Hamburg. Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank warnt vor Wählerschelte – und richtet den Blick in der Flüchtlingspolitik nach vorn.

Die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank hat sich wie keine andere Grünen-Politikerin für die Olympiabewerbung eingesetzt. Drei Tage nach dem Aus beim Referendum sprach das Abendblatt mit Fegebank über die Konsequenzen, ihre Stimmungslage und neue Ideen in der Flüchtlingspolitik.

Hamburger Abendblatt: Keine andere Partei hat sich wie die Grünen für die Einführung von Referenden starkgemacht. Jetzt haben Sie den Salat!

Katharina Fegebank: Wenn man das Volk abstimmen lässt in wichtigen Sachfragen, genau das ist ja der Sinn von Referenden, dann muss man auch mit den Ergebnissen leben und sie respektieren.

Ist das Referendum als ein Element der direkten Demokratie weiterhin richtig?

Fegebank : Wir wollten und wollen bei Großprojekten die Meinung des Volkes haben, jenseits von Wahlen und jenseits des politischen Alltagsgeschäfts. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass das der richtige Schritt ist, und halte an Referenden weiter fest.

Können Großprojekte in Hamburg
überhaupt durchgesetzt werden?

Fegebank : Ich hoffe das sehr, übrigens auch über Referenden. Wir müssen dann jeweils mit überzeugender Kraft für Mehrheiten werben.

Die Erfahrung zeigt, dass sich das Volk fast immer gegen die Politik entscheidet.

Fegebank : Das stimmt nicht. Wir hatten einen zwar denkbar knappen, aber erfolgreichen Volksentscheid für den Rückkauf der Energienetze. Da haben sich die Bürger positiv für etwas ausgesprochen.

Olympia-Referendum: Der Tag der Entscheidung

Enttäuschte Gesichter bei Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz and DOSB-Chef Alfons Hörmann
Enttäuschte Gesichter bei Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz and DOSB-Chef Alfons Hörmann © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Frederik und Gerrit Braun (Miniatur Wunderland) mit Nikolas Hill, Geschäftsführer der Hamburger Olympia-Bewerbungsgesellschat
Frederik und Gerrit Braun (Miniatur Wunderland) mit Nikolas Hill, Geschäftsführer der Hamburger Olympia-Bewerbungsgesellschat © Roland Magunia | Roland Magunia
Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt und Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke
Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt und Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke © WITTERS | ValeriaWitters
Moderator Lou Richter, Vorstandsvorsitzender Dietmar Beiersdorfer (HSV), Helmut Schulte, Ex-Sportchef vom FC St. Pauli
Moderator Lou Richter, Vorstandsvorsitzender Dietmar Beiersdorfer (HSV), Helmut Schulte, Ex-Sportchef vom FC St. Pauli © WITTERS | ValeriaWitters
v.l. Gerrit und Frederik Braun (Miniatur Wunderland)
v.l. Gerrit und Frederik Braun (Miniatur Wunderland) © WITTERS | ValeriaWitters
Dr. Nikolas Hill (Bewerbungsgesellschaft Hamburg 2024)
Dr. Nikolas Hill (Bewerbungsgesellschaft Hamburg 2024) © WITTERS | ValeriaWitters
Die Ex-Hockeyspieler Britta Kerner-Becker und Michael Green
Die Ex-Hockeyspieler Britta Kerner-Becker und Michael Green © WITTERS | ValeriaWitters
Die Party zum Olympia-Referendum in der Barcleycard Arena Arena:  HSV-Handballer Johannes Bitter und Unternehmer Alexander Otto
Die Party zum Olympia-Referendum in der Barcleycard Arena Arena: HSV-Handballer Johannes Bitter und Unternehmer Alexander Otto © Roland Magunia | Roland Magunia
Auch Edina Müller, Nationalspielerin im Rollstuhlbasketball, ist zu der Party gekommen
Auch Edina Müller, Nationalspielerin im Rollstuhlbasketball, ist zu der Party gekommen © Roland Magunia | Roland Magunia
Gäste in der Arena:  Rüdiger Kruse (CD) und Hans-Jörg Schmidt-Trenz (Handelskammer Hamburg)
Gäste in der Arena: Rüdiger Kruse (CD) und Hans-Jörg Schmidt-Trenz (Handelskammer Hamburg) © Roland Magunia | Roland Magunia
Lightshow in der Barcleycard Arena: Die Olympia-Befürworter warten auf die Bekanntgabe des Ergebnisses
Lightshow in der Barcleycard Arena: Die Olympia-Befürworter warten auf die Bekanntgabe des Ergebnisses © WITTERS | ValeriaWitters
Ein Musiker in einem Wahllokal in einer Stimmkabine
Ein Musiker in einem Wahllokal in einer Stimmkabine © dpa | Axel Heimken
Seit 8 Uhr sind die Wahllokale in Hamburg und Kiel geöffnet
Seit 8 Uhr sind die Wahllokale in Hamburg und Kiel geöffnet © dpa | Axel Heimken
Noch bis 18 Uhr können die Bürger über die Olympia-Bewerbung abstimmen
Noch bis 18 Uhr können die Bürger über die Olympia-Bewerbung abstimmen © dpa | Axel Heimken
Ein Wahlhelfer händigt einem Bürger in einem Wahllokal Wahlunterunterlagen aus
Ein Wahlhelfer händigt einem Bürger in einem Wahllokal Wahlunterunterlagen aus © dpa | Axel Heimken
Eine Hamburgerin gibt ihre Stimme ab
Eine Hamburgerin gibt ihre Stimme ab © dpa | Axel Heimken
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Aber der Volksentscheid war gegen die Politik des damaligen Senats gerichtet, die Grünen waren in der Opposition. Das ist es ja gerade: In Hamburg kann sich der Senat in Volksentscheiden und Referenden beim Volk nicht durchsetzen.

