Hamburg. Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler über Probleme bei der Gepäckausgabe, millionenschwere Neubauprojekte, Lärm und Billigflieger.
Der Hamburger Flughafen gewinnt an Attraktivität: Bei Passagieren wird ein neuer Rekord angestrebt. Billigflieger wie Ryanair bauen ihr Angebot aus. Bei den Anwohnern in den Einflugschneisen wird der Protest gegen den Lärm hingegen lauter. Flughafenchef Michael Eggenschwiler, 57, bezieht im Abendblatt-Interview Stellung zu den günstigen Anbietern, Fluglärm, dem neuen Frachtzentrum und erklärt, wie sich der Airport fit für die Zukunft macht.
Hamburger Abendblatt: Herr Eggenschwiler, fliegen Sie gerne mit Billigfliegern?
Michael Eggenschwiler: Die Unterscheidung zwischen normalen Airlines und Billigfliegern finde ich zunehmend schwierig, weil zum Beispiel Lufthansa viele Strecken mit ihrer Billigtochter Germanwings fliegt. Generell aber ja. Ich finde den Standard bei den sogenannten Billigfliegern hoch, sie fliegen junge Maschinen. Der Preis, die Sicherheit und die Zuverlässigkeit sind die entscheidenden Kriterien – und da können die Billigflieger durchaus punkten.
Easyjet feierte jüngst seinen fünfmillionsten Fluggast aus Hamburg. Ryanair weitet sein Angebot aus, fliegt nach Porto und Lissabon – demnächst auch nach Alicante, Barcelona, Madrid und Malaga. Im März 2016 folgt Mallorca. Wird Hamburg zum Discount-Airport?
Eggenschwiler: Nein, wir werden nicht zum Discounter. Wir bieten ein breites Sortiment an Flügen an. Für die Kunden gibt es eine attraktive Mischung. Das ist das Entscheidende.
Wie viel Prozent der Flüge machen denn die Billigflieger aus?
Eggenschwiler: Das exakt zu beziffern ist schwierig. Denn noch einmal: Was unterscheidet eine klassische Airline heute von einem Billigflieger. Beispielsweise bietet die Lufthansa auch Hin- und Rückflugtickets für 80 Euro an. Ich kann Ihnen aber sagen, wer die vier größten Anbieter in Hamburg sind. Germanwings hat einen Marktanteil von 20 Prozent, Lufthansa von 18, Air Berlin 15 und Easyjet von rund zehn Prozent. Beim Lufthansa-Konzern lag der Anteil viele Jahre lang bei 30 bis 35 Prozent. Das ist konzernweit also in etwa konstant geblieben. Beispielsweise wurden früher auch mehr Charterflüge angeboten, deren Aufgabe heute häufiger Billigflieger übernehmen. Die Anbieter passen sich dem veränderten Markt an. Die Flughafenentgelte sind übrigens für alle Airlines gleich.
Fürchten Sie einen Imageverlust durch mehr Billigairlines?
Eggenschwiler: Nein. Bei Easyjet ist zum Beispiel jeder fünfte Passagier ein Geschäftsreisender. Das Angebot ist also für sie ebenso stimmig wie für Familien. Für den Standort ist wichtig, dass Hamburg für Touristen und Geschäftsleute gleichermaßen gut erreichbar ist.
Falls Hamburg die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 bekäme: Ist der Flughafen fit für die Besucherströme?
Eggenschwiler: Ja, der Flughafen ist fit für Olympia. Wir sind in der Lage, die Besuchermengen zu transportieren. Athen hat es 2004 ja auch geschafft, der Airport ist mit unserem vergleichbar. Wir sind auch in engem Kontakt mit den Kollegen in Athen und London (Olympia-Stadt 2012, d. Red.). Die Erfahrung zeigt, dass die Sportler, Delegierten und Besucher schon vor Beginn der Spiele kommen und es Spitzen bei der Eröffnung und Schlussfeier gibt – und die können wir gut bewältigen.
Schaffen Sie in diesem Jahr die Rekordmarke von 15 Millionen Passagieren?
Eggenschwiler: Davon gehen wir stark aus, und zwar deutlich vor dem 31. Dezember. Nach 14 Millionen 2014 und 15 Millionen 2015 erwarte ich aber nicht, dass wir 2016 die Marke von 16 Millionen schaffen – auch wenn wir zuletzt zwei starke Wachstumsjahre hatten.
Des einen Freud, des anderen Leid: Während sich Kunden über das wachsende Angebot freuen, klagen Anwohner über die 2014 um sieben Prozent gestiegenen Flugbewegungen. Was sagen Sie denen?
Eggenschwiler: In einer Großstadt wie Hamburg braucht es eine gewisse Toleranz – auch von den Anwohnern. Das ist beim Hafen nicht anders oder bei Belastungen durch Straßen- oder Bahnlärm. Hamburg ist nun mal ein Stadtflughafen. Das Fliegen ist effektiver geworden, die Zahl der Flüge legt weniger stark zu als die der Passagiere. Und wir versuchen auf die Airlines einzuwirken, moderne und leisere Flugzeuge wie künftig den A320neo einzusetzen.
Jets dürfen bis 23 Uhr landen, Nachzügler bis 24 Uhr. Anwohner-Initiativen fordern ein Flugverbot von 22 bis 6 Uhr. Wie schwer träfe das den Flughafen?
