Hamburg. 2015 war zweitlautestes Jahr seit Aufzeichnungsbeginn, beklagen Bürgerinitiativen. 16-Punkte-Plan bisher kaum umgesetzt.

Der Fluglärm sorgt in Hamburg weiter für Ärger. So ist das gerade zu Ende gegangene Jahr 2015 nach 2007 das zweitlauteste Flugjahr seit Beginn der Lärmschutzaufzeichnungen 1999, wie die Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm unter Berufung auf den Flughafen beklagen. Dabei sind die Flugbewegungen auf dem Flughafen Fuhlsbüttel weniger geworden. Gab es 2007 noch 173.500 Flüge, reichten im letzten Jahr bereits 158.500 Flüge, um den Lärmpegel von 2007 zu erreichen. Die Bürgerinitiativen sind empört und werfen der Politik Untätigkeit vor. Sie erneuern ihre Forderung nach Einhaltung der Nachtruhe und drohen, juristisch gegen den Flughafen vorzugehen.

Der Flughafen bestreitet die Darstellung der Initiativen pauschal und betont, dass der Lärmwert deutlich unter dem 1997 festgesetzten Grenzwert liege. Laut Gesetz für die Lärmmessung maßgeblich ist die Größe der Fläche um Fuhlsbüttel herum, die einem Dauerschallpegel von 62 Dezibel oder mehr ausgesetzt ist. 2015 maß diese sogenannte Lärmkontur 13,8 Quadratkilometer, 2007 waren es 13,9, der Grenzwert von 1997 liegt bei 20,4 Quadratkilometer.

Die Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm fordern Ruhe zwischen 22 und 6 Uhr und beklagen, dass die Vorgaben der Bürgerschaft nicht umgesetzt würden. In Fuhlsbüttel wird bis 23 Uhr geflogen, verspätete Flieger landen auch nach 24 Uhr. Die Lärmschutz-Initiativen aus den Regionen in den vier Himmelsrichtungen, in die die Start- und Landebahnen weisen, gehen gemeinsam vor. Sie geben die Zahl der Lärmbetroffenen mit rund 230.000 an.

Die Bürgerschaft hatte auf Druck der Bürgerinitiativen und der CDU unmittelbar vor der Wahl im Februar 2015 einem 16-Punkte-Plan beschlossen, der den Senat unter anderem aufforderte, einen runden Tisch zu bilden, der mit allen Lärmbetroffenen und -verursachen nach Lösungen sucht.

Der Flughafen rief daraufhin die „Allianz für den Fluglärmschutz“ ins Leben, die aber über eine einzige Sitzung im Juli bisher nicht hinausgekommen ist. Auch weigern sich Flughafen und Vertreter der rot-grünen Koalition, die Verringerung der Lärmbelastung als Ziel der Runde festzuschreiben.

„Wenn die Kernaufgaben des runden Tisches nicht einmal benannt werden dürfen, hat er seinen Zweck verfehlt“, sagte Martin Mosel von der Bürgerinitiative Alstertal Walddörfer (BAW). „Für ein zielloses Gerede geben wir uns nicht her.“

Der 16-Punkte-Plan sah vor, die bei der Umweltbehörde angesiedelte Fluglärmschutzbeauftragte Gudrun Pieroh-Joußen zum Flughafen umziehen zu lassen und mit mehr Kompetenzen auszustatten. Das ist bisher nicht geschehen. Eine Drucksache sei in Vorbereitung, meldet die Umweltbehörde.

Auch die „lärmabhängigen Landeentgelte“, die Flughafen und Senat mit viel Begleitlärm eingeflogen hatten, erwiesen sich bisher als Flop. Man erwarte, dass sie 2016 ihre Wirkung entfalten, heißt es aus den Behörden. Die Bürgerinitiativen erwarten hingegen, dass sie auch 2016 wirkungslos bleiben. Zwar wurden zum August 2015 Flüge nach 24 Uhr „sanktioniert“, indem die dafür fällige Landegebühr um gut 150 Prozent gesteigert wurde. Doch der prozentuale Wert relativiere sich enorm, wenn absolute Zahlen genannt würden, sagen die Initiativen: Die Landegebühr wachse dann von 500 auf 1300 Euro, was umgelegt auf die Passagiere kaum nennenswert sei.

Ein weiteres Ärgernis für die Anwohner sind die Billigflieger, die in den Tagesrandzeiten Urlauber in die Sonne oder zurück in die Arbeitswelt bringen. Für Lärmbetroffene sind die daraus resultierenden Belastungen unverhältnismäßig. Auch dazu gibt es keine Ergebnisse, sondern nur Hoffnungen: Laut Umweltbehörde laufen Gespräche mit den Airlines, die Besserungen bringen würden. Der Flughafen spricht von einem „Absichtspapier“.

Zuständig für den Flughafen ist die Wirtschaftsbehörde, die in Fuhlsbüttel die Interessen der Stadt als Mehrheitsgesellschafter wahrnimmt und im Senat den Flughafen vertritt. Sie erklärte auch am Freitag wieder, die Betriebsgenehmigung erlaube Flüge bis 23 Uhr. Die gesetzliche Nachtruhe beginnt um 22 Uhr. Flughafen und Wirtschaftsbehörde lehnen es ab, zugunsten der Anwohner auf die Stunde zu verzichten.

Die Lärmbetroffenen sehen sich durch neuere Forschungen zu Gesundheitsschäden durch Lärm bestätigt. Demnach sind nicht die Dauerschallpegel entscheidend, sondern die Lärmspitzen – also die maximale Lautstärke eines Flugzeugs. Kleinere Flugzeuge sind zwar leiser geworden, mit den modernen Großflugzeugen aber sind die Lärmspitzen sogar noch gewachsen. Gesetzliche Regelungen und auch die Betriebserlaubnis für Fuhlsbüttel berücksichtigen das bisher nicht. Forscher haben in den vergangenen Jahren nachweisen können, dass Lärm Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht und Kinder in ihrer Entwicklung behindert.

Einen neuen Termin für eine Sitzung des runden Tisches gibt es nicht.