Hamburg. Ein Liter Diesel kostet weniger als ein Euro. In Hamburg sitzen die größten Profiteure. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die Autofahrer freut es, viele deutsche Konzernchefs auch: Seit Wochen kennen die Ölpreise eigentlich nur noch eine Richtung: nach unten. „Das billige Öl wirkt wie ein kleines Konjunkturprogramm in Deutschland“, sagt der Energieexperte des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Sven Schulze. Das Abendblatt erläutert die wichtigsten Gründe für die ungewöhnliche Entwicklung an den Rohstoffmärkten und was dies für die Hamburger bedeutet.
Auf welchem Niveau bewegen sich die Rohölpreise derzeit?
Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Januar lag am Mittwochmittag bei 40,82 Dollar. Das war zwar etwas mehr als am Dienstag, als der Brent-Preis erstmals seit Februar 2009 unter 40 Dollar gerutscht war. Bei 39,81 Dollar erreichte der Preis ein Niveau, das zuletzt im Zuge der jüngsten Weltwirtschaftskrise erreicht worden war. Beim US-Öl ging es ebenfalls steil bergab. Der WTI-Preis sank bis auf 36,64 Dollar und damit auch auf den tiefsten Stand seit Februar 2009.
Was sind die Gründe für den Verfall des Rohölpreises?
„Der Hauptgrund für den Preisrückgang sind die Überkapazitäten im Markt“, sagt HWWI-Experte Schulze. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) hatte sich am Freitag vergangener Woche weder auf eine Kürzung noch auf eine Deckelung ihrer Produktion einigen können. Anders als in früheren Jahren will das Kartell den Preis nicht durch die Senkung von Fördermengen stützen, sondern kämpft stattdessen mit Rabatten um Marktanteile. Zugleich geht die Nachfrage von großen Volkswirtschaften wie China immer weiter zurück, weil sich die Wirtschaft dort langsamer als erwartet entwickelt. Ein weiterer Grund für das Überangebot ist der Schieferölboom in den USA, wodurch sich der Bedarf der Vereinigten Staaten an Öl aus dem Nahen Osten verringert hat.
Wie wirkt sich der niedrige Rohölpreisan den Tankstellen in Hamburg aus?
Die Kraftstoffpreise befinden sich ebenfalls im Sinkflug. Wie die aktuelle ADAC-Auswertung zeigt, sank der Preis für einen Liter Super E10 binnen Wochenfrist um 3,2 Cent auf durchschnittlich 1,285 Euro. Noch deutlicher fällt der Preisrückgang bei Diesel aus: Ein Liter kostet laut ADAC im bundesweiten Mittel 1,087 Euro, das ist ein Minus von 4,1 Cent. In Hamburg boten diverse Tankstellen den Liter Diesel am Mittwoch sogar für weniger als einen Euro an. Die Hansestadt ist wegen der besonders harten Konkurrenz bundesweit besonders günstig.
Profitieren Hamburgs Spediteure von dem günstigen Dieselpreis?
„Auf unsere Firmen wirkt sich der gesunkene Dieselpreis leider nicht positiv aus“, sagt der Geschäftsführer des Landesverbands Straßenverkehrsgewerbe Hamburg, Frank Wylezol. „Die meisten Unternehmen haben mit ihren Kunden Preisgleitklauseln vereinbart, durch die die niedrigen Dieselpreise direkt an die Auftraggeber weitergegeben werden.“ Teilweise würden sogar Nachforderungen wegen der günstigeren Preise gestellt.
Welche Auswirkungen hat der niedrige Ölpreis auf die Hamburger Reeder?
Sie profitieren eindeutig von der aktuellen Entwicklung. Bei der größten Reederei Hapag-Lloyd etwa gingen die Transportaufwendungen je Standardcontainer (TEU) in den ersten drei Quartalen dieses Jahres um 240 Dollar auf noch 1111 Dollar zurück. Dies war vornehmlich auf die gesunkenen Preise für Schiffsdiesel zurückzuführen.
Gibt es auch negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft?
Grundsätzlich profitieren erdölarme Länder wie Deutschland, weil der Preis für das importierte Öl sinkt. Langfristig gibt es aber durchaus auch Risiken. Der Preisverfall könnte auf Dauer den Grundstein für einen rapiden Preisanstieg zu einem späteren Zeitpunkt legen, meint Rohstoffexperte Eugen Weinberg von der Commerzbank. Durch die Niedrigpreise würden zunehmend Anbieter vom Markt verdrängt. Dadurch könnte künftig das Angebot stark sinken, während die Nachfrage unverändert bleibt.
Wird der Ölpreis in den kommenden Monaten noch weiter sinken?
Darüber gehen die Meinungen unter den Experten noch auseinander. „Ich denke, dass wir jetzt den Boden beim Rohölpreis erreicht haben und eine weitere Abwärtsbewegung eher nicht zu erwarten ist“, sagt HWWI-Energieexperte Schulze. Dafür spreche auch die leichte Erholung der Preise, die sich schon am gestrigen Mittwoch abgezeichnet habe. Andere Fachleute erwarten hingegen einen weiteren Verfall. Die Preise könnten bis auf 32 Dollar sinken, bevor die Opec ihre Förderpolitik ändere, schätzt Carl Larry, Ölexperte beim US-Beratungsunternehmen Frost & Sullivan.