Fegebank : Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es ganz schwierig für Regierungen ist, Großprojekte alleine durchzusetzen – selbst wie jetzt im Schulterschluss mit Teilen der Opposition. Wir brauchen bei diesen Projekten immer die doppelte Mehrheit, also die Mehrheit im Parlament und die Akzeptanz bei den Bürgern.

Haben Bürgerschaft und Senat an
Gestaltungskraft verloren?

Fegebank : Wir haben mit der Volksgesetzgebung der letzten Jahre einen Standard erreicht, von dem ich nicht glaube, dass man ihn zurückdrehen sollte oder kann. Wir müssen in Zukunft auf anderen Wegen dafür sorgen, dass wir auch Mehrheiten erzeugen können.

Gibt es nicht immer eine Mehrheit der Menschen, die glauben, sie würden ohnehin nicht profitieren, und deswegen mit Nein stimmen?

Fegebank : Ich glaube das nicht. Man darf die Menschen auch nicht über einen Kamm scheren. Es ist bei vielen ein Prozess bis in die letzten Tage hinein gewesen, ehe sie sich in die eine oder andere Richtung entschieden haben.

Ihre Aussagen sind insgesamt stark von Hoffnung geprägt ...

Fegebank : (lacht) In diesen Tagen nicht das Schlechteste, oder?

In gewisser Hinsicht, ja. Trotzdem: Es scheint so zu sein, dass sich Teile der Bürgergesellschaft von der Politik abgekoppelt haben. Sie verweigern sich vielleicht sehr grundsätzlich. Woraus schöpfen Sie die Hoffnung, diese Menschen in Zukunft zu erreichen?

Fegebank : Die Neinstimmen verteilen sich quer durch alle Parteien bis tief ins bürgerliche Lager. Ich ziehe aber nicht den Schluss, dass diese Menschen sich vollständig von der Politik abgekoppelt haben. Im Gegenteil: Sie haben sich ja in großer Zahl an einer politischen Entscheidung beteiligt. Sie haben nur mehrheitlich in dieser einen Frage Nein gesagt. Ich kann aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis berichten. Viele haben gesagt: Olympia ist eine schöne Idee, aber übernehmen wir uns da nicht oder können wir das alles schultern, gerade auch angesichts des drastischen Anstiegs der Flüchtlingszahlen? Diese Frage wurde mir häufig gestellt, und deswegen hatte ich schon vor Sonntag das Gefühl, dass das eine ganz enge Kiste wird.

