Hamburg. Das Abendblatt stellt die besten Auszubildenden im Hamburger Handwerk vor. Teil 5: Nina Thielvoldt gehört zum Nationalteam der Maler.

Ein Praktikum veränderte alles. Zwei Wochen im väter­lichen Malerbetrieb brachten ihr Maltechniken nahe, die sie inzwischen begeistern. Die Hamburgerin Nina Thielvoldt ist mit 21 Jahren Deutschlands beste Nachwuchsmalerin und -lackiererin, beim Bundeswettbewerb des Handwerks belegte sie den ersten Platz. „Das hätte ich mir vor einigen Jahren wirklich nicht vorstellen können“, sagt sie. Inzwischen hat sie schon mehrere Wettbewerbe gewonnen.

Zunächst allerdings hatte sie ganz andere Berufswünsche: Anwältin, Physiotherapeutin oder Marketing-Expertin. Obwohl der Familienbetrieb Thielvoldt in Wandsbek seit 1899 besteht und inzwischen in vierter Generation geführt wird, übten die Eltern keinen Druck aus, die Familientradition fortzuführen. Bei einem Schulpraktikum in der 11. Klasse sah Tochter Nina, was der elterliche Maler- und Lackiererbetrieb bot. „Zuvor hatte ich das nie ernsthaft in Betracht gezogen“, sagt Thielvoldt. Doch dann entdeckte sie, dass der Beruf mehr bedeutet, als Wände zu streichen. „Die verschiedenen Designtechniken und Gestaltungsmöglichkeiten haben mich sehr gereizt“, sagt Thielvoldt. „Ich war überrascht, dass ich für diese Aufgaben ein Händchen hatte, und auch die körperliche Arbeit gefällt mir. Nach der Arbeit bin ich sehr ausgeglichen.“

Die Lehre zur Malerin und Lackiererin machte Nina im väterlichen Betrieb

Vor allem die Wandtechniken haben es ihr angetan. Verschiedene Komponenten werden zu einer Masse gemischt und dann auf die Wand aufgebracht und geschliffen. So entstehen Flächen, die wie Kupfer oder Bronze aussehen oder wie eine Steinimitation. „Das ist auch eine Alternative, wenn man im Bad auf Fliesen verzichten möchte“, sagt Thielvoldt.

Die positiven Eindrücke aus dem Praktikum gaben den Ausschlag. Nach dem Abitur lernte sie im väterlichen Betrieb Malerin und Lackiererin und schloss die Lehre als Jahrgangsbeste in Hamburg ab. „Mein Vater war schon sehr kritisch, allerdings hat mir das viel gebracht. Auf den Baustellen hat er mich aber in Schutz genommen.“

Obwohl sie erst im Sommer 2015 ausgelernt hat, hat sie bereits ein Jugendhotel, eine Cocktailbar, das Eingangsfoyer des Europäischen Hansemuseums in Lübeck und ein Büro in einer neuen Wohnanlage gestaltet. Alles waren Wettbewerbsaufgaben: von der Gesellenprüfung bis zum Bundeswettbewerb in München. Die Gestaltung erfolgte nicht am Originalobjekt, sondern in sogenannten Wettbewerbskojen mit unterschiedlichen Wand­flächen. Die Teilnehmer arbeiten in nebeneinanderliegenden Kojen – eine echte Wettbewerbsatmosphäre.

„Inzwischen habe ich mich an solche Wettbewerbssituationen gewöhnt, obwohl ich vorher immer sehr aufgeregt bin“, sagt Thielvoldt. Denn mit jedem Wettbewerb gab es weniger Zeit für die Umsetzung der Vorgaben.

In Wettbewerben herrscht Zeitdruck. Nina Thielvoldt hat sich daran gewöhnt

Waren für die Gesellenprüfung noch drei Tage Zeit, musste der Bundeswettbewerb in nur zwölf Stunden absolviert werden. „Das ist schon sehr anspruchsvoll, allein von der Organisation der Arbeit her, denn man darf sich keine Leerzeiten leisten, weil die Farbe trocknen muss“, sagt Thielvoldt. Dann müsse der Ablauf so organisiert sein, dass man an einer anderen Stelle weiterarbeiten kann. Logos malen, Tapezieren, Wandgestaltung mit speziellen Techniken – das sind typische Aufgaben in einem Wettbewerb. Aber es kommt nicht nur auf den Umgang mit Pinsel, Spachtel und Farbe an. Die Teilnehmer müssen die von ihnen ausgewählten Gestaltungselemente auch gut begründen können.

Bei der Gestaltung des Foyers im Europäischen Hansemuseum in Lübeck brachte sie ein Logo an die Wand, sodass die stilisierte Kogge aussieht wie aus echtem Holz. Eine der Wände gestaltete sie mit einer Tapete, die an altes Pergament erinnert. „Beide Materialien passen gut zu einem Museum und lassen sich im historischen Kontext auch gut begründen“, sagt Thielvoldt.

Beim Bundeswettbewerb in München ging es um die Gestaltung eines Büros in einer modernen Wohnanlage, in das Hausmeister oder Hausverwaltung einziehen können. Auch hier spielten Logos eine große Rolle. Die Herausforderung war, freihändig Linien mit einem Malstock zu ziehen. „Wir durften nicht abkleben“, sagt Thielvoldt. Das abstrakte Logo gestaltete sie dreidimensional mit unterschiedlichen Farbtönen und überzeugte auch mit der übrigen Wandgestaltung die Jury. Der Lohn war Platz eins.

Ein Ziel ist klar: die Frauenquote im eigenen Betrieb steigern

Derzeit studiert Thielvoldt an der Berufsakademie des Handwerks Betriebswirtschaft für kleine und mittlere Unternehmen, das im Oktober 2016 endet. Danach will sie ihren Meisterbrief machen. Noch führen Vater und Onkel den Familienbetrieb in Eilbek. „Ich hab noch genügend Zeit bis zur Übernahme und kann noch viele Erfahrungen mit ihnen sammeln“, sagt Thielvoldt. Irgendwie ist sie darüber auch ganz froh.

Doch sie weiß auch schon, was sie ändern möchte, wenn sie einmal Chefin ist. „Frauen im Betrieb sind sehr wichtig“, sagt sie. Die Frauenquote im Traditionsbetrieb Thielvoldt soll steigen. Bisher gibt es nur eine Gesellin, die zurzeit in Elternzeit ist. „Frauen verbessern das Klima im Betrieb. Wenn eine Frau auf die Baustelle kommt, herrscht gleich ein anderer Ton“, sagt Thielvoldt. Schließlich waren die drei Erstplatzierten im Hamburger Landeswettbewerb allesamt Frauen.

Thielvoldt gehört jetzt zum sechsköpfigen Nationalteam der besten jungen Maler- und Lackierer Deutschlands. Den nächsten Wettbewerb Anfang März 2016 in München hat sie schon im Kalender notiert. Der Gewinner fährt zum europäischen Ausscheid 2016 im schwedischen Göteborg.