Hamburg hat sich offiziell um die Spiele 2024 beworben. Die Mitarbeiter der Gremien tun alles dafür, um Begeisterung zu entfachen.

Als Olaf Scholz und Alfons Hörmann am Mittwoch im Cruise Center Altona die vielleicht wichtigsten beiden Seiten Hamburger Sportgeschichte unterschrieben, da fehlte der Mann, der maßgeblich dafür gesorgt hat, dass es überhaupt so weit kommen konnte. Dass Hamburgs Erster Bürgermeister und der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) Seite an Seite für die Ausrichtung der Sommerspiele 2024 kämpfen und nicht Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller eine Absichtserklärung an das Internationale Olympische Komitee (IOC) schicken durfte, verdankt die Stadt vor allem Michael Neumann.

Der Senator für Inneres und Sport hatte in den ersten Monaten des Jahres, als der DOSB den internen Ringe-Kampf zwischen Berlin und Hamburg ausgerufen hatte, seine gesamte Überzeugungs- und Arbeitskraft eingesetzt. Als Hörmann am 16. März die Entscheidung pro Hamburg verkündete, wurde Neumann in der Color-Line-Arena, wo die Macher und Unterstützer der Bewerbung die DOSB-Wahl gemeinsam verfolgten, mit Standing Ovations gefeiert.

Investiert Hamburg genug in die Bewerbung?

Ein halbes Jahr ist seitdem vergangen, und dass Neumann fehlte, als am Mittwoch die Bereitschaft zur Kandidatur offiziell bekundet wurde, sehen manche als symptomatisch an für das Bild, das die Stadt ihrer Meinung nach im Kampf um die Spiele derzeit abgibt. Hamburg, heißt es hinter vorgehaltener Hand – und bisweilen sogar öffentlich – tue zu wenig, um die Bevölkerung vom Sinn der Bewerbung zu überzeugen. Die emotionale Bindung zu den Spielen, die Ende Februar ihren Gipfel erreicht hatte, als 20.000 Menschen bei grausamem Wetter mit Fackeln um die Binnenalster zogen, sei stark abgekühlt, heißt es.

Das größte Problem, sagen die, die mehr Einsatz fordern, sei die zu dünne Personaldecke in den mit der Bewerbung befassten Gremien. 25 Mitarbeiter zählt die am 30. Juni gegründete Bewerbungs-GmbH. 16 Angestellte im Sportamt kümmern sich vonseiten der Stadt um Olympia. Dazu kommt die von Sportmäzen Alexander Otto maßgeblich unterstützte private Initiative „Feuer und Flamme“, die mit einer Reihe von festen und freien Mitarbeitern Unterstützungsaktionen organisiert.

Christoph Holstein ist überzeugt davon, dass diese Aufstellung gewinnbringend sein wird. Als Staatsrat für Sport und Olympia investiert der 51-Jährige seit Monaten rund 80 Prozent seiner Arbeitszeit für den Kampf um die Spiele. Er kennt all die Vorwürfe, die kursieren; nachvollziehen kann er sie nicht. Es sei wie in jedem Unternehmen, man müsse Aufwand und Ertrag gegeneinander abwägen und dann entscheiden, was man sich leisten könne. Die Überzeugung ist, dass all das, was notwendig ist, auch abgedeckt werde.

Über das, was notwendig ist, gibt es differenzierte Ansichten. Dass weder bei der Schwimm-WM im russischen Kasan noch bei der Leichtathletik-WM in Chinas Hauptstadt Peking, beides olympische Kernsportarten, Hamburger Delegationen vor Ort waren, stieß manchem sauer auf. Verpasste Chancen seien das, die im internationalen Vergleich mit den Rivalen Paris, Rom oder Los Angeles noch immer weithin unbekannte Hansestadt auf die Agenda zu hieven.

Ein großer Teil der Arbeit konzentriert sich derzeit auf das Referendum

Natürlich gibt es gute Gründe dafür, warum man gewisse Chancen verstreichen lassen muss. Die Hamburger Bewerbung hat die Besonderheit, dass erst noch die Zustimmung der Bevölkerung benötigt wird. Darauf konzen­triert sich derzeit ein großer Teil der Arbeit, auch wenn die Protagonisten im Sportamt und der Bewerbungsgesellschaft versuchen, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.

Tatsächlich muss die Sonderrolle, die Hamburg sich mit dem Referendum am 29. November auferlegt hat, in diesem Zusammenhang betont werden. Die Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele bei gleichzeitiger Vorbereitung einer Volksabstimmung ist eine logistische und finanzielle Herausforderung, für die Vorbilder und Erfahrungen fehlen. Keine andere Bewerberstadt fragt ihre Bevölkerung um Zustimmung. Auch in der Geschichte der Spiele gibt es nur wenige Beispiele. Norwegens Hauptstadt Oslo bekam im Kampf um die Ausrichtung der Winterspiele 2022 zwar den Segen seiner Bevölkerung, zog die Bewerbung dann aber zurück, weil die Anforderungen des IOC zu ausufernd wurden.

