Hamburg. Unilever streitet mit Foodwatch über Cholesterinsenker Becel pro.activ. Verbraucherschützer vor Niederlage.
Wer die Margarine Becel pro.activ kauft, der greift nicht einfach nur zu einem Lebensmittel, sondern will damit auch seiner Gesundheit etwas Gutes tun: Das Produkt des Konsumgüterkonzerns Unilever verspricht, den Cholesterinspiegel im Blut zu senken und auf diese Weise das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren. Doch solche Lebensmittel mit einem medizinischen Zusatznutzen, auch Functional Food genannt, sind nicht unumstritten. Um Becel pro.activ tobt schon seit Jahren eine juristische Auseinandersetzung, die es am Montag bis vor das Hamburger Oberlandesgericht (OLG) geschafft hat.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch wirft Unilever vor, mögliche Gesundheitsrisiken der in der Margarine enthaltenen Pflanzensterine zu verschleiern. Diese fettähnlichen, auch in der Natur vorkommenden Substanzen senken zwar nachweislich den Cholesterinspiegel. „Es gibt aber Studien, die darauf hinweisen, dass auch Pflanzensterine sich im Körper ablagern und auf diese Weise das Herzinfarkt-Risiko eher erhöhen“, sagt Oliver Huizenga von Foodwatch.
Vor dem Oberlandesgericht ging es nun in zweiter Instanz um eine Aussage des Gießener Professors Hans-Ulrich Klör, die Unilever in einer Pressemitteilung verbreitet hatte. Nach Einschätzung des Experten für Fettstoffwechselstörungen gibt es „aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis darauf, dass der Verzehr pflanzensterinangereicherter Produkte mit Nebenwirkungen in Verbindung zu bringen ist.“
Aus Sicht der Verbraucherschützer ist dies eine Verharmlosung der möglichen Risiken und sollte vom Gericht untersagt werden. Foodwatch verweist dabei auch auf das Bundesinstitut für Risikobewertung, das Menschen mit einem normalen Cholesterinwert davon abrät, Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen zu verzehren.
Große Aussicht auf Erfolg dürfte die Klage von Foodwatch allerdings nicht haben. Bereits das Landgericht hatte im Jahr 2012 die Klage abgewiesen, weil die Richter die Äußerung des Professors nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung einstuften, die als solche vom Grundgesetz geschützt ist. Auch der Pressesenat des OLG machte am Montag deutlich, dass er die Entscheidung der Vorinstanz für richtig hält. „Es handelt sich um eine Meinungsäußerung“, sagte der Vorsitzende Richter des OLG-Senats, Claus Meyer. Auch die Einschätzung von Foodwatch (2002 von Thilo Bode gegründet), bei dem strittigen Satz könne es sich um eine genehmigungspflichtige, gesundheitsbezogene Aussage nach der Health-Claim-Verordnung handeln, lehnte der Richter ab.
Das Urteil soll am 1. September verkündet werden. Angesichts der vorläufigen Äußerungen gibt sich Unilever siegessicher. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass das Oberlandesgericht die Entscheidung der Vorinstanz bestätigen wird“, sagte Unternehmenssprecher Merlin Koene. „Becel pro.activ ist ein als sicher bewertetes Lebensmittel, das aktiv den Cholesterinspiegel senkt und dazu beitragen kann, Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren.“
Wie wichtig das Thema sei, zeigten Daten aus dem Bundesgesundheitsbericht des Robert Koch Instituts von 2013. Demnach hätten mehr als 70 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 45 Jahren einen überhöhten Cholesterinspiegel. Dieser gelte als ein wesentlicher Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Todesursache Nummer eins in Deutschland. So seien vergangenes Jahr 40 Prozent der Todesfälle in Deutschland auf ein Herz-Kreislauf-Leiden zurückzuführen. „Diese Fakten hat Foodwatch vollkommen ignoriert“, so der Unilever-Sprecher
Unilever setzt seit Kurzem vermehrt auf natürliche Zutaten
Die Diskussion um Functional Food kommt für Unilever zur Unzeit. Insbesondere in Deutschland ist der Konzern gerade dabei, bei seinen Fertigprodukten verstärkt auf natürliche Zutaten zu setzen und auf diese Weise sein Image bei den Verbrauchern zu verbessern. Erst vor wenigen Tagen wurde eine neue Produktlinie von Knorr auf den Markt gebracht, die vollständig auf Zusatzstoffe wie Maltodextrin, Aromen oder Hefeextrakt verzichtet, das die großen Hersteller sonst gerne mal als Geschmacksverstärker einsetzen. Der seit etwa einem Jahr amtierende Deutschlandchef Ulli Gritzuhn soll sich besonders für den Kurswechsel starkgemacht haben.
Eine wichtige Umsatzbedeutung besitzt Becel pro.activ aber dennoch, insbesondere im internationalen Rahmen, wobei sich Unilever mit genauen Zahlen zurückhält. Die Margarine-Sparte ist in den vergangenen Jahren stark unter Druck geraten, weil die Verbraucher grundsätzlich weniger gemeinsam frühstücken und daher auch weniger Brotaufstriche verwenden. Eine gewisse Wende zum Besseren hatte Unilever zuletzt vor allem durch neue Produkte wie Rama mit Butter erreichen können.