Kann Politik nicht mehr überzeugen?

Fegebank : Die Frage ist doch, ob wir alle gemeinsam nicht mehr überzeugen können: von den Sportvereinen über die Medien und Großunternehmen bis hin zu kleinen Start-ups. Es war keine Frage des Misstrauens in die Politik des Senats oder der Bürgerschaft. Ich möchte das trennen: Abstimmung über Olympia und Vertrauen in die Politik.

Sie machen sich bei Referenden abhängig von der politischen Großwetterlage. Oder muss man da nicht den Mut haben, es ohne Abstimmung zu machen?

Fegebank : Nein, auf keinen Fall. Ich warne auch davor, jetzt Wählerschelte zu betreiben. Ich glaube, dass das ein sehr differenzierter Abwägungsprozess bei den meisten war und keine provinzielle Kleinmütigkeit oder Muffeligkeit. Es gab das Warnschild: Wir haben die Sorge, dass wir das im Moment nicht schultern können.

Sind die Hamburger zu mutlos?

Fegebank : (Lange Pause) Nein, ich denke, dass die Hamburger wollen, dass sich die Stadt nach vorn bewegt. Sie wollen wie wir eine nachhaltige Stadtentwicklung, die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, einen Innovationsschub. Diese Ziele bleiben, aber die Wege dahin haben sich nach dem Referendum geändert. Ich bin mir sicher, dass wir die Hamburger da an unserer Seite haben werden.

Aus der Abstimmung über Olympia können Sie das alles doch nicht herauslesen.

Fegebank : Nein. Ich meinte die Gründe, die für uns Grüne am Anfang ausschlaggebend waren, für Olympia zu stimmen. Diese Ziele bleiben bestehen.

Wie beurteilen Sie die Äußerungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der Bund hätte Hamburg zwar finanziell unterstützt, aber nicht im gewünschten Maße?

Fegebank : Es ist aber sicherlich nicht von Vorteil gewesen, dass der Bund keine klarere Aussage zu den Finanzen vor dem Referendum gemacht hat. Das war bei vielen ein Beitrag dazu, dass die Unsicherheit größer war als die Hoffnung.

Hat es an Unterstützung aus dem Bund gefehlt?

Fegebank : Das war eine Ursache dafür, dass es so viele Zweifel gab.

Der Erste Bürgermeister hat gesagt: Wir können 1,2 Milliarden Euro zahlen, 6,2 Milliarden muss der Bund übernehmen, sonst ziehen wir die Bewerbung zurück. Haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Bund nicht erpressen lassen wollte?

Fegebank : Ich finde es völlig legitim, gerade bei so einmaligen Projekten Erwartungshaltungen zu formulieren.

Es war keine Erwartungshaltung, sondern ein Ultimatum. Der Bürgermeister hat gesagt, wenn Hamburg mehr als 1,2 Milliarden zahlen muss, steigen wir aus.

Fegebank : Wichtig ist doch eine Klarheit gegenüber den Bürgern. Es ging doch ums Referendum. Es ist völlig nachvollziehbar, dass wir sagen, so viel können wir ausgeben und nicht mehr. Darauf müssen sich die Hamburger verlassen können. Und dann muss klar sein, dass darüber hinaus der Bund einsteigen muss. Das war sehr transparent von uns.

Wie soll der Bund reagieren, wenn Olaf Scholz das öffentlich sagt? Da bleibt nur, zu akzeptieren oder auf Zeit zu spielen.

Fegebank : Der Bund hat sich offensichtlich für die zweite Variante entschieden.