Eggenschwiler: Zunächst haben wir eine Betriebsgenehmigung für diese Zeiten, diese ist die für uns gültige und wichtige. Wenn man die Flugzeiten weiter einschränken würde, würden wir Vertrauen bei den Airlines verlieren. In der Folge würden sie Jets abziehen, was neben weniger attraktiven Flugangeboten vor allem auch zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führt. Immerhin sind rund um den Flughafen etwa 15.000 Menschen beschäftigt. Aber lassen Sie mich eins klarstellen: An der Nachtflugbeschränkung von 0 bis 6 Uhr wollen wir nicht rütteln. In einer Stadt halte ich das für richtig – auch wenn das für Häfen, Bahnhöfe oder Straßen völlig abwegig wäre.
Die Initiativen fordern mehr Starts und Landungen über die Flugbahn Alsterdorf/Hamm. Ist das eine Option?
Eggenschwiler: Die Entscheidung trifft die Politik. Das Gebiet ist aber das am dichtesten besiedelte in Hamburg, deswegen soll die Bahn selten benutzt werden. Daher kann es eigentlich nicht die Lösung sein, die Bahn zu öffnen.
Mit dem neuen Frachtzentrum HACC können Sie die transportierte Gütermenge mehr als verdoppeln. Nimmt der Lärm auf der Straße und in der Luft weiter zu?
Eggenschwiler: Zunächst einmal werden wir kein Frachtdrehkreuz wie Leipzig oder Köln. Die reinen Frachtflüge sind selten, es wird sie aber immer geben. In erster Linie sollen bestehenden Linienverbindungen schnellere Transporte ermöglicht werden. Aus Hamburg kommen viele kleine Sendungen, Ersatzteile für Jets, Schiffe oder die Medizintechnik. Diese werden hauptsächlich in normalen Autos oder kleinen Lieferwagen transportiert. Klar kommt der eine oder andere Lkw hinzu, das wird man aber beim bisherigen Verkehr kaum spüren.
Das HACC wird später fertig und teurer – warum?
Eggenschwiler: Wir mussten eine zweite Ausschreibung machen, weil die Vorgaben zunächst nicht vollumfänglich von den Bewerbern erfüllt wurden. Das führte zu der Verzögerung, weshalb die Eröffnung statt im Sommer 2015 nun im Mai 2016 sein wird. Damit die benachbarten Grundstücke nicht absacken, mussten die Spundwände stärker gebaut werden als ursprünglich geplant. Das ist teurer geworden, statt 45 Millionen Euro kostet das Projekt nun rund 50 Millionen Euro.
Was wird aus dem alten Frachtzentrum?
Eggenschwiler: Wir planen dort sechs neue Fluggastbrücken für rund 50 bis 60 Millionen Euro. Ich gehe davon aus, dass sie 2019 fertig sein werden und wir dann 23 solcher „Finger“ haben. Davor steht aber erst einmal die Grundsanierung des Vorfeldes an, das 40 bis 60 Jahre alt ist. Der Beton arbeitet, muss von Grund auf erneuert werden. Die Ausschreibungen für die Bauarbeiten laufen, im März 2016 sollen sie beginnen. Das wird drei bis vier Jahre dauern und 120 Millionen Euro kosten – und eine große Herausforderung unter laufendem Betrieb. Die Flugzeuge werden dann dort besser rollen, weniger Lärm machen und weniger Abgase ausstoßen. Zudem werden wir im nächsten Jahr mit dem Bau neuer Gebäude für die Bundespolizei und die Bodendienste beginnen. Da rechnen wir mit Kosten von rund 30 bis 40 Millionen Euro.
Wo wir bei Zahlen sind: 2014 machten der Flughafen 271 Millionen Euro Umsatz und 40,2 Millionen Euro Gewinn. Wie sieht es dieses Jahr aus?
Eggenschwiler: Das ist noch zu früh zu sagen. Wir bewegen uns aber wieder in der Größenordnung.
Im Test befinden sich Bodyscanner und Gepäckaufgabeautomaten. Bleiben sie?
Eggenschwiler: Die Sicherheitskontrollen müssen schneller werden. Die Bodyscanner sind ein richtiger Schritt dahin, sie sind eine gute, neue Technologie. Viele Kunden schätzen zudem, dass sie nicht mehr abgetastet werden. Der Praxistest mit den Gepäckaufgabeautomaten läuft seit mehr als einem Jahr gut. Wir sind dabei Vorreiter, dass der Automat von verschiedenen Airlines und nicht nur von einer genutzt werden kann. Im Jahr 2016 wollen wir weitere Gepäckaufgabeautomaten anschaffen.
Das lange Warten aufs Gepäck sorgte zuletzt immer wieder für Ärger der Reisenden. Wie schaffen Sie Abhilfe?
Eggenschwiler: Es bleibt unsere Herausforderung. Unsere Fluggäste waren es gewohnt, ihr Gepäck schon 15 Minuten nach der Landung auf dem Band zu finden. Diese Zeiten werden wir nicht mehr darstellen können, sondern uns eher bei Wartezeiten von bis zu 30 Minuten im Durchschnitt bewegen. Das liegt zum einen am gestiegenen Verkehrsaufkommen und den dadurch deutlich höheren Koffermengen. Aber auch daran, dass viele Airlines zur selben Zeit kommen wollen. Das führt zu hohen Spitzen, die unsere Mitarbeiter abarbeiten müssen. Geeignetes Personal hierfür zu finden, ist unser größtes Problem. Wir stellen ein, was wir können. Allerdings sind die gesetzlichen Vorgaben hoch, die Mitarbeiter in dem Sicherheitsbereich brauchen ein polizeiliches Führungszeugnis. Das bekommen sie erst, wenn sie zehn Jahre in Deutschland sind. Flüchtlinge scheiden also aus. Ein Großteil der Koffer wird Stück für Stück per Hand aus den Maschinen geholt. Das ist ein harter Knochenjob – und vor der Leistung meiner Mitarbeiter habe ich höchsten Respekt.