Hamburg . Der Hamburger Senat fordert jeden Bezirk auf, acht Hektar Fläche für den Bau zusätzlicher Wohnhäuser zu melden.
Hamburg wird angesichts des anhaltenden Zustroms von Flüchtlingenden Bau von Wohnungen deutlich erhöhen. „Wir sind fest entschlossen, den Wohnungsbau stark nach oben zu fahren“, sagte der Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Andreas Dressel, am Freitag dem Hamburger Abendblatt. Wie es in der rot-grünen Koalition heißt, sollen die Bezirke jetzt Flächen für jeweils 800 zusätzliche Wohneinheiten ausweisen. Ziel sei es, die Bebauung so rasch zu vergeben, dass die Wohnungen spätestens zum vierten Quartal 2016 bezugsfertig sein könnten.
Erfüllen die Bezirke den Auftrag, würde das den Bau von weiteren 5600 Wohnungen in der Hansestadt und damit de facto eine Verdopplung der im Bündnis für das Wohnen vereinbarten Bauzahlen bedeuten. Der Sprecher der Baubehörde, Magnus-Sebastian Kutz, wollte am Freitag die Zahl der geforderten Wohnungen nicht bestätigten. „Die Behörde hat alle Bezirke um Vorschläge für Flächen gebeten“, sagte Kutz. „Über das Konzept soll noch im vierten Quartal entschieden werden.“
Nach Informationen des Abendblatts wurde jeder Bezirk aufgefordert, der Baubehörde insgesamt acht Hektar Fläche zu melden. Dann werde die Behörde prüfen, ob es Altlasten gebe, wem die Fläche gehöre und was auf ihr gebaut werden könne: normale oder Reihenhäuser. Zudem hieß es, dass es sich zunächst um eine „einmalige Anforderung“ an die Bezirke handele. Ferner prüft die Baubehörde, wie man Flüchtlingsunterkünfte so errichten kann, dass diese dauerhaft als Wohnungen dienen können.
Flüchtlinge: Impressionen aus Hamburg und Europa
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Unterdessen erklärte Saga-Vorstand Thomas Krebs, dass sein Unternehmen in der Lage sei, mittelfristig jährlich bis zu 1000 Sozialwohnungen zusätzlich zu errichten. Denkbar wären Geschosswohnungsbau und Eigenheime. „Wenn es gelingt, Grundstücke zu bekommen und das Baurecht zu vereinfachen, werden wir mehr bauen“, so Krebs. „Erstrebenswert wären 1000 zusätzliche Wohnungen, und es scheitert nicht an unseren Ressourcen.“
Beim Bündnis für das Wohnen wurde der Bau von 6000 Einheiten vereinbart
Im Bündnis für das Wohnen, das Hamburg mit der Wohnungswirtschaft geschlossen hat, ist bislang der Bau von jährlich 6000 Wohnungen, davon 1000 von der Saga, verabredet. Gegenwärtig laufen hinter den Kulissen Gespräche, wie angesichts der hohen Flüchtlingszahlen die Zahl neuer Wohnungen erhöht werden kann. Nach Informationen des Abendblatts möchte die Wohnungswirtschaft allerdings die Festlegung neuer Zielzahlen vermeiden. Auch Behördensprecher Kutz sagte am Freitag: „Es gibt keine neuen Zielzahlen für den Wohnungsbau.“
Die Wohnungswirtschaft fordert zudem seit Längerem eine Entschlackung der Bauvorschriften. Krebs verwies am Freitag beispielsweise auf die hohen und teuren energetischen Anforderungen beim Neubau. Nach den Worten von SPD-Fraktionschef Dressel will der Bund Planungserleichterungen beschließen. Demnach sollen die Vorschriften des Bau- und Vergaberechts, aber auch Regelungen zur energetischen Bauweise so gelockert werden, dass zügiger gebaut werden kann. Auch sollen künftig in allen Plangebieten Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden können, sodass Klagen wie die von Anwohnern an den Sophienterrassen nicht mehr möglich sind.
