Hamburg. Am Wochenende sollen mehr Polizisten auf St. Pauli unterwegs sein. Justizsenator: Straffällige Jugendliche sollen Kiez-Verbot bekommen.

Die Polizei wird nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht mehr Personal auf St. Pauli einsetzen. „Auf alle Fälle wird die Präsenz der Polizei verstärkt. Wir haben in Hamburg eine gute und schlagkräftige Polizei“, sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) dem Abendblatt auf die Frage, welche Maßnahmen zur Sicherheit nun ergriffen werden.

„Die Polizei hat auf die Ereignisse der Silvesternacht reagiert und ihre Strategie darauf eingestellt. Darauf können sich alle verlassen, die auf den Kiez gehen“, sagte Scholz auf die Frage, ob Frauen am kommenden Wochenende auf St. Pauli sicher seien. Die Polizei habe selbst erklärt, dass sie ihre Stra­tegie darauf ausrichte, dass sich so etwas nicht wiederhole, so Scholz weiter. Dazu gehört auch der Einsatz von Überwachungskameras. „Videoüberwachung ist ein sinnvoller und wichtiger Teil der Gesamtstrategie“, so der Bürgermeister.

„Videoüberwachung wird nur kleinen Beitrag leisten können“

Justizsenator Till Steffen (Grüne) warnt dagegen vor zu großen Erwartungen beim Einsatz von Kameras. „Die Videoüberwachung wird nur einen ganz kleinen Beitrag leisten können“, sagte Steffen dem Abendblatt. Nach den bisherigen Erkenntnissen seien die Gruppen junger Männer, die die Übergriffe begangen hätten, flexibel vorgegangen, statt sich nur an einem Ort aufzuhalten. Im Übrigen könne die Polizei mobile Überwachungswagen nur lageabhängig einsetzen, also nur und erst dann, wenn sich Gruppen junger Männer versammeln und in typischer Weise verhalten. Es sei für die Polizei auch möglich, zurzeit ungenutzte stationäre Überwachungskameras zeitlich begrenzt einzuschalten.

Der Grünen-Politiker verspricht sich mehr von der abschreckenden Wirkung starker Polizeipräsenz auf der Straße. Und der Justizsenator weist auf eine Neuerung der Strafrechtspraxis hin. Wenn Jugendrichter einem Jugendlichen nach sexuellen Übergriffen oder Diebstählen die Weisung erteilen, zum Beispiel den Kiez nicht mehr zu betreten, dann kann diese Weisung jetzt in das polizeiliche Auskunftssystem POLAS eingespeist werden. Sollten Beamten bei einer Überprüfung vor Ort durch eine POLAS-Abfrage feststellen, dass ein Jugendlicher gegen die Weisung verstoßen hat, kann sofort gehandelt werden. Steffen hatte diese Möglichkeit vor fünf Jahren während seiner ersten Amtszeit nach einer tödlichen Messerattacke auf einen Jugendlichen im U-Bahnhof Jungfernstieg vorgeschlagen.

Bürgermeister und Justizsenator sind gegen Gesetzesverschärfungen

Der Justizsenator sprach sich gegen Gesetzesänderungen etwa im Asyl- oder Ausländerrecht als Konsequenz aus den Übergriffen in der Silvesternacht aus. „Bevor man ins Blaue hinein Gesetzesverschärfungen fordert, sollte man zunächst wissen, wer die Täter und was die Hintergründe sind“, sagte der Grünen-Politiker. „Die reflexartige Forderung nach Gesetzesverschärfungen ist ein Zeichen von Hilflosigkeit einiger Politiker.“

Gegen eine Verschärfung des Strafrechts sprach sich auch Bürgermeister Scholz aus. Das deutsche Strafrecht sehe für sexuelle Übergriffe sehr erhebliche Strafen vor. „Dazu gehört auch, dass ein Täter, der im Asylverfahren ist, mit seiner Abschiebung rechnen muss.“ Entscheidend sei, so Scholz weiter, dass die Regeln, die es bereits gebe, zur Anwendung kämen. „Dazu muss man die Täter fassen.“

CDU für eine Gesetzesverschärfung

Dagegen hat die CDU deutliche Gesetzesverschärfungen gefordert. So sollen bei „erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ verdacht­sunabhängige Personenkontrollen möglich sein – die sogenannte Schleierfahndung. Das geht aus dem Entwurf der „Mainzer Erklärung“ hervor, die am Freitag bei einer Klausur des Bundesvorstands beschlossen werden soll.

Asylberechtigte, Flüchtlinge und Asylbewerber, die zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt werden, sollen ihre „Asylberechtigung“ verlieren. Die Formulierung geht noch über den Beschluss des CDU-Parteitags vom Dezember in Karlsruhe hinaus.

Der CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator hatte sich bereits für eine Gesetzesverschärfung ausgesprochen. Wie berichtet, wird die CDU einen entsprechenden Antrag in die Bürgerschaft einbringen. Danach soll bei derartigen Taten das Aufenthaltsrecht verwirkt sein, auch wenn es zu einer Verurteilung von weniger als drei Jahren kommt. Gladiator: „Wer solche Straftaten begeht, verwirkt sein Aufenthaltsrecht.“

„Es gibt keine Begründung und keine Rechtfertigung für solche Taten“

Bislang sind in Hamburg im Zusammenhang mit den Übergriffen in der Silvesternacht keine Tatverdäch­tigen ermittelt worden. Gleichwohl gibt es von Opfern und Augenzeugen Hinweise darauf, dass die Täter junge Männer aus Nordafrika und dem Nahen Osten sein sollen, die kein oder nur sehr wenig Deutsch sprechen. Das hatte den Verdacht aufkommen lassen, dass es sich auch um Flüchtlinge handeln könnte.

In diesem Zusammenhang stellte Scholz klar: „Es gibt keine Begründung und keine Rechtfertigung für solche Taten. Keine religiösen, keine kulturellen, keine sonstigen.“ Die übergroße Mehrheit von Zuwanderern verurteile diese Taten genauso wie die übergroße Mehrheit der Deutschen. „Das ist auch gut so, damit die gesellschaftliche Akzeptanz erhalten bleibt“, sagte der Bürgermeister.

Justizsenator Steffen betonte, dass es jetzt darauf ankomme, dass „wir unser in Hamburg bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität bewährtes Instrumentarium anwenden“. Nach Angaben Steffens bearbeitet die Staatsanwaltschaft die Verfahren, die sich aus den Ereignissen in der Silvesternacht ergeben, in der für Sexualdelikte zuständigen Abteilung.