Hamburg. Senat verbreitet nach Einigung mit der EU Optimismus, doch ein Hamburger Wirtschaftsprofessor bleibt äußerst skeptisch.
Ausflüge in auch nur bescheiden fantasievolle sprachliche Bilder erlaubt sich der Vernunftpolitiker Olaf Scholz (SPD) nur selten. Am gestrigen Dienstag war so ein Moment, vielleicht beflügelt die nach wie vor prekäre Lage der HSH Nordbank mit ihrer skandalösen Vorgeschichte die Einbildungskraft des Bürgermeisters.
„Ich habe bei meinem Amtsantritt 2011 zwei Gespenster im Rathaus vorgefunden: die Elbphilharmonie und die HSH Nordbank. Beide sind jetzt eingesperrt“, sagte Scholz mit einem verschmitzten Lächeln. Was allerdings auch heißt: Mindestens für die HSH Nordbank, die zu 85 Prozent im Besitz der beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein ist, ist der Albtraum noch nicht vorüber.
Aber eigentlich wollten Scholz und Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) nach der Eckpunkteeinigung mit EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager über die Zukunft der Bank am Montag in Brüssel Optimismus verbreiten. Bis 2018 müssen die Länder die Bank, die derzeit allein rund 15 Milliarden Euro an faulen Schiffskrediten in ihren Büchern hat, privatisieren, also vermutlich an eine andere Bank verkaufen.
Damit die HSH Nordbank attraktiv für eine Übernahme wird, darf sie acht Milliarden Euro der faulen Kredite „verkaufen“. Papiere im Buchwert von bis zu 6,2 Milliarden Euro übernehmen Hamburg und Schleswig-Holstein. Der Rest soll an den Markt gebracht werden. Die Differenz zwischen Buch- und Marktwert müssen wieder die Eigentümer-Länder ausgleichen.
Schließlich vereinbarten Scholz, Tschentscher und ihre schleswig-holsteinischen Amtskollegen mit der EU-Kommission eine Absenkung der Gebühr, die die Bank den Ländern jährlich für die Gewährung des Risikoschirms zahlen muss. Statt 400 Millionen Euro werden es künftig nur noch 100 Millionen Euro sein. Im Gegenzug erlaubt die EU-Kommission den Ländern die Wiedererhöhung des Garantierahmens von sieben auf zehn Milliarden Euro.
„Von den Optionen, die wir haben, ist diese die beste. Sie begrenzt ein Stück weit den maximalen Vermögensschaden, den wir erleiden könnten, wenn wir jetzt keine Lösung finden würden“, sagte Tschentscher. Die Alternative wäre die Abwicklung, also das Aus für die Bank zum jetzigen Zeitpunkt gewesen. „Bei einer Abwicklung jetzt wären wir bei einer Belastung von weit über zehn Milliarden Euro für die Länder gelandet. Und wir hoffen, dass wir mit der jetzigen Regelung deutlich darunter liegen werden.“
„Das ist ein sehr konstruktives Ergebnis. Die Bank hat jetzt einen Pfad in die Zukunft, den sie beschreiten kann“, sagte auch Olaf Scholz. Die gescheiterte expansive Politik werde auch weiterhin ihren Niederschlag in den Haushalten beider Länder finden. „Aber in der Vergangenheit mussten wir uns bedroht fühlen hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit unserer Länder. Jetzt müssen wir uns nur noch ärgern.“ Tschentscher gab sich optimistisch, einen Käufer zu finden: „Für die Belegschaft ist die Lösung zunächst eine gute Nachricht. Gleichwohl muss die Bank ihre Kostenstrukturen optimieren.“ Das klingt nach weiterem Abbau der 2500 Mitarbeiter. Über den künftigen Standort der Bank mit Sitz in Kiel und Hamburg müsse ein möglicher Käufer entscheiden. „Ich halte Hamburg für einen guten Standort für eine Bank, die sich im Bereich Schiffsfinanzierung engagiert.“
Bankexperten sind deutlich skeptischer. „Die Eigner und die Bank gewinnen nur Zeit und hoffen auf bessere Zeiten für die schlechten Schuldner. Ob die Bank tatsächlich einen neuen Eigentümer findet, ist ungewiss.“ So fasste der Hamburger Bankenexperte Karl-Werner Hansmann, ein emeritierter Wirtschaftsprofessor der Universität Hamburg, die Ergebnisse zusammen. Die Bank werde durch die Übernahme der faulen Kredite durch die Länder entlastet. „Erst dadurch gewinnt die Bank mehr Freiheiten am Markt, weil sie wieder neue Kredite vergeben kann“, sagte Hansmann. Aber die Bank bewege sich mit der Immobilien- und Firmenfinanzierung in einem sehr wettbewerbsintensiven Markt.
Nach Einschätzung von Hansmann ist die Abwicklung der Bank noch nicht vom Tisch. „Eine andere Landesbank sehe ich nicht als Käufer“, sagte er, und ein Börsengang sei mit vielen Risiken verbunden. Ob sich ein internationaler Investor findet, sei ungewiss. „Denn man muss auch sehen, dass die Bank durch die Entscheidungen der EU schon bisher sehr eingeschränkt in ihrer Geschäftstätigkeit ist.“ Das setze auch Grenzen bei der wirtschaftlichen Erholung. Wie teuer die ausgelagerten faulen Kredite werden, hänge von der Entwicklung in der Schifffahrt in den nächsten drei bis vier Jahren ab. „Man hofft, dass der Markt nach oben geht und die Schuldner wieder für Zins und Tilgung aufkommen können.“ Da ein Teil der faulen Kredite auch bei der HSH verbleibe, hänge von der Schifffahrt nach wie vor viel für die Bank ab.
„Die vorläufige Verständigung mit der EU-Kommission bringt mehr Klarheit für die Zukunft der HSH Nordbank“, sagte Dirck Süß, Chefvolkswirt der Handelskammer. Seriöserweise könne man eine Bilanz erst nach einigen Jahren ziehen.