Nestlé-Manager Ulli Gritzuhn soll im Juli den Chefsessel bei Unilever in der HafenCity übernehmen. Betriebsrat fordert Ende des Stellenabbaus und des Verkaufs regionaler Marken.
Hamburg Ulli Gritzuhn, 52, ist viel umgezogen in seiner bisherigen Laufbahn. Nach dem Abitur am Gymnasium Alstertal und einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium an der Universität Hamburg arbeitete der Manager zunächst für den Konsumgüterkonzern Procter & Gamble in Deutschland und Skandinavien. Er verantwortete das Kaugummigeschäft von Wrigley und die Marketing-Aktivitäten von T-Mobile. Im Augenblick betreut er noch von Bayern aus die europäische Babynahrungssparte des weltweit größten Lebensmittelherstellers Nestlé.
Im Juli kehrt der gebürtige Hamburger nun in seine Heimatstadt zurück, um die vermutlich größte Herausforderung seiner Karriere anzupacken: Von der Zentrale in der HafenCity aus wird Gritzuhn das Deutschlandgeschäft von Unilever verantworten und damit für milliardenschwere Marken wie Knorr, Rama, Dove oder Axe in der Bundesrepublik sowie in Österreich und in der Schweiz zuständig sein. Rund 6000 Mitarbeiter sind ihm unterstellt.
Der Nestlé-Manager löst Harry Brouwer, 55, ab, der nach fünf Jahren an der Elbe in die Rotterdamer Zentrale des niederländisch-britischen Konzerns wechselt. Dort wird er den Bereich Food Solutions übernehmen, hinter dem sich das weltweite Geschäft mit der Großgastronomie, also mit Airline-Caterern, Mensen oder auch Gefängnissen, verbirgt.
Aufwertung des Deutschlandgeschäfts
Nach Einschätzung von Branchenexperten könnte mit der Einstellung Gritzuhns eine Aufwertung des Deutschlandgeschäfts und des Standorts Hamburg verbunden sein. Für diese These spricht, dass es sich bei Gritzuhn um einen unabhängigen Kopf von außen handelt und nicht um eine interne Lösung wie sonst bei Unilever üblich.
„Herr Gritzuhn schart keine Jasager um sich, die nur seine Entscheidungen abnicken“, sagt ein Insider, der den neuen Deutschlandchef kennt. Aufmerksam wird in der Zentrale in der HafenCity auch registriert, dass mit dem Nestlé-Manager ein ausgesprochener Kenner des deutschen Marktes an die Elbe kommt, der zudem eine große Expertise im Lebensmittelbereich mitbringt.
Offen ist allerdings, inwieweit sich Gritzuhn gegen die generelle Strategie von Konzernchef Paul Polman behaupten kann und will. Der Niederländer legt den Schwerpunkt vor allem auf weltweit funktionierende Marken aus dem Körperpflege- (Dove, Axe) und dem Reinigungsbereich (Domestos) sowie auf das florierende Eiscreme-Geschäft (Langnese). Das größte Wachstum erzielte der Konzern zuletzt mit diesen Marken in Asien und Amerika.
Unter dem bisherigen Deutschlandchef Brouwer hatten die Hamburger Zentrale und insbesondere das Lebensmittelgeschäft eher an Bedeutung verloren. Marketingaktivitäten wurden aus der Hansestadt abgezogen und in Rotterdam konzentriert, traditionelle Marken wie Bifi an die Konkurrenz verkauft. Seit Ende der 1990er-Jahre ist die Zahl der Mitarbeiter in der Hansestadt um circa 45 Prozent auf rund 900 gesunken. Der letzten Sparrunde im vergangenen Jahr fielen allein rund 100 Stellen zum Opfer.
Ausbau des europäischen Geschäfts gefordert
„Wir erwarten von Herrn Gritzuhn, dass sowohl der Stellenabbau als auch der Ausverkauf traditioneller Marken nun ein Ende hat“, sagt der Konzernbetriebsratsvorsitzende von Unilever, Hermann Soggeberg, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschland-Holding ist. „Was wir brauchen, ist ein Ausbau des europäischen Geschäfts.“
Zu den Baustellen, um die sich der neue Deutschlandchef kümmern muss, zählt das Margarine-Geschäft von Unilever rund um die Marken Rama, Lätta und Becel. Hier kämpft der Konzern mit einem veränderten Verbraucherverhalten. Der Margarine-Markt insgesamt ist rückläufig, weil das traditionelle Frühstück und Abendbrot in der Familie zunehmend an Bedeutung verlieren.
Ähnlich, wenn auch bei Weitem nicht so dramatisch, sieht es bei der Marke Knorr aus, die sich weg von der klassischen Tütensuppe hin zu frischeren Produkten wandeln muss, um für die Kunden attraktiv zu bleiben.
Ein Wagnis ist Unilever zuletzt im Körperpflegebereich mit der Einführung der sogenannten Compressed Deos eingegangen. Produkte von Dove, Rexona und duschdas wurden im Volumen reduziert, sollen aber gleich ergiebig sein – ein Vorteil vor allem für die Umwelt. „Die ersten Reaktionen der Verbraucher zeigen, dass die neuen Deos gut angenommen werden“, sagt Unternehmenssprecher Konstantin Bark. Insgesamt sei man mit der bisherigen Entwicklung in Deutschland, Österreich und der Schweiz bei Unilever durchaus zufrieden.