Hamburg. Carsharing-Anbieter DriveNow baut Flotte seiner Elektro-BMW in Hamburg stark aus. Kritik an schlechter Infrastruktur.

Innen erlaubt sich das Auto mit Holz- und Filzoptik einen Schuss retro, ansonsten aber fährt der BMW i3 mit seinen Flügeltüren futuristisch vor, er wirkt wie gerade aus dem Weltall auf die Erde gefallen. Das auffällige Mobil des Münchener Autobauers wird bald häufiger für neugierige Blicke an der Ampel sorgen. Der Carsharing-Anbieter DriveNow baut die Flotte seiner batteriebetriebenen BMWs in Hamburg deutlich aus. Während derzeit 40 der Stromer zum Ausleihen über die Straßen der Hansestadt surren, soll sich deren Zahl bis Ende des Jahres auf 70 fast verdoppeln. Über alle Fahrzeugtypen der DriveNow-Marken BMW und Mini hinweg, inklusive Verbrennungsmotoren, bietet die Firma bundesweit 2600 Wagen an, in Hamburg können die Kunden auf 530 Autos zugreifen.

„Wir sehen hier ein großes Potenzial, Hamburg rangiert unter den Städten mit dem stärksten Kundenwachstum an der Spitze“, sagte DriveNow-Geschäftsführer Sebastian Hofelich, der zum Ausbau der Hamburger Flotte an die Elbe gereist war. Der 40-Jährige, der auch privat auf geteilte Mobilität setzt und die Zahl seiner Familienautos gerade von zwei auf einen Wagen verringert hat, nennt die Gründe für die Elektro-Offensive: Die klimaverträglichen Stromer passten perfekt zur Philosophie von DriveNow, sich möglichst nachhaltig durch die Stadt zu bewegen. Außerdem bieten sie jedermann einen ersten Eindruck von der Elektrozukunft – auch Fahrern, die gerade keine 35.000 Euro übrig haben, um sich den BMW mit Batteriebetrieb zu kaufen.

Allerdings bemängelt Hofelich, dass die Ziele für die Elektromobilität und die Versorgung mit Lademöglichkeiten noch weit auseinanderklafften. „In Hamburg wird zwar offiziell von 150 Ladestationen gesprochen, unkompliziert zu erreichen sind aber nur 70 Standorte.“ Das Problem: Etliche Stromtankstellen versteckten sich in Parkgaragen, bei Hotels oder auf privatem Grund. „Bei der Lade-Infrastruktur gibt es bisher nur schlecht und nicht ganz so schlecht, aber nirgendwo gut.“ Berlin kommt auf 107 Ladestationen, München hat mit 25 Standorten noch weit weniger zu bieten. Ganz im Gegensatz etwa zu Kopenhagen. Hier haben die Stadtplaner 640 Stromtankstellen installiert – und DriveNow kann die Nachhaltigkeitsstrategie voll ausfahren: In der dänischen Hauptstadt bietet die Firma 400 Fahrzeuge zum Teilen an, alle fahren elektrisch, also ohne klimaschädliche Emissionen, die den Touristen in den Straßencafés das Smørrebrød verleiden könnten.

Wer in Hamburg den i3 testen will, zahlt dem Carsharing-Joint-Venture der BMW Group und der Sixt SE dafür 34 Cent pro Minute. Stromkosten, Parktickets, Versicherung und Kfz-Steuer sind dabei inklusive. Laufende jährliche oder monatliche Gebühren fallen nicht an. Die Minutenpreise für konventionelle Mini-Modelle liegen bei 31 Cent, inklusive Benzin. Obgleich die Fahrzeuge mit den Verbrennungsmotoren günstiger sind, werden E-Mobile bei DriveNow ebenso häufig ausgeliehen wie die Klassiker.

Die Reichweite des i3 liegt bei gemächlicher Fahrweise und ohne Stromfresser wie Klimaanlage bei 160 Kilometern. Schnell fahren ist allerdings auch nicht ausgeschlossen: In nur 7,2 Sekunden ist der Wagen auf 100 km/h, angetrieben von einem 125 kW/170 PS starken Elektromotor. Kunden, die den Batterie-BMW zum Laden bringen, erhalten dafür Freiminuten. Wenn ein entladenes Auto irgendwo im Stadtgebiet parkt, fahren bei DriveNow Servicemitarbeiter vor, um den Wagen wieder fit zu machen. Der Ladevorgang dauert bis zu acht Stunden. An Schnellladestationen kommt man mit einer guten halben Stunde aus. „Wir müssen hier noch häufig eingreifen, es tanken zwar 80 Prozent der Kunden, Ladestationen steuern aber weniger Nutzer an“, sagt Hofelich über den hohen Aufwand mit den Stromern.

Car2go bietet dagegen keine Elektroautos in Hamburg an

Diese teure Herausforderung nehmen auch noch nicht viele Mobilitätsanbieter an: Der Konkurrent Car2go, der in Hamburg 700 Wagen anbietet, verzichtet hier bisher gänzlich auf Elektrofahrzeuge. Die Daimler-Tochter plane auch nicht, diese einzuführen, sagte ein Sprecher zum Abendblatt und begründete dies wiederum mit dem dünnen Netz an Stromtankstellen. Auch Jaano, der Hamburger Sharing-anbieter für Vespas, schreckt noch vor Elektrorollern zurück. Um in Zukunft bessere Bedingungen für das klimaverträgliche Fahren zu schaffen, baut Hamburg die Infrastruktur aus. In etwa einem Jahr sollen 600 Ladeplätze an 300 Stationen auf die Nutzer warten. Bisher rollen auch nur rund 1000 batteriebetriebene Autos durch die Stadt.

Da in Deutschland – anders als in skandinavischen Ländern – kaum Anreize für die neue Technologie bestehen, verläuft die Verbreitung nur schleppend. So haben die deutschen Hersteller 2014 im Inland zusammen 1,88 Millionen Autos abgesetzt – davon sind die 28 Modelle mit Hybrid, Plug-in-Hybrid oder reinem Elektroantrieb zusammen nur 8463 Mal verkauft worden. Die amerikanische Marke Tesla, die in Hamburg nahe der Binnenalster seit Oktober 2014 einen Showraum betreibt, hat in der Hansestadt bisher knapp 300 Wagen verkauft.