Die Olympiaträume sind nun passé. Was zum Beispiel bleibt, sind die Unterbringungsprobleme bei den Flüchtlingen. Aller Voraussicht nach werden zu Weihnachten noch Flüchtlinge in Zelten leben. Das war anders angekündigt.

Fegebank : Das stimmt. Wir werden vermutlich noch einige Hundert Flüchtlinge an der Schnackenburgallee und am Ohlstedter Platz in beheizten Zelten haben. Wir haben alle Anstrengungen unternommen, Erstaufnahme- und Folgeeinrichtungen zu errichten. Bei den Flüchtlingszahlen der letzten Wochen und Monate treffen wir aber auf die harte Realität.

Internationale Pressestimmen zum Referendum

Le Monde (Frankreich)

Das ist die zweite Niederlage einer deutschen Olympia-Bewerbung innerhalb von nur zwei Jahren. Zuvor hatten schon die Münchner gegen die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 gestimmt. Im März hatte das Olympische Komitee Hamburg Berlin vorgezogen, weil sie in der Hansestadt mehr Unterstützung erhofften als in der Metropole.

L'Equipe (Frankreich)

Paris hat einen Gegner weniger im Rennen um die Ausrichtung der Olympischen Spiele von 2014. Bleiben nur noch Los Angeles, Rom und Budapest.

Le Figaro.fr (Frankreich)

Das ist eine Schmach für den Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland Alfons Hörmann. Noch vergangene Woche hat er auf den entscheidenden Elan des deutschen Sports auf allen Ebenen beharrt.

La Stampa (Italien)

 Rom verliert eine Rivalin für die Spiele 2024. Und es gibt da nichts zu feiern. (...) Vier Städte bleiben im Rennen: Rom, Paris, Los Angeles und Budapest. Und es bleibt die Gewissheit, dass Olympische Spiele im Augenblick nicht all zu sehr geschätzt werden.

La Repubblica (Italien)

Hamburg 2024 ist bei den Bürgern durchgefallen. Es bleiben noch drei Gegner für Rom im Rennen um die Olympischen Spiele 2024.

Corriere della Sera (Italien)

Für Deutschland ist es der zweite ins Leere laufende Olympiaversuch der letzten zwei Jahre.

Lidove noviny (Tschechien)

Für Olympia in London hatte die britische Regierung rund neun Milliarden Euro ausgegeben. Hamburgs Organisatoren rechneten damit, dass ihre Spiele gut zwei Milliarden Euro weniger kosten würden. Die Kritiker des Olympia-Konzepts verwiesen indes darauf, dass das Londoner Budget in einem Punkt um ein Vielfaches höher war, nämlich der Sicherheit. Dabei dürfte ihre Bedeutung nach den Ereignissen von Paris noch erheblich zunehmen.

Hannoversche Allgemeine

Eine der wohlhabendsten Städte des Kontinents traut sich also nicht zu, ein Sportfest für die Welt auszurichten. Es wird nun womöglich wieder in den USA oder gar in einer jener Diktaturen stattfinden, die weder auf ihre Bevölkerung noch auf die Umwelt irgendeine Rücksicht nehmen. Die intelligente, sanfte und die Stadt schonende Planung aus Hamburg kommt hingegen nicht zum Zug. Auch das haben die Wähler gestern mitentschieden. Trotz des fast schon trotzigen Positiv-Votums aus dem kleinen Kiel trägt dieser Sonntagabend eine traurige Botschaft in die Welt: Mit Deutschland ist bei großen, weltumspannenden Sportereignissen erst einmal nicht mehr zu rechen. Wie schade. Wie klein.

