Das wird aus den Stadtentwicklungsprojekten ohne Olympia
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Wilhelmsburg. Der Kleine Grasbrook ist der größte Verlierer der Olympia-Entscheidung. Die 8000 geplanten Wohnungen werden nicht gebaut.
Hamburgs Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) machte aus ihrem Gefühl keinen Hehl. Bei der Vorstellung des Städtebaukonzepts für das südliche Überseequartier sagte sie am Montag, das Ergebnis des Olympia-Referendums habe sie enttäuscht. Allerdings, und das sei die Kehrseite von Hamburgs Bewerbungskonzept, werde ein Großteil der Stadtentwicklungsprojekte auch ohne Olympische Spiele umgesetzt. Das stimmt im Grundsatz, aber es gibt Ausnahmen. Das Abendblatt zeigt im Folgenden auf, was aus den wichtigsten Stadtentwicklungsprojekten ohne Olympia wird.
Kleiner Grasbrook: Als größter stadtentwicklungspolitischer Verlierer gilt der Kleine Grasbrook. Das Gelände steht jetzt nicht mehr im Fokus der Stadtentwickler. Die 8000 Wohnungen, die dort errichtet werden sollten, werden nicht gebaut. Zudem wird der geplante Vorzeigestadtteil in Sachen Nachhaltigkeit und Inklusion nicht entstehen. So sollten die Gebäude barrierefrei und nach den höchsten energetischen Standards errichtet werden. Der Verband der norddeutschen Wohnungsunternehmen forderte am Montag zwar, die Stadterweiterung auf dem Kleinen Grasbrook trotz des Abstimmungsergebnisses weiter zu planen. Die Wahrscheinlichkeit, Hamburg könnte das Viertel jetzt auf eigene Rechnung entwickeln, liegt aber bei so gut wie null. Mehr als zwei Milliarden Euro für die Entwicklung des Stadtteils und die Verlagerung der Hafenbetriebe sollte das alles kosten. So viel Geld kann die Hansestadt allein nicht aufbringen.
Verlängerung der U 4: Die Verlängerung der U-Bahn (U 4) von den Elbbrücken bis zum Kleinen Grasbrook kommt ebenfalls nicht. Auch die dort geplante Haltestelle wird es nicht geben. Auf absehbare Zeit ist zudem die Diskussion über eine Verlängerung der U-Bahnlinie 4 bis nach Wilhelmsburg oder gar Harburg beendet.
Veddel: Die Veddel wäre durch die Entwicklung des Kleinen Grasbrook über Brücken und Parks eng an die Innenstadt angebunden worden. Das hätte eine Aufwertung ohne Gentrifizierung gebracht, da 1400 der 2300 Wohnungen auf der Veddel der Saga gehören.
Internationale Pressestimmen zum Referendum
Le Monde (Frankreich)
Das ist die zweite Niederlage einer deutschen Olympia-Bewerbung innerhalb von nur zwei Jahren. Zuvor hatten schon die Münchner gegen die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 gestimmt. Im März hatte das Olympische Komitee Hamburg Berlin vorgezogen, weil sie in der Hansestadt mehr Unterstützung erhofften als in der Metropole.
L'Equipe (Frankreich)
Paris hat einen Gegner weniger im Rennen um die Ausrichtung der Olympischen Spiele von 2014. Bleiben nur noch Los Angeles, Rom und Budapest.
Le Figaro.fr (Frankreich)
Das ist eine Schmach für den Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland Alfons Hörmann. Noch vergangene Woche hat er auf den entscheidenden Elan des deutschen Sports auf allen Ebenen beharrt.
La Stampa (Italien)
Rom verliert eine Rivalin für die Spiele 2024. Und es gibt da nichts zu feiern. (...) Vier Städte bleiben im Rennen: Rom, Paris, Los Angeles und Budapest. Und es bleibt die Gewissheit, dass Olympische Spiele im Augenblick nicht all zu sehr geschätzt werden.
La Repubblica (Italien)
Hamburg 2024 ist bei den Bürgern durchgefallen. Es bleiben noch drei Gegner für Rom im Rennen um die Olympischen Spiele 2024.
Corriere della Sera (Italien)
Für Deutschland ist es der zweite ins Leere laufende Olympiaversuch der letzten zwei Jahre.
Lidove noviny (Tschechien)
Für Olympia in London hatte die britische Regierung rund neun Milliarden Euro ausgegeben. Hamburgs Organisatoren rechneten damit, dass ihre Spiele gut zwei Milliarden Euro weniger kosten würden. Die Kritiker des Olympia-Konzepts verwiesen indes darauf, dass das Londoner Budget in einem Punkt um ein Vielfaches höher war, nämlich der Sicherheit. Dabei dürfte ihre Bedeutung nach den Ereignissen von Paris noch erheblich zunehmen.
