Hamburg. In der Hamburger Zentrale soll rund jede sechste Stelle wegfallen. Kündigungen sind möglich. Umsätze und Gewinne sinken weiter.
Es läuft schon länger nicht rund bei dem einstmals erfolgsverwöhnten Hamburger Kaffeeröster Tchibo. Seit 2008 wurde die Zahl der damals 1000 Filialen auf 700 reduziert, Gewinn und Umsatz sind gesunken. Zu seiner alten Stärke konnte das Unternehmen nicht wieder finden. Im vergangenen Jahr sackte der Umsatz von 3,8 Milliarden auf 3,3 Milliarden Euro. Und auch der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) ging von 220 Millionen auf 191 Millionen Euro zurück.
Jetzt ziehen die Tchibo-Miteigner Michael und Wolfgang Herz offensichtlich die Notbremse – und zwar bei den Kosten. Bis zu 350 der gut 2000 Mitarbeiter in der Hamburger Konzernzentrale müssen im Rahmen des Rationalisierungsprogramms mit dem blumigen Namen „Fit for Growth“ (Fit für Wachstum) bis 2017 das Unternehmen verlassen. Zwar soll der Abbau sozialverträglich stattfinden, aber Kündigungen sind dennoch nicht ausgeschlossen, hieß es vom Unternehmen. Insgesamt beschäftigt der Kaffeeröster rund 12.500 Mitarbeiter.
Mit dem geplanten Aderlass beim Personal und einem Umbau der Strukturen wollen die Tchibo-Eigentümer Kosten in Höhe von 100 Millionen Euro einsparen. Die Geschäftsführung habe die Mitarbeiter bereits über die Umsetzung der geplanten Prozess- und Strukturveränderungen informiert, hieß es. „Allen ist bewusst, dass es neben Kostensenkungen in den kommenden zwei Jahren auch zum Abbau von Stellen kommen wird“, sagte ein Tchibo-Sprecher.
Auch in der Management-Etage gibt es Veränderungen
Der Hamburger Kaffeeröster strukturiert seine Geschäftsführung bereits seit einiger Zeit um. Ihre Posten haben in diesem Jahr bereits Sven Axel Groos, der Chef des Non-Food-Bereichs war, und Patrick Raming, der die Kaffeesparte und Teile des Auslandsgeschäfts verantwortete, abgeben müssen. Für Groos kam Senay Tansu, die bereits zuvor für Tchibo gearbeitet und das Geschäft in der Türkei auf- und ausgebaut hatte.
In der Geschäftsführung neu geschaffen wurden zudem die Vertriebsressorts Online und International. Geschäftsführer International ist Carsten Wehrmann, der zuvor Chef der DF World of Spices Gruppe war. Das Online-Geschäft verantwortet Ines von Jagemann, die bereits seit einigen Jahren für Tchibo arbeitet. Ebenfalls zur Geschäftsführung gehören zudem Yves Müller (Finanzen, Personal) und Holger Bellmann (IT). Somit hat der Kaffeeröster nun auch zwei Frauen im Vorstand. Schon vor den Plänen, neue Manager zu implementieren, gaben mehrere Chefs bei Tchibo auf, darunter der Vertriebsgeschäftsführer Dirk Engehausen, der den Kaffeeröster 2014 verließ. Für ihn suchte die Tchibo-Mutter Maxingvest lange Zeit ohne Erfolg nach einem Nachfolger.
Kommentar: Tchibo hat sich verzettelt
Die Verantwortung für die Kaffeesparte liegt jetzt direkt bei Tchibo-Chef Markus Conrad. Doch der Manager steht ebenfalls vor der Ablösung. Allerdings noch nicht sofort, sein Vertrag läuft zum 31. Dezember 2016 aus. Wie ein Sprecher von Tchibo bestätigte, hat Conrad sich mit dem Aufsichtsrat darüber verständigt, dass er „nach einer geordneten Einarbeitung und Übergabe an einen Nachfolger“ andere Aufgaben übernehmen werde. Mit der Suche nach einem neuen Chef habe der Aufsichtsrat rechtzeitig begonnen, hieß es aus dem Gremium.
Möglicherweise wechselt Conrad in die Dachgesellschaft Maxingvest, die neben Tchibo auch den Hamburger Nivea-Hersteller Beiersdorf kontrolliert. Auch bei der Familienstiftung der Eigentümerfamilie Herz ist Conrad als Manager im Gespräch. Michael Herz erreicht noch in diesem Monat die Altersgrenze für Aufsichtsräte von 72 Jahren. Deshalb wird er ebenfalls im kommenden Jahr aus dem Kontrollgremium ausscheiden.
Auch für ihn muss ein Nachfolger gesucht werden. Noch ist der Eigentümer allgegenwärtig, regiert sein Imperium bis ins Detail, oft von der Ferne in seiner Zentrale in Norderstedt. Möglicherweise haben unterschiedliche Auffassungen über Führungsstile dazu geführt, dass der Kaffeeröster zu einem Unternehmen mit vielen Wechseln in der Chefetage wurde.
Bei Gebrauchsartikeln wird Tchibo von vielen Seiten bedrängt
Vor den Personalwechseln der Führungsebene wurden zahlreiche Prozesse und Strukturen im Unternehmen untersucht. Nun erhofft sich der Kaffeeröster schnellere Entscheidungen und mehr Kundennähe. Doch Tchibo wird von vielen Seiten bedrängt.
Vor allem im Bereich Non-Food, also den Gebrauchsartikeln, die Tchibo jede Woche neu in die Filialen bringt, gibt es immer mehr Nachahmer, die das Unternehmen unter Druck setzen. Das Risiko, Fehler in diesem Geschäft zu machen, ist zudem sehr hoch. Wenn der Kaffeeröster etwa im September Regenjacken oder Schirme in seinen Filialen anbietet und das Wetter schön bleibt, dann bleiben die Artikel Ladenhüter. Wenn es zwei oder drei Wochen später ständig regnet, sind die Waren dagegen bereits im preisgünstigeren Prozente-Shop des Unternehmens erhältlich. Und das schmerzt das Unternehmen und schmälert den Gewinn für die Hamburger Kaufmannsfamilie.