Weser Kurier (Bremen)

München wollte nicht, und Hamburg will nun auch nicht. Nach der anfänglichen Euphorie für die Olympia-Bewerbung im Jahr 2024 ist das eine faustdicke Überraschung. Und das Nein ist noch eines: sehr schade. Nicht nur, weil Sport-Deutschland damit das Signal sendet, kein Ort mehr für weltverbindende Sport-Großveranstaltungen sein zu wollen. Nein, schade ist es auch, weil offensichtlich die Terror-Attentate von Paris und das später abgesagte Fußball-Länderspiel gegen die Niederlande ihre Wirkung entfalten konnten. Man könnte auch sagen: Die Terroristen haben auch in Hamburg geschafft, was sie wollten - Angst verbreiten. Die ehemalige Hockey-Nationalspielerin Britta Becker nannte das Votum "ein bisschen mutlos". Ein bisschen? Sicher, der Sport und auch die Politik dürfen sich nach dem Votum auch an die eigene Nase fassen. Ob Fifa-Korruptionsskandal, das angeblich gekaufte Fußball-Sommermärchen, flächendeckendes Doping in der russischen Leichtathletik - nicht gerade Themen, die eine Stimmung der Sportbegeisterung in der Bevölkerung erzeugen können. Und die Politik? Sie trug zur Verunsicherung bei, weil bis zum Ende nicht klar war, welche Kosten denn nun auf die Hamburger zukommen und wie viel der Bund übernehmen würde. Das war dilettantisch vorbereitet, sowohl von Bürgermeister Olaf Scholz als auch von "Sportminister" Thomas de Maizière. Nun denn, die Bürger haben gesprochen. Hamburg wird sein Tor zur Welt nicht aufmachen, und Bremen darf seinen Schlüssel zum Tor nicht umdrehen. Schade, aber immerhin basiert das Nein auf einem Referendum. Wenigstens was.

Landeszeitung (Lüneburg)

Das Referendum war auch eine Abstimmung über die Frage: Passen milliardenteure Großveranstaltungen und Demokratien noch zusammen? Die Antwort: nein. Zumindest passen sie nicht so zusammen, wie es sich die Weltsportverbände, allen voran IOC und FIFA, vorstellen. Von Korruptionsvorwürfen rund um die Vergaben der Groß-Events einmal abgesehen, sorgen die Dreistigkeit und Selbstherrlichkeit der Sportfunktionäre für Olympia-Verdruss. Die Forderung nach Steuerbefreiungen, mit der sich die Verbände wie selbstverständlich über das Gesetz des jeweiligen Landes erheben, und die das Abwälzen der Kostenübernahme auf die veranstaltende Stadt sind da nur zwei Stichworte. So etwas lassen sich die Menschen, die in diesen unruhigen Zeiten andere Themen bewegen, nicht mehr gefallen.

Dithmarscher Landeszeitung (Heide)

Der Zeitpunkt des Referendums war unglücklich. Seit den Attentaten von Paris spielen Sicherheitsbedenken eine viel größere Rolle... Die Megaveranstaltung ist leider gestorben. Aus den Trümmern der Bewerbung lässt sich aber vielleicht noch etwas Brauchbares für den Sport, die Infrastruktur und die Zusammenarbeit von Hamburgern und Schleswig-Holsteinern zusammenbasteln.

Berliner Zeitung

Für den deutschen Sport ist das Ergebnis verheerend. Einmal mehr ist es den Verbänden und ihren Funktionären nicht gelungen, ihrem anspruchsvollen und gewiss auch kostspieligen Vorhaben zu der nötigen demokratischen Legitimation zu verhelfen. Im Falle Hamburgs mögen die Gründe vielfältig sein. Die weiterhin als große Belastung empfundene Flüchtlingssituation und die akute Terrorgefahr haben den Stimmungspegel zuletzt nicht in Richtung Olympia ausschlagen lassen. Am Ende haben es die Olympia-Befürworte nicht vermocht, die Befürchtungen der Skeptiker zu zerstreuen. Ein olympisches Sommermärchen wird es nicht geben. Nicht in Hamburg, und auf absehbare Zeit wohl auch in keiner anderen deutschen Stadt.