Hannoversche Allgemeine
Eine der wohlhabendsten Städte des Kontinents traut sich also nicht zu, ein Sportfest für die Welt auszurichten. Es wird nun womöglich wieder in den USA oder gar in einer jener Diktaturen stattfinden, die weder auf ihre Bevölkerung noch auf die Umwelt irgendeine Rücksicht nehmen. Die intelligente, sanfte und die Stadt schonende Planung aus Hamburg kommt hingegen nicht zum Zug. Auch das haben die Wähler gestern mitentschieden. Trotz des fast schon trotzigen Positiv-Votums aus dem kleinen Kiel trägt dieser Sonntagabend eine traurige Botschaft in die Welt: Mit Deutschland ist bei großen, weltumspannenden Sportereignissen erst einmal nicht mehr zu rechen. Wie schade. Wie klein.
Weser Kurier (Bremen)
München wollte nicht, und Hamburg will nun auch nicht. Nach der anfänglichen Euphorie für die Olympia-Bewerbung im Jahr 2024 ist das eine faustdicke Überraschung. Und das Nein ist noch eines: sehr schade. Nicht nur, weil Sport-Deutschland damit das Signal sendet, kein Ort mehr für weltverbindende Sport-Großveranstaltungen sein zu wollen. Nein, schade ist es auch, weil offensichtlich die Terror-Attentate von Paris und das später abgesagte Fußball-Länderspiel gegen die Niederlande ihre Wirkung entfalten konnten. Man könnte auch sagen: Die Terroristen haben auch in Hamburg geschafft, was sie wollten - Angst verbreiten. Die ehemalige Hockey-Nationalspielerin Britta Becker nannte das Votum "ein bisschen mutlos". Ein bisschen? Sicher, der Sport und auch die Politik dürfen sich nach dem Votum auch an die eigene Nase fassen. Ob Fifa-Korruptionsskandal, das angeblich gekaufte Fußball-Sommermärchen, flächendeckendes Doping in der russischen Leichtathletik - nicht gerade Themen, die eine Stimmung der Sportbegeisterung in der Bevölkerung erzeugen können. Und die Politik? Sie trug zur Verunsicherung bei, weil bis zum Ende nicht klar war, welche Kosten denn nun auf die Hamburger zukommen und wie viel der Bund übernehmen würde. Das war dilettantisch vorbereitet, sowohl von Bürgermeister Olaf Scholz als auch von "Sportminister" Thomas de Maizière. Nun denn, die Bürger haben gesprochen. Hamburg wird sein Tor zur Welt nicht aufmachen, und Bremen darf seinen Schlüssel zum Tor nicht umdrehen. Schade, aber immerhin basiert das Nein auf einem Referendum. Wenigstens was.
Landeszeitung (Lüneburg)
Das Referendum war auch eine Abstimmung über die Frage: Passen milliardenteure Großveranstaltungen und Demokratien noch zusammen? Die Antwort: nein. Zumindest passen sie nicht so zusammen, wie es sich die Weltsportverbände, allen voran IOC und FIFA, vorstellen. Von Korruptionsvorwürfen rund um die Vergaben der Groß-Events einmal abgesehen, sorgen die Dreistigkeit und Selbstherrlichkeit der Sportfunktionäre für Olympia-Verdruss. Die Forderung nach Steuerbefreiungen, mit der sich die Verbände wie selbstverständlich über das Gesetz des jeweiligen Landes erheben, und die das Abwälzen der Kostenübernahme auf die veranstaltende Stadt sind da nur zwei Stichworte. So etwas lassen sich die Menschen, die in diesen unruhigen Zeiten andere Themen bewegen, nicht mehr gefallen.
Dithmarscher Landeszeitung (Heide)
Der Zeitpunkt des Referendums war unglücklich. Seit den Attentaten von Paris spielen Sicherheitsbedenken eine viel größere Rolle... Die Megaveranstaltung ist leider gestorben. Aus den Trümmern der Bewerbung lässt sich aber vielleicht noch etwas Brauchbares für den Sport, die Infrastruktur und die Zusammenarbeit von Hamburgern und Schleswig-Holsteinern zusammenbasteln.