Dass das Referendum zum Fluch werden könnte, bestreitet Nikolas Hill, 43. Der Geschäftsführer der Bewerbungs-GmbH ist der festen Überzeugung, dass man am 29. November nicht nur eine deutliche Mehrheit der Hamburger hinter der olympischen Idee vereinen werde, sondern diese Zustimmung auch ein wichtiger Faktor für die Überzeugungsarbeit beim IOC werden wird. Und tatsächlich ist das Referendum ein Alleinstellungsmerkmal für Hamburg. Bekannt ist, dass das IOC gern in Städte geht, in denen es willkommen ist. Wenn Hamburg dies anhand des bestandenen Referendums belegen könnte, wäre das ein wichtiger Pluspunkt der Bewerbung.

Auf der Zielgerade in Richtung Referendum

Hill, der die Bewerbungs-GmbH per Doppelspitze mit Bernhard Schwank, beim DOSB Experte für internationale Beziehungen, führt, und Holstein wissen um die Probleme, die der Kampf an zwei Fronten mit sich bringt. Aber sie haben ihn angenommen, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen.

Die Stadt ist sparsam, weil sie sich nicht nachsagen lassen will, Geld für eine Kampagne zu verschwenden, der die Bürger noch nicht zugestimmt haben. Außerdem müsste sie im Zuge des Neutralitätsgebots auch den Olympiagegnern angemessene Mittel zur Verfügung stellen. Dass erst mehr Mittel freigegeben werden, wenn die Bevölkerung die Olympischen Spiele wirklich möchte, ist sinnvoll und nachvollziehbar.

Hill und Holstein sind überzeugt, dass die Strategie, die sie gewählt haben, aufgehen wird. Die Sommerferien waren schon vor Monaten als eine Art Ruhephase deklariert worden, um die Menschen mit dem Thema Olympia nicht zu überfrachten. Nun, da es auf die Zielgerade in Richtung Referendum geht, muss das Tempo wieder angezogen werden, und genau das ist geplant. Den Machern ist klar, dass sie die Herzen erreichen und die bauchgesteuerte Begeisterung aus dem Frühjahr wieder entfachen müssen. Allerdings dürfen Bewerbungs-GmbH und Stadt im Zuge des Sachlichkeitsgebots keine emotionalen Kampagnen starten. Dafür setzt sich die Initiative „Feuer und Flamme“ an vielen Stellen ein.

Dennoch sind Hill und Holstein mit ihren Teams wahrlich nicht untätig. Anfang Juni legten sie bei den Europaspielen in Baku (Aserbaidschan) mithilfe des von Schwank geknüpften DOSB-Netzwerks erste Drähte zu IOC-Mitgliedern, die nicht in die Bewerberstädte eingeladen werden dürfen. Hill besuchte das IOC an dessen Hauptsitz in Lausanne, an diesem Donnerstag fliegt er für vier Tage zur Ringer-WM in Las Vegas, zwei Wochen später geht es zur Straßenrad-WM in Richmond (USA). Holstein fliegt heute zur Gymnastik-WM nach Stuttgart. Die Überzeugung, dass das beste internationale Marketing nichts nützt, wenn die Hürde des Volksentscheids gerissen wird, verlieren sie dabei allerdings nicht aus den Augen..

Bewerbung zu nationalem Anliegen machen

Unter dem Motto „Referendum first“ sind Mitarbeiter des Sportamtes und der Bewerbungs-GmbH jeden Tag und jeden Abend in der Stadt unterwegs. Am Dienstag sprach Holstein beim Wandsbeker Forum, am Mittwoch hielt er einen Vortrag im Zen­trum für Aus- und Fortbildung, dazu kamen Siegerehrungen beim Wakeboard-Masters, beim Alsterlauf, beim Rollstuhlrugby, am Sonnabend ist er beim Alster-Cup der Ruderer und Kanuten. Zu den Menschen gehen, ihnen die Bewerbung immer wieder neu erklären, das sind die Bretter, die derzeit täglich gebohrt werden.

Um aus der Bewerbung ein nationales Anliegen zu machen, wird es in den kommenden Monaten Medientermine in Berlin, Frankfurt und München geben. DOSB-Generaldirektor Michael Vesper bestätigte, dass alle deutschen Athleten gebrieft werden sollen, um dort, wo es erlaubt ist, für Hamburg zu werben. „Wir werden uns einmütig mit Sportdeutschland hinter die Bewerbung stellen. Wir sind überzeugt, dass Hamburg große Chancen hat“, unterstrich DOSB-Chef Hörmann am Mittwoch noch einmal.

In einem Punkt sind sich alle einig: Die Präsenz Neumanns, der ob der Flüchtlingsthematik derzeit im Innenressort stark gebunden ist, fehlt bisweilen. Dass der 45-Jährige dennoch im Rahmen seiner Möglichkeiten alles für sein Herzensprojekt gibt, zeigt der Grund für seine Abwesenheit am Mittwoch. Der Senator warb in Italien bei Carlo Croce, Präsident des Segel-Weltverbands Isaf. für Hamburgs Pläne.