Altstadt. Umfrage bei den Bezirken: 2016 werden nur wenige Häuser fertig. CDU bezweifelt die Asylbewerberzahlen des Senats.

Das Versprechen des rot-grünen Senats ist groß: Bis Weihnachten 2016 sollen die meisten Flüchtlinge, für deren Unterbringung Hamburg verantwortlich ist, in festen Wohnungen leben. Dazu hatte der Senat am 5. Oktober den Bau von 5600 „Expresswohnungen“ beschlossen.

Doch schon wenige Wochen nach dem Versprechen ist klar, dass die Stadt es nicht wird halten können. Eine Umfrage des Abendblatts unter den sieben Hamburger Bezirken ergab: Nirgendwo sind die Vorbereitungen für die Wohnungsbauprojekte so weit gediehen, dass in einem Jahr eine große Zahl an Flüchtlingen dort einziehen kann.

So könnten die Neubauten an der Osterfeldstraße in Eppendorf aussehen
So könnten die Neubauten an der Osterfeldstraße in Eppendorf aussehen © Heitmann Montufar Architekten / H.W. Maas | Heitmann Montufar Architekten / H.W. Maas

Am ehesten ist damit zu rechnen, dass an der Osterfeldstraße in Eppendorf – hier sollen in zwei Bauabschnitten 480 Wohnungen entstehen – und am Elfsaal in Jenfeld – hier soll ein geplantes Wohnquartier um 70 Wohnungen erweitert werden – bereits 2016 Flüchtlinge einziehen können.

An einigen für Flüchtlingsunterkünfte vorgesehenen Standorten ist hingegen nicht einmal die Eigentumsfrage geklärt. In anderen Fällen gibt es noch keine Vereinbarung mit einem Investor. In keinem Fall ist bislang eine Baugenehmigung erteilt worden, obwohl das jüngst geänderte Baurecht die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften erheblich privilegiert. Zudem haben sich inzwischen in fast allen Bezirken Bürgerinitiativen gebildet, die eine Unterbringung von mehreren Tausend Flüchtlingen in einer Großsiedlung ablehnen. Viele Bürger, die zum Teil seit Monaten ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind, fürchten, dass die Integration von Asylbewerbern scheitert, wenn diese auf viele Jahre hinaus in Gettos leben müssen.

Wegen des neuen Baurechts kann der Senat Mitspracherechte umgehen

Bei der Schaffung der Großsiedlungen will der Senat Ausnahmeregeln des neuen Baurechts nutzen. Dazu werden die Expressbauten zwar als normale Wohnungen errichtet, aber zunächst als Flüchtlingsunterkünfte deklariert. Dadurch kann die Stadt Mitspracherechte der Nachbarn umgehen. Außerdem dürfen die Siedlungen auf geschützten Flächen errichtet werden.

Nach einem Zeitraum von mehreren Jahren sollen die Flüchtlingsunterkünfte in „normale“ Wohnungen umgewandelt werden. Dann ist ein reguläres Planfeststellungsverfahren vorgesehen. Kritiker fürchten, dass mit den Expresswohnungen auf Jahrzehnte hinaus Tatsachen geschaffen werden.

Zudem fordern Investoren Sicherheit darüber, dass der nachgereichte Bebauungsplan auch beschlossen wird. So verlangt der Eigentümer des Grundstücks an der Osterfeldstraße, Hans-Werner Maas, eine Garantie dafür, dass das 35-Millionen-Euro-Projekt später nicht gefährdet wird. Gegenwärtig verhandeln Investoren und Stadt über „Regelungen zur Risikoabsicherung“

CDU zweifelt Aussagen über Flüchtlingszahlen an

Unterdessen wachsen bei der CDU die Zweifel an den Äußerungen von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), wonach bis Ende 2016 Hamburg für rund 80.000 Flüchtlinge sorgen müsse. Die Zahl ist deshalb wichtig, weil sie die Grundlage für die Planung der Kapazitäten für Flüchtlingsunterkünfte – also auch der 5600 Expresswohnungen – darstellt. Zumal bei der rechtlichen Bewertung des Baus einer Flüchtlingsunterkunft die Frage der „Erforderlichkeit“ eine wichtige Rolle spielt.

Nach Berechnungen von CDU-Fraktionsvize Karin Prien (diese basieren auf Angaben der Behörden) setzt die Senatszahl sich wie folgt zusammen: rund 23.000 Flüchtlinge wurden in diesem Jahr Hamburg zugewiesen. Hinzu kämen rund 15.000 Flüchtlinge aus den Vorjahren, die noch in einer öffentlichen Unterbringung wohnen. Dann gehe der Senat davon aus, dass 2016 im Monat durchschnittlich 3000 Flüchtlinge dauerhaft der Hansestadt zugewiesen würden.

Prien kritisiert, dass Rückführungen abgelehnter Flüchtlinge ebenso wenig berücksichtigt würden wie die von der Bundesregierung beabsichtigte Reduzierung der Flüchtlingszahlen. „Der Senat kann die Erforderlichkeit der umstrittenen Großunterkünfte nicht belegen“, sagt Prien. „Seine Bedarfsberechnung ist nicht nachvollziehbar, weil wesentliche Parameter nicht berücksichtigt wurden.“

Die Unionspolitikerin wirft Rot-Grün vor, es mit der Begrenzung des Flüchtlingsstroms nicht ernst zu meinen. „Der Senat ist offenbar der Meinung, dass sämtliche Flüchtlinge, auch diejenigen ohne Bleibeperspektive und Aufenthaltsrecht, in Hamburg dauerhaft untergebracht werden müssen und die Flüchtlingszahlen im kommenden Jahr nicht reduziert werden können.“

Prien forderte eine Einschränkung der Duldungspraxis und die „Rückführung aller vollziehbar Ausreisepflichtigen“. Insgesamt gehe es dabei um knapp 8000 Flüchtlinge aus den Vorjahren. „Solange der Senat nicht konsequent handelt und bei der Umsetzung der Folgeunterkünfte so langsam und schlampig arbeitet, kann er nicht erwarten, dass die Bürger die angeblich alternativlosen Großsiedlungen hinnehmen“, sagte Prien.