Hamburg. Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan verlangt in einem Brief Aufklärung und bringt „rigorose Maßnahmen“ ins Spiel.
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat einen Brandbrief an die Unternehmensvorstände der großen deutschen Automobilhersteller geschrieben. Darin fordert er angesichts des VW-Abgas-Skandals rasche Aufklärung über die Emissionen ihrer Fahrzeuge – und droht mit verkehrsbeschränkenden Maßnahmen, falls die Unternehmen nicht kooperieren.
„Mit wachsender Besorgnis habe ich die Berichte über Manipulationen bei Abgastests von Dieselfahrzeugen in den USA zur Kenntnis genommen“, heißt es in dem Schreiben, das an die Vorstände von Audi, BMW, Daimler, Ford, Opel, Porsche und VW verschickt wurde und dem Abendblatt vorliegt. Als Umweltsenator habe er „Maßnahmen zu ergreifen, um die Luftbelastung mit Schadstoffen aus Gründen des Klima- und Gesundheitsschutzes wirksam zu minimieren“, so Kerstan. „Hier stehen nicht zuletzt die von Dieselfahrzeugen ausgehenden Stickstoffoxide (NOx) im Fokus der Betrachtung. Leider muss ich feststellen, dass die Emissionen von NOx aus dem Verkehrsbereich in Hamburg auf einem unverträglich hohen Niveau geblieben sind.“
Rückrufaktionen in der Autobranche
Daher wende er sich mich mit „folgenden einfachen, aber dringenden Bitten“ an die Unternehmen, schreibt Kerstan : „Bitte bestätigen Sie mir, dass die von Ihnen produzierten und vertriebenen Fahrzeuge nicht nur im vorgeschriebenen Testzyklus, sondern auch im realen Fahrbetrieb die gesetzlich normierten Grenzwerte einhalten. Wenn dies auch bei spritsparender Fahrweise nicht der Fall sein sollte, muss ich Sie dringend auffordern, einen verbindlichen Zeitplan zur Heilung dieser Grenzwertverfehlungen aufzuzeigen.“
Zudem sollten die Firmen-Vorstände bestätigen, „dass in den in Deutschland zirkulierenden Fahrzeugen keinerlei Vorrichtungen enthalten sind, die eine Abschaltung von Emissionsminderungstechnik entweder automatisch per Software oder manuell-manipulativ erlauben“, so Kerstan. Sofern solche „Einrichtungen hier Anwendung gefunden haben, muss ich Sie dringend auffordern, entsprechende Fahrzeuge sofort zurückzurufen, um diese Mängel zu beheben“.
Hamburg stehe vor der Aufgabe, seinen Luftreinhalteplan fortzuschreiben, so Kerstan auch mit Blick auf das laufende EU-Verfahren gegen Deutschland und Hamburg wegen jahrelanger Überschreitung der Grenzwerte bei den giftigen Stickoxiden. „Ihre Antworten stellen für mich eine entscheidende Grundlage für die Festlegung der Maßnahmen dar, die erforderlich sind, damit die Luftverschmutzung durch verkehrsbedingte Emissionen auf das ge- setzlich zulässige Maß zurückgeführt werden kann.“
Dieser Satz lässt sich getrost als Drohung lesen – nach dem Motto: Wenn die Autofirmen sich nicht an Normen und Absprachen halten, muss Hamburg eben andere Maßnahmen ergreifen, um seine Luftqualität zu verbessern. Diskutiert werden dabei seit Jahren eine Umweltzone, eine City-Maut oder partielle Fahrverbote.
Noch deutlicher wird Kerstan mit Blick auf die Olympiabewerbung der Hansestadt. Im Rahmen der Bewerbung fordere das Internationale Olympische Komitee (IOC) „von den Bewerberstädten detaillierte Informationen zur Einhaltung der Luftqualität“, so Kerstan. Dabei nehme das IOC Bezug auf die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation, „die – wie Sie sicherlich wissen – noch strenger sind, als die derzeit geltende Rechtssetzung der EU dies erfordert“, schreibt der Umweltsenator. „Es wäre daher sicher in unserem gemeinsamen Interesse, wenn Hamburg sich nicht gezwungen sehen müsste, zu sehr rigorosen ordnungspolitischen Maßnahmen greifen zu müssen, um im Olympiajahr 2024 glaubhaft eine deutliche Verbesserung der Schadstoffwerte zu erreichen.“
Sollten die Autohersteller nicht zügig reagieren, will die Umweltbehörde sich nicht nur in Hamburg, sondern auch bundesweit für ein schärferes Vorgehen einsetzen. „Wir bereiten zur Umweltministerkonferenz im November einen Antrag zum Thema vor“, sagte Kerstan am Freitag.