Stuttgarter Nachrichten

Allen optimistischen Prognosen zum Trotz: Hamburgs Bürger haben den olympischen Traum in der Elbe versenkt. Aus und vorbei. Das ist schade, aber kein Weltuntergang. Und der Sport wäre ein schlechter Verlierer, würde er die Ursachen seines Scheiterns nicht in erster Linie bei sich selbst suchen. Natürlich drückt der Flüchtlingsstrom auf die Stimmung, die Terroranschläge von Paris schüren diffuse Ängste. Aber das eindeutige Nein der Hansestadt zu einer Olympia-Bewerbung hat tieferliegende Gründe. Die Welt des Spitzensports hat zunehmend Probleme, sich zu legitimieren.

Rheinische Post (Düsseldorf)

Hamburg will Olympia nicht. Es gab reichlich gute Gründe, der Bewerbung um die Spiele 2024 ablehnend gegenüberzustehen: die Milliardenkosten, die wachsende Terrorgefahr, die Ungewissheit angesichts der Flüchtlingsproblematik, die Korruption bei großen Sportverbänden, dazu die speziellen Hamburger Erfahrungen mit dem Großprojekt Elbphilharmonie. Alles richtig, aber alles zu kurz gedacht. Die Bürger haben es verpasst, ein Zeichen für Optimismus und Schaffenskraft zu setzen. Von einer kraftvollen Bewerbung hätten Impulse ausgehen können, die ins ganze Land hätten ausstrahlen können - und zwar weit über den Sport hinaus. Olympia hätte ein Leuchtturm-Projekt für Deutschland werden können, so wie es London 2012 in Großbritannien war. Auf absehbare Zeit wird es keine deutsche Bewerbung mehr geben können, nachdem die Bayern vor zwei Jahren einen Anlauf auf die Winterspiele 2022 gestoppt haben. Dabei wäre damals eine Kandidatur angesichts der schwachen internationalen Konkurrenz wie ein Elfmeter ohne Torwart gewesen. In Sachen Olympia ist Deutschland zu zaghaft. Schade.

Westfalen Post (Hagen) 

Es ist ein Nein. Die Bürger in Hamburg wollen die Olympischen Spiele 2024 nicht. Es ist ein Nein zu den Chancen, denn die hatte es ja auch gegeben: Stadtentwicklung zum Vorzugstarif zum Beispiel. Aber die Menschen wollen es nicht. Nicht die Baustellen, nicht die Umstände, nicht die Kosten. Hamburg liegt damit auf einer Linie mit München, das hinsichtlich der Winterspiele 2022 schon dankend abgelehnt hatte. Das bedeutet: Die Menschen in Deutschland sehen es nicht mehr ein, warum Milliarden ausgegeben werden sollten für ein zweiwöchiges Sport-Ereignis, wenn Geld überall sonst fehlt: Bei der Bildung, bei der Integration, in der Infrastruktur. Wer will es den Menschen verdenken? Gerade in einer Zeit, in der so deutlich wie nie zu Tage tritt, wie intransparent, gierig und schmierig der Sport, seine Verbände und Organisationen sein können. Es ist ein kluges Nein dem unkalkulierbaren Milliarden-Wahnsinn in unübersichtlichen Zeiten. Aber es ist damit indirekt auch ein Nein dem Sport. Denn Deutschland wird eine Großveranstaltung dieser Art in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr aus nächster Nähe zu Gesicht bekommen. Für die Förderung des Sports und seine Vielfalt in Deutschland war das Hamburger Referendum eine Niederlage. 

Schwäbische Zeitung (Ravensburg) 