Berliner Zeitung
Für den deutschen Sport ist das Ergebnis verheerend. Einmal mehr ist es den Verbänden und ihren Funktionären nicht gelungen, ihrem anspruchsvollen und gewiss auch kostspieligen Vorhaben zu der nötigen demokratischen Legitimation zu verhelfen. Im Falle Hamburgs mögen die Gründe vielfältig sein. Die weiterhin als große Belastung empfundene Flüchtlingssituation und die akute Terrorgefahr haben den Stimmungspegel zuletzt nicht in Richtung Olympia ausschlagen lassen. Am Ende haben es die Olympia-Befürworte nicht vermocht, die Befürchtungen der Skeptiker zu zerstreuen. Ein olympisches Sommermärchen wird es nicht geben. Nicht in Hamburg, und auf absehbare Zeit wohl auch in keiner anderen deutschen Stadt.
Stuttgarter Nachrichten
Allen optimistischen Prognosen zum Trotz: Hamburgs Bürger haben den olympischen Traum in der Elbe versenkt. Aus und vorbei. Das ist schade, aber kein Weltuntergang. Und der Sport wäre ein schlechter Verlierer, würde er die Ursachen seines Scheiterns nicht in erster Linie bei sich selbst suchen. Natürlich drückt der Flüchtlingsstrom auf die Stimmung, die Terroranschläge von Paris schüren diffuse Ängste. Aber das eindeutige Nein der Hansestadt zu einer Olympia-Bewerbung hat tieferliegende Gründe. Die Welt des Spitzensports hat zunehmend Probleme, sich zu legitimieren.
Rheinische Post (Düsseldorf)
Hamburg will Olympia nicht. Es gab reichlich gute Gründe, der Bewerbung um die Spiele 2024 ablehnend gegenüberzustehen: die Milliardenkosten, die wachsende Terrorgefahr, die Ungewissheit angesichts der Flüchtlingsproblematik, die Korruption bei großen Sportverbänden, dazu die speziellen Hamburger Erfahrungen mit dem Großprojekt Elbphilharmonie. Alles richtig, aber alles zu kurz gedacht. Die Bürger haben es verpasst, ein Zeichen für Optimismus und Schaffenskraft zu setzen. Von einer kraftvollen Bewerbung hätten Impulse ausgehen können, die ins ganze Land hätten ausstrahlen können - und zwar weit über den Sport hinaus. Olympia hätte ein Leuchtturm-Projekt für Deutschland werden können, so wie es London 2012 in Großbritannien war. Auf absehbare Zeit wird es keine deutsche Bewerbung mehr geben können, nachdem die Bayern vor zwei Jahren einen Anlauf auf die Winterspiele 2022 gestoppt haben. Dabei wäre damals eine Kandidatur angesichts der schwachen internationalen Konkurrenz wie ein Elfmeter ohne Torwart gewesen. In Sachen Olympia ist Deutschland zu zaghaft. Schade.
Westfalen Post (Hagen)
Es ist ein Nein. Die Bürger in Hamburg wollen die Olympischen Spiele 2024 nicht. Es ist ein Nein zu den Chancen, denn die hatte es ja auch gegeben: Stadtentwicklung zum Vorzugstarif zum Beispiel. Aber die Menschen wollen es nicht. Nicht die Baustellen, nicht die Umstände, nicht die Kosten. Hamburg liegt damit auf einer Linie mit München, das hinsichtlich der Winterspiele 2022 schon dankend abgelehnt hatte. Das bedeutet: Die Menschen in Deutschland sehen es nicht mehr ein, warum Milliarden ausgegeben werden sollten für ein zweiwöchiges Sport-Ereignis, wenn Geld überall sonst fehlt: Bei der Bildung, bei der Integration, in der Infrastruktur. Wer will es den Menschen verdenken? Gerade in einer Zeit, in der so deutlich wie nie zu Tage tritt, wie intransparent, gierig und schmierig der Sport, seine Verbände und Organisationen sein können. Es ist ein kluges Nein dem unkalkulierbaren Milliarden-Wahnsinn in unübersichtlichen Zeiten. Aber es ist damit indirekt auch ein Nein dem Sport. Denn Deutschland wird eine Großveranstaltung dieser Art in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr aus nächster Nähe zu Gesicht bekommen. Für die Förderung des Sports und seine Vielfalt in Deutschland war das Hamburger Referendum eine Niederlage.
