be- oder entstehen“. Die meisten würden parallel zur Errichtung der Großunterkünfte in Betrieb gehen. Zusätzlich sollen „bestehende EKiZ verstärkt werden, die ihre Angebote für Mütter und Väter aus Wohnunterkünften erweitern“.