Olympische Winterspiele in Peking? Schon wieder in China? Nein, das darf nicht sein! Eine Fußball-WM in Katar? Geht gar nicht! Igittigitt! Es wurde und wird in Deutschland viel geschimpft über die Vergabe von Sportveranstaltungen an Länder, deren Machthaber mit Demokratie wenig bis gar nichts am Hut haben. An Länder, deren Klima nur bedingt für die betroffenen Spitzensportler geeignet ist. Genau wie die Münchner vor zwei Jahren haben am Sonntag nun auch die Hamburger Bürger gegen die Bewerbung ihrer Stadt um Olympische Spiele gestimmt. Das ist ebenso nachvollziehbar wie ärgerlich. Natürlich ging nach den Terroranschlägen von Paris die Angst um, dass auch Olympia an der Elbe zum Ziel von Anschlägen werden könnte. Natürlich hat der Dopingskandal um die russischen Leichtathleten ein schlechtes Licht auf eine olympische Kernsportart geworfen. Natürlich leidet der Spitzensport unter den Korruptionsaffären, die ans Licht kommen. Und auch, wenn der aktuellste Skandal aus dem Bereich des Fußball stammt, dürfte die Sommermärchen-Affäre der Sargnagel für Hamburgs Bewerbung gewesen sein. Wie gesagt: Es gibt Gründe, gegen Olympia zu sein. Und dennoch: Alles abzulehnen, was zunächst eine größere Investition erfordert, ist der falsche Weg. So schnell dürfte es keine deutschen Bewerbungen um Olympia oder Fußballturniere mehr geben. Doch soll Deutschland zum Land der Bedenkenträger werden? Darf gar nicht mehr groß gebaut und gedacht werden? Gegen jede Startbahn wird gekämpft, gegen jeden Bahnhof und demnächst, polemisch gesagt, gegen jede Bushaltestelle. Und immer, auch bei Olympia, wird dieses fürchterlich destruktive und zukunftsfeindliche "Es gibt Wichtigeres zu tun"-Argument ins Feld geführt. Doch sich heute zu verweigern, bedeutet eben auch, in der Zukunft nicht mehr vorne dabei zu sein. Anstatt zu beweisen, dass Deutschland es besser machen würde als andere, lässt man es halt sein. Zur Demokratie gehört, eine Mehrheitsentscheidung zu respektieren. Traurig ist sie trotzdem.

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Was sollte angesichts dieser Probleme gemacht werden, um Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen?

Fegebank: Wir müssen sehr schnell sein, weil wir bis Ende nächsten Jahres Flüchtlinge in der Größenordnung der Einwohnerzahl Flensburgs aufnehmen, unterbringen, versorgen, beraten, beschulen, in Arbeit bringen und integrieren müssen. Das sind rund 80.000 Menschen. Das sind etwa 35.000 mehr als in diesem Jahr.

Kann das gelingen? Und wenn ja, wie?

Fegebank : Ich finde, man sollte etwas größer jenseits der Stadtgrenzen denken. Integrationspolitik hört ja nicht am Ortsausgangsschild auf, sondern braucht die Kraft der Region, der Me­tropolregion. Es gibt ja den Trend, dass es die Menschen in die Städte zieht. Hier können sie schneller Kontakte zu anderen Menschen aufnehmen, hier gibt es einen Breitbandanschluss, Ausbildungsperspektiven und Jobmöglichkeiten. Das gibt es so nicht in dünn besiedelten Regionen. Wir haben in der Metropolregion gute Beziehungen im Bereich Wirtschaft und Tourismus. Die Frage ist, ob man mit Stade, Elmshorn, Buxtehude, Pinneberg, Norderstedt oder Ahrensburg auch eine Integrationsregion machen kann.

Das heißt, Flüchtlinge sollen die Ballungsräume ähnlich nutzen wie die Einheimischen.

Fegebank : Richtig. Hier haben wir genau das, was wir jenseits der Unterbringungsmöglichkeiten brauchen: Infrastruktur, Mobilität, Bildungsangebote und Arbeitsmarktintegration. Das ist die Idee einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Das wird neben der Schaffung der Erstaufnahmemöglichkeiten die größte Aufgabe sein, die gesellschaftliche Integration herzustellen.

Was könnte der Anreiz für die Städte sein, das mehr als bisher zu tun?

Fegebank : Nur um das klarzustellen: Mir geht es hier nicht um die kurzfristige Unterbringung. Ich will keine Busse mit Flüchtlingen nach Itzehoe schicken. Mir geht es darum, eine langfristige, gemeinsame Integrationsstrategie zu entwickeln. Mit Blick auf den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel halte ich das für alle für eine sehr bedenkenswerte und interessante Überlegung. Das gilt nicht nur für Hamburg, sondern auch für die mittleren Zentren. Natürlich profitiert man nicht sofort davon, das wird ein paar Jahre dauern. Aber es wird Wachstum und Arbeitsplätze auch für das Umland bedeuten.