Schwäbische Zeitung (Ravensburg)
Olympische Winterspiele in Peking? Schon wieder in China? Nein, das darf nicht sein! Eine Fußball-WM in Katar? Geht gar nicht! Igittigitt! Es wurde und wird in Deutschland viel geschimpft über die Vergabe von Sportveranstaltungen an Länder, deren Machthaber mit Demokratie wenig bis gar nichts am Hut haben. An Länder, deren Klima nur bedingt für die betroffenen Spitzensportler geeignet ist. Genau wie die Münchner vor zwei Jahren haben am Sonntag nun auch die Hamburger Bürger gegen die Bewerbung ihrer Stadt um Olympische Spiele gestimmt. Das ist ebenso nachvollziehbar wie ärgerlich. Natürlich ging nach den Terroranschlägen von Paris die Angst um, dass auch Olympia an der Elbe zum Ziel von Anschlägen werden könnte. Natürlich hat der Dopingskandal um die russischen Leichtathleten ein schlechtes Licht auf eine olympische Kernsportart geworfen. Natürlich leidet der Spitzensport unter den Korruptionsaffären, die ans Licht kommen. Und auch, wenn der aktuellste Skandal aus dem Bereich des Fußball stammt, dürfte die Sommermärchen-Affäre der Sargnagel für Hamburgs Bewerbung gewesen sein. Wie gesagt: Es gibt Gründe, gegen Olympia zu sein. Und dennoch: Alles abzulehnen, was zunächst eine größere Investition erfordert, ist der falsche Weg. So schnell dürfte es keine deutschen Bewerbungen um Olympia oder Fußballturniere mehr geben. Doch soll Deutschland zum Land der Bedenkenträger werden? Darf gar nicht mehr groß gebaut und gedacht werden? Gegen jede Startbahn wird gekämpft, gegen jeden Bahnhof und demnächst, polemisch gesagt, gegen jede Bushaltestelle. Und immer, auch bei Olympia, wird dieses fürchterlich destruktive und zukunftsfeindliche "Es gibt Wichtigeres zu tun"-Argument ins Feld geführt. Doch sich heute zu verweigern, bedeutet eben auch, in der Zukunft nicht mehr vorne dabei zu sein. Anstatt zu beweisen, dass Deutschland es besser machen würde als andere, lässt man es halt sein. Zur Demokratie gehört, eine Mehrheitsentscheidung zu respektieren. Traurig ist sie trotzdem.
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HafenCity: Die Entwicklung der HafenCity wird durch das Aus von Hamburgs Olympia-Bewerbung kaum berührt. Bau und Gestaltung des östlichen Teils verlaufen wie ursprünglich geplant. Auch beim Elbtorquartier gibt es keine Veränderungen. Die Planer gehen davon aus, dass der Stadtteil zu Beginn des kommenden Jahrzehnts fertig sein wird. Unbeeinflusst vom Olympia-Aus sind auch der Bau der U- und S-Bahnstation Elbbrücken sowie die Erneuerung der Freihafenelbbrücke.
Wilhelmsburg: Die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße erfolgt wie geplant. Die dadurch frei werdenden Flächen sollen für den Bau von bis zu 2000 Wohnungen genutzt werden. Außerdem wird die Lärmbelästigung für viele Anwohner der Verkehrsstraße deutlich reduziert. Die Realisierung der Autobahn 26 Ost steht ebenfalls nicht zur Debatte.
Hamburger Osten: Die Entwicklung des Ostens der Hansestadt ist von dem Aus der Olympia-Bewerbung kaum berührt. Bis zu 20.000 Wohnungen sollen in dem Areal, das vom Hauptbahnhof bis nach Mümmelmannsberg reicht, innerhalb der kommenden zehn Jahre errichtet werden. In den Zentren von Billstedt, Horn und Mümmelmannsberg sind private und öffentliche Investitionen in Bildungs- und Kultureinrichtungen geplant.
Olympia-Referendum: Der Tag der Entscheidung
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Rothenburgsort: Die Entwicklung des Kleinen Grasbrooks wäre sicher auch ein Impuls für Rothenburgsort gewesen. An den Planungen ändert sich allerdings nichts. Rothenburgsort spielt bei der Entwicklung des Hamburger Ostens eine wichtige Rolle. Bis zu 3000 Wohnungen und kleinteiliges Gewerbe sollen hier entstehen.
Erneuerung U- und S-Bahnhöfe: Viele kleinere Baumaßnahmen an U- und S-Bahnhöfen der Stadt fallen nun weg. Dazu gehören der Umbau des U-Bahnhofs Sternschanze, der Bau eines zusätzlichen Ausgangs an der U-Bahnstation Rathaus und die Errichtung eines zusätzlichen Aufzugs an der U-Bahn-station Stephansplatz. Auch eine Fährverbindung zwischen den Landungsbrücken und dem Kleinen Grasbrook ist nun nicht mehr notwendig.
Eisen- und Schnellbahn: Während im Bahnhof Harburg auf den Bau von zusätzlichen Gleisen jetzt verzichtet wird, bleiben der barrierefreie Ausbau der S-Bahnstation Berliner Tor und der Neubau der S-Bahnstrecke 4 als Vorhaben bestehen. Auch der Neubau des Bahnhofs Altona kommt wie geplant.
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