Das Prinzip ist klar: Statt in Containern oder Zelten sollen Flüchtlinge vornehmlich in Wohnungen untergebracht werden. Diese Wohnungen sollen später zum normalen Bestandteil des Hamburger Wohnungsmarkts werden. Das sieht Saga-Vorstand Krebs ähnlich. „Es ist klug, jetzt nicht nur Provisorien zu bauen, sondern Geschosswohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Saga-Vorstandssprecher Lutz Basse brachte auch Kleingartenflächen ins Gespräch: „Wir sollten auf Kleingärten schauen. Das sind auch Häuser.“
Das Thema Flüchtlingsunterbringung wird heute ein Thema auf einem SPD-Parteitag sein. „Wir stellen uns der Herausforderung, beim Wohnungsbau noch eine deutliche Schippe draufzulegen, um die von uns bereits erfolgreich erreichte Zielzahl von 6000 neuen Wohneinheiten noch einmal Schritt für Schritt deutlich zu steigern – auch damit die Flüchtlinge nicht jahrzehntelang in Unterkünften wohnen müssen“, heißt es dazu im Leitantrag des SPD-Landesvorstands. Für Flüchtlinge solle und müsse kurzfristig zusätzlicher Wohnraum in größerem Umfang geschaffen werden, heißt es in dem Antrag weiter. „Hierbei wird uns die angestrebte Baurechtsvereinfachung des Bundes helfen. Außerdem ist eine wesentlich offensivere Flächenpolitik des Landesbetriebs Immobilien und Grundvermögen notwendig.“
In Hummelsbüttel und Poppenbüttel sind Flächen vorgesehen
Nach den Worten von Anja Quast, Chefin der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung Wandsbek, plant der Senat, Investoren zu gewinnen, die öffentlich geförderte Wohnungen bauen und diese für einen bestimmten Zeitraum für dringend Wohnungssuchende zur Verfügung stellen.
Sollte der Bau zusätzlicher Wohnungen im kommenden Jahr gestartet werden, bedeutet das, dass keine Bebauungspläne gemacht werden könnten. Genehmigt werden müsste nach Paragraf 34 des Baugesetzbuchs oder nach Polizeirecht mit einem nachgeschobenen Bebauungsplanverfahren. Die Innenbehörde prüft derzeit beide Varianten. Bei beiden entfiele de facto die Bürgerbeteiligung. „Es geht nicht anders, wenn wir helfen wollen“, sagen Quast und Wandsbeks Grünen-Fraktionschef Dennis Paustian-Döscher.
Wandsbek hat unterdessen gegen den Widerstand der CDU vier Flächen für zusätzlichen Wohnungsbau vorgeschlagen: in Hummelsbüttel zwischen Rehagen, Högenredder und Poppenbütteler Weg für 300 Wohneinheiten und in Hummelsbüttel nördlich der Glashütter Landstraße für ebenfalls 300 Wohneinheiten. Für Nachverdichtung laufen Planungen in Jenfeld auf dem Gelände des früheren Pflegeheims Holstenhof (Elfsaal), wo zu geplanten 136 Wohnungen 70 hinzukommen sollen, und auf der Fläche am Poppenbütteler Berg. Dort kämen zu den vorgesehenen 170 Sozialwohnungen 130 dazu.
„Wir haben alle Wandsbeker Flächen, die sich im Eigentum der Stadt befinden, auf ihre Eignung für Wohnungsbau hin überprüft“, sagte Quast. Bei der Auswahl spielten die Erschließung, die soziale Infrastruktur, Ökologie, Lage im Sozialraum und die schnelle Verwertbarkeit eine Rolle. Insgesamt 27 Flächen wurden betrachtet.
Der stadtplanungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Philip Buse, sprach von „einer Mischung aus blindem Aktionismus, ideologischer Verbohrtheit und handwerklichen Fehlern“. Er warnte vor Schnellschüssen, „die dann die nächsten 60 Jahre buchstäblich in Stein gemeißelt stehen“. Auch wäre es angesichts der Auswahl an Grundstücken möglich, die 800 Einheiten auf viele Standorte zu verteilen.
In Bergedorf ist nach Informationen des Abendblatts die Planung für 800 Wohneinheiten auf einer zusammenhängenden Fläche weit fortgeschritten. Die städtische Gesellschaft „Fördern & Wohnen“ berate die Bauherren intensiv. „Wir wollen sicherstellen, dass der Zuschnitt und die Ausstattung passend für die Belegung mit Flüchtlingen ist“, heißt es aus der Leitung von „Fördern & Wohnen“.
Im Senat wird bis Jahresende mit der Fertigstellung von rund 5000 Plätzen in Folgeunterkünften kalkuliert. Dazu gehören Modulcontainer mit gefliesten Sanitärbereichen und Heizung. Diese sind durch die große Nachfrage jedoch immer schwerer zu beschaffen.
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