Ist vorstellbar, dass der Senat

von dem bisherigen Dogma abrückt,
Schulturnhallen nicht mit Flüchtlingen zu belegen?

Fegebank : Ich sehe nicht, dass wir Schulturnhallen dafür öffnen.

Die Grünen haben sich von kleinen Einheiten bei den Flüchtlingsunterkünften verabschiedet. Können Sie die Vorbehalte gegen Massenunterkünfte verstehen?

Fegebank : Es gibt die Akzeptanzprobleme. Ich finde es wichtig, sich diese anzuhören und die artikulierte Sorge ernst zu nehmen, aber dennoch sehr klar in der Haltung zu sein. Die Zeit spielt gegen uns. Wir sprachen eben darüber, dass zu Weihnachten noch Menschen in Zelten leben werden. Das heißt doch, dass wir noch sehr viel schneller sein müssen mit dem Bau von Erst- und Folgeunterkünften. Gleichzeitig bitte ich um Verständnis, dass der Zeitraum der Beteiligungsverfahren verkürzt wird. Das ist ein schwieriger Balanceakt, weil man eher Akzeptanz erhält, wenn man die Leute frühzeitig mitnimmt.

Für die betroffenen Bürger ist das hart.

Fegebank : Man muss mit den Bürgern darüber diskutieren, wo die Alternativen sind. Ich sehe die nicht. Und deshalb halte ich den Kurs für richtig, der bei uns auch sehr, sehr kontrovers diskutiert wird. Aber hier geht es um Menschen, die ein Dach über dem Kopf brauchen, die eine Lebensperspektive entwickeln müssen.

Eine Alternative wäre, den Zuzug zu begrenzen.

Fegebank : Das funktioniert nur in CSU-Parteitagsreden. In der Realität müssen wir die Fluchtursachen bekämpfen und zu einer fairen Kontingentregel auf europäischer Ebene kommen. Ich setze darauf, dass das gelingt, kann aber nicht darauf warten, sondern muss mit der Situation vor Ort umgehen.

Befürchten Sie eine Klagewelle?

Fegebank : Es stimmt mich natürlich nachdenklich, wenn Bürger den Weg über die Gerichte suchen. Bei allem Verständnis für die Menschen, in deren Nachbarschaft eine Menge passiert, bin ich davon überzeugt, dass unser Weg der richtige ist.

Aber jede Klage ist auch ein gescheiterter Integrationsversuch.

Fegebank : Ich hoffe, dass wir durch die Darstellung der Gesamtsituation, der fortwährenden Dialogbereitschaft und einer guten Präsenz vor Ort für Akzeptanz werben. Da sind Klagen mahnende Beispiele, dass man es an der einen oder anderen Stelle intensiver tun müsste. Wichtig ist auch, dass die Hamburger das Gefühl bekommen, es geht bei der regionalen Verteilung so gerecht zu, wie es möglich ist.

Noch einmal zurück zum Sonntag: Macht Ihnen Politik nach einer solchen Niederlage eigentlich noch Spaß?

Fegebank : Mir macht Politik große Freude, sonst würde ich das nicht tun. Und ich hoffe, dass ich das transportiere, dass ich mit Leidenschaft bei der Sache bin. Aber am Sonntagabend und auch noch am Montag war ich sehr geknickt. Man macht weiter und funktioniert, weil Stunde für Stunde viele Dinge zu entscheiden sind. Es gehört aber auch dazu, dass es nach so einer Entscheidung über eine Sache, für die ich aus Überzeugung gestanden habe, ein paar Tage dauern darf, bis das gesackt ist und man sich gesammelt hat. Zur Politik gehört dazu, dass man mit Niederlagen so umgeht, dass man gestärkt daraus hervorgehen kann.