Prag/Madrid/Wolfsburg. Die Entwicklungschefs der beiden Volkswagen-Töchter und der VW-US-Chef müssen gehen. Auch Autos in Europa von Manipulationen betroffen.

Von den Problemen mit manipulierten Abgaswerten bei VW sind neben Audi weitere Konzerntöchter betroffen. Innerhalb des Konzerns teilen sich die Unternehmen etliche Bauteile, darunter auch Motoren und Getriebe. Ein Sprecher der Volkswagentochter Skoda bestätigte am Donnerstag, dass der enstprechende Dieselmotor vom Typ EA 189 auch bei Skoda verbaut worden sei. Bei aktuellen Modellen gebe es aber keine Probleme.

Skoda hat nach eigenen Angaben in Deutschland einen Marktanteil von knapp 6 Prozent. Das Verkehrsministerium in Prag hat eine Untersuchung eingeleitet und will bei einer eventuellen Rückrufaktion behilflich sein, wie ein Sprecher mitteilte. Der VW-Konzern hatte eingeräumt, dass es bei Abgastests von Diesel-Fahrzeugen in den Vereinigten Staaten zu Manipulationen gekommen war.

Skoda-Chef Winfried Vahland wird neben anderen als möglicher Nachfolger des zurückgetretenen VW-Chefs Martin Winterkorn gehandelt. Der 58-Jährige steht seit 2010 an der Spitze des Autobauers aus Mlada Boleslav und war zuvor fünf Jahre lang für Volkswagen in China tätig.

Auch Seat bestätigte am Donnerstag, dass in dem Werk der spanischen VW-Tochter Fahrzeuge mit der manipulierten Diesel-Technologie montiert worden seien. Die genaue Zahl sei nicht bekannt, verlautete aus Unternehmenskreisen. Eine Untersuchung solle nähere Aufschlüsse bringen.

Die spanische Zeitung „El País“ (Donnerstag) berichtet, dass seit 2009 bei Seat eine halbe Million Autos mit der manipulierten Abgas-Technologie montiert worden seien. Als Quelle wurden inoffizielle Kreise genannt, die mit dem Unternehmen in Verbindung stünden.

Porsche-Chef Matthias Müller soll wohl neuer VW-Chef werden

Porsche-Chef Matthias Müller soll einem Insider zufolge neuer Konzernchef von Volkswagen werden. Der 62-Jährige habe eine Mehrheit im Aufsichtsrat, sagte eine mit den Beratungen vertraute Person. Müller soll offiziell auf der Aufsichtsratssitzung am Freitag präsentiert werden. Einige der wichtigsten Manager müssen jedoch ebenfalls Insidern zufolge den Konzern verlassen. Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg, Porsche-Entwicklungschef Wolfgang Hatz sowie VW-US-Chef Michael Horn müssten ihre Posten räumen, hieß es. Volkswagen lehnte eine Stellungnahme ab. Hackenberg war 2007 zusammen mit Winterkorn von Audi nach Wolfsburg gewechselt.

Auch Europa betroffen

Von den Manipulationen bei Abgasmessungen an Dieselautos bei Volkswagen sind auch Fahrzeuge in Europa betroffen. Das sei der von ihm eingesetzten Untersuchungskommission am Mittwoch bei ersten Gesprächen in Wolfsburg mitgeteilt worden, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Donnerstag in Berlin. Um wie viele Autos es genau gehe, stehe noch nicht fest. „Das wird sich in den nächsten Tagen klären.“

Was Autofahrer zum Diesel-Gate wissen müssen

Dobrindt sagte: „Wir werden deswegen auch weiterhin intensiv daran arbeiten, gemeinsam mit Volkswagen genau herauszufinden, um welche Fahrzeuge es sich im Detail handelt, um auch die Öffentlichkeit weiter darüber zu informieren.“ Seinen Angaben zufolge geht es um Fahrzeuge mit 1,6- und 2-Liter-Dieselmotoren.

VW arbeitet unter Hochdruck an Liste

Nach dem Bekanntwerden des Skandals in den USA hatte Volkswagen bereits mitgeteilt, dass weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen seien. VW hat die Autos mit einer Software so manipuliert, dass sie bei Tests deutlich weniger gesundheitsschädliche Stickoxide ausstießen als tatsächlich auf der Straße.

Bekannt ist bereits, dass auch vier Modellreihen der Tochter Audi unter die Lupe genommen werden. Der fragliche Motor vom Typ EA 189 sei auch in Fahrzeugen der Modellreihen A1, A3, A4 und A6 verbaut worden, sagte ein Audi-Sprecher am Donnerstag in Ingolstadt. Die genauen Baujahre und die Anzahl der Fahrzeuge könnten aber noch nicht genannt werden. Ob die Autos von den Software-Manipulationen betroffen seien, könne er ebenfalls noch nicht sagen.

Auch der Volkswagen-Konzern bereitet unter Hochdruck eine Liste der von der Abgas-Affäre betroffenen Dieselwagen vor. „Wir arbeiten daran, können aber noch nicht sagen, wann sie veröffentlicht wird“, sagte ein VW-Sprecher der Deutschen-Presse-Agentur.

VW kündigt weitere personelle Konsequenzen an

Konzernchef Martin Winterkorn gab wegen der Affäre am Mittwoch seinen Rücktritt bekannt. Er übernehme die Verantwortung „im Interesse des Unternehmens“, obwohl er sich „keines Fehlverhaltens bewusst“ sei.

Insidern zufolge wird der VW-Aufsichtsrat am Freitag weitere Personalentscheidungen im Abgasskandal verkünden. "Es wird in den nächsten Tagen weitere personelle Konsequenzen geben, wir verlangen auch die Konsequenzen", sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies im Bayerischen Rundfunk.

Leitartikel: Bei VW ist ein Neuanfang geboten

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil antwortet im ARD-Morgenmagazin auf die Frage, ob es wirklich glaubwürdig sei, dass Winterkorn nichts von den Abgas-Manipulationen gewusst habe. "Für mich ist es glaubwürdig, für die anderen Mitglieder des Präsidiums war es das auch", sagt Weil, der Mitglied im Präsidium des VW-Aufsichtsrats ist.

Italien und Frankreich gehen Diesel-Gate nach

Derweil prüft VW nach eigenen Angaben nun auch, ob in Italien verkaufte Dieselautos ebenfalls die in den USA aufgefallene Manipulations-Software an Bord hatten.

In Frankreich gibt es indes nach den Worten von Wirtschaftsminister Emmanuel Macron derzeit keine Hinweise dazu, dass andere Autobauer die gleiche Software benutzt haben wie Volkswagen. "Wir werden sehr schnell und sehr fordernd auf unsere Autobauer zugehen", sagte Macron am Donnerstag in London. "Zurzeit scheint es extrem auf Volkswagen begrenzt zu sein."

Untersuchungen auch in Australien

In Australien leitete die Verbraucherschutz- und Wettbewerbsbehörde eine Untersuchung ein. Nach Medienberichten vom Donnerstag will die Australian Competition and Consumer Commission (ACCC) herausfinden, ob Volkswagen die Besitzer von Dieselautos über die tatsächliche Abgasmenge ihrer Fahrzeuge getäuscht oder in die Irre geführt hat.

Schätzungen zufolge habe der deutsche Hersteller seit 2009 rund 50.000 Dieselautos in Australien verkauft, hieß es. Es sei aber noch nicht klar, ob diese Wagen mit der in die Kritik geratenen Software zur Manipulierung des Schadstoffausstoßes ausgestattet seien.