Hamburg. Junge Frauen waren belästigt und beraubt worden. Polizei setzt Sonder-Ermittlungsgruppe ein. Gab es Absprachen zwischen den Tätern?
Die sexuellen Übergriffe auf junge Frauen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof sorgen bundesweit für Entsetzen. Nun kommt heraus: Ähnliche Szenen haben sich auch in Hamburg abgespielt. An der Reeperbahn und am Jungfernstieg sind in der Silvesternacht Frauen massiv sexuell belästigt und beraubt worden. Wie in Köln soll es sich bei den Tätern um junge Männer mit Migrationshintergrund handeln. Bis zum Mittwochabend hatten bei der Polizei 27 Frauen Strafanzeige erstattet. Inzwischen ist die Zahl auf 53 Anzeigen gestiegen. Das sagte Polizeivizepräsident Reinhard Fallak auf dem Neujahrsempfang des Hamburger Abendblatts.
27 Strafanzeigen nach Übergriffen auf Frauen in Hamburg
Eine 16-Jährige berichtete dem Abendblatt, was sich in dieser Nacht abgespielt hat. „Ich habe mit einer Freundin am Jungfernstieg vor einer Bühne auf dem Weihnachtsmarkt getanzt“, sagte sie. Plötzlich seien sie von mehr als einem Dutzend Männer umringt worden. „Die haben uns richtig umzingelt, sind immer näher gekommen“, erzählt die Schülerin. „Überall waren Hände, auch unter dem Rock.“ Die Mädchen versuchten sich zu wehren, schubsten die Angreifer weg, schrien laut „Stopp“ und „Finger weg“.
Doch die Männer, nach ihren Beschreibungen zwischen 25 und 40 Jahre alt, hätten immer weitergemacht, gepfiffen und gejohlt. Einer habe sie auch an den Hüften festgehalten, von hinten Stoßbewegungen gemacht. „Es war eklig.“ Trotz ihrer Schreie habe ihnen niemand geholfen. Polizisten seien nicht zu sehen gewesen. Schließlich schafften es die beiden Frauen, aus dem Kessel zu entkommen. Sie habe noch mindestens einen anderen Fall beobachtet, in dem junge Leute umzingelt worden seien, sagt die 16-Jährige. „Ein Mann hat mich noch auf dem Weg zur S-Bahn verfolgt.“ Anzeige hat sie nicht erstattet. „Es waren so viele Männer, ich könnte sie nicht identifizieren.“
Augenzeugen sprechen von „Jagdszenen“
Auch an der Großen Freiheit und am Hans-Albers-Platz erlebten Frauen schwere sexuelle Belästigungen. Männer mit „südländischem oder arabischem Aussehen“ hätten sie im Intimbereich begrapscht und unflätig beleidigt, sagen Augenzeugen. Sie sprechen von „Jagdszenen“. Einige Frauen hätten sich in ihrer Not an Türsteher gewandt. Nach dem Stand der Ermittlungen waren an den Übergriffen jeweils Gruppen von fünf bis 20 Männern beteiligt. Sie nutzen für ihre Taten das Gedränge aus – bis zu 20.000 Menschen feierten Silvester auf dem Kiez.
Was geschah in der Kölner Silvesternacht?
Nach Abendblatt-Informationen plant die Hamburger Polizei eine Sonder-Ermittlungsgruppe mit Experten aus den Bereichen Sexualdelikte, Taschendiebstähle und für den Bereich St. Pauli. Ein Sprecher: „Wir gehen davon aus, dass die Täter die Frauen meist mit den sexuellen Übergriffen ablenken wollten, um ein Vermögensdelikt zu begehen.“ In 17 Fällen wurden die belästigten Frauen auch bestohlen oder beraubt. Man nahm ihnen Papiere, Bargeld und Smartphones ab.
Polizei prüft Absprachen vor Übergriffen
„Wir sehen auch die Auffälligkeit, dass es zeitgleich in zwei Städten zu sehr ähnlichen und eher außergewöhnlichen Taten gekommen ist“, sagte Polizeisprecher Jörg Schröder. Die Ermittler beider Städte stünden im direkten Austausch. Eine wichtige Frage sei, ob es vor den Übergriffen Absprachen gab. „Wir suchen unter anderem in den sozialen Netzwerken nach entsprechenden Aufrufen.“ Die Kölner Kollegen würden derzeit Handyfotos und Videos auswerten. Schröder: „Wir fangen nun auch damit an.“ In Köln sind inzwischen nach Polizeiangaben mehr als hundert Anzeigen von mutmaßlichen Opfern ein. Dreiviertel sollen einen sexuellen Hintergrund haben. Die Polizei hat erste Spuren auf mögliche Täter.
Bürgermeister bittet Betroffene um Hinweise
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD): „Die Übergriffe auf Frauen am Silvesterabend auf dem Kiez sind eine Schande. Wer sich in Gruppen zusammenrottet, um sich an Frauen zu vergehen, hat keine Ehre. Er handelt kriminell, böse und feige. Keine entwickelte Kultur und keine Religion duldet so ein Verhalten. Und wir in Hamburg dulden es erst recht nicht. Die Täter müssen mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden. Es ist nicht so wichtig, woher sie kommen. Aber es ist wichtig, dass wir wissen, wo sie jetzt sind. Ich bitte alle Betroffenen und Zeugen, sich bei der Hamburger Polizei zu melden und uns bei der Fahndung zu helfen."
Auch Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank verurteilte die Übergriffe scharf. Sie sei wütend und beschämt, twitterte die Grünen-Politikerin. „Allen Tätern sei gesagt: Eure Mütter würden sich für Euch schämen!“
Hinweise an die Hamburger Polizei unter Telefon 040/428 65 67 89.