Hamburg. Rot-Grüne Koalition strebt statt 6000 nun 8000 neue Einheiten pro Jahr an. Das Baurecht soll vereinfacht werden.
Die rot-grüne Koalition in Hamburg denkt offenbar über den Bau zusätzlicher Wohnungen nach, um mittelfristig dauerhaft Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen. Denkbar wäre es, die Voraussetzungen für den Bau von bis zu 8000 Wohnungen pro Jahr zu schaffen, hieß es am Wochenende. Die entsprechenden Finanzmittel müssen dann allerdings ebenfalls aufgestockt werden.
Bislang hat der rot-grüne Senat im Bündnis für das Wohnen mit der Wohnungswirtschaft den Bau von jährlich 6000 Wohnungen, darunter 2000 öffentlich geförderte, vereinbart. Dafür stellt die Stadt jährlich rund 120 Millionen Euro zur Verfügung. In Hamburg wurden im vergangenen Jahr 6100 Wohnungen fertiggestellt. Zugleich vermeldete die Baubehörde die Erteilung von fast 11.000 Baugenehmigungen.
Im Juli hatte die Zahl der Flüchtlinge, die nach Hamburg kommen und hier bleiben, den bisherigen Höchststand erreicht. Der Innenbehörde zufolge wurden im vergangenen Monat 5700 Flüchtlinge in der Hansestadt neu registriert. Im Juni lag die Zahl der registrierten Flüchtlinge noch bei 1400. Derzeit werden die Flüchtlinge in Wohncontainern und Zeltlagern untergebracht.
Zugleich suchen die Behörden in allen sieben Hamburger Bezirken verzweifelt nach Flächen, auf denen Unterkünfte für jeweils bis zu 3000 Flüchtlinge errichtet werden können. Experten gehen davon aus, dass eine größere Gruppe der Flüchtlinge, deren Asylantrag angenommen wird, dauerhaft in Deutschland bleiben wird und daher in bezahlbaren Wohnungen untergebracht werden muss.
SPD will Bürokratie abbauen und das Personal der Ämter aufstocken
Der Stadtentwicklungsexperte der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Kienscherf, wollte sich zu konkreten Zahlen nicht äußern. Allerdings machte er deutlich, dass die Stadt in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft mehr Wohnungen bauen müsse.
„Dazu müssen wir den bürokratischen Aufwand reduzieren und das Personal in den Bezirksämtern aufstocken“, sagte der Politiker. Er betonte zugleich, dass die Beteiligung der Bezirksämter sowie von Anwohnern und Umweltverbänden unangetastet bleiben müsse. Kienscherf zeigte sich offen für den Vorschlag, bestehende Gesetze und Bauvorschriften mit dem Ziel zu überprüfen, den Neubau von Wohnungen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte vor einigen Tagen ein Moratorium für alle Gesetze gefordert, die eine Beschaffung von Unterkünften für Flüchtlinge erschweren.
Tausende bei Abendblatt-Spendenaktion
Zu den hinderlichen Vorschriften zählt der Politiker beispielsweise das Vergaberecht sowie Vorschriften für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden und das Baurecht. Auch der Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen, Andreas Breitner, hatte im Abendblatt vor Kurzem „eine klare Priorisierung für Flüchtlingsunterbringung“ gefordert und erklärt, wie die Stadt die Voraussetzungen für den raschen Bau von Wohnungen schaffen könne: „Mit kurzen Planungszeiten, günstigen Grundstücken, schnellen Vergabeverfahren und weniger energetischen und gestalterischen Vorgaben“.
FDP fordert Bekämpfung des Paragrafendschungels
Der Stadtentwicklungsexperte der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Jens P. Meyer, hält eine „zeitweilige Aussetzung bürokratischer Hemmnisse zur schnelleren Einrichtung von festen Flüchtlingsunterkünften“ für geboten. „Was da im Einzelnen etwa im Bauplanungsrecht sinnvoll ist, sollte rasch diskutiert werden“, erklärte er am Wochenende. Allerdings sollte der Senat die Debatte grundsätzlich zum Anlass nehmen, „um die Fülle der lähmenden Bauvorschriften, Gesetze und Verordnungen auf Sinnhaftigkeit zu prüfen und den wuchernden Paragrafendschungel grundsätzlich auszumisten“. Gute Standards beim Bauen und die geeignete Unterbringung von Menschen dürften allerdings nicht angetastet werden.
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte vor einigen Wochen in einem Abendblatt-Interview erklärt, es sei angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen notwendig, „beim Wohnungsbau eine Schippe“ draufzulegen. „Wachstum ist das Gebot der Stunde“, sagte der Senatschef.