Hamburg. Die CDU beklagt, dass der Senat nicht alle Empfehlungen des Untersuchungsausschusses zum Kinderschutz umsetzt.
Gut sieben Monate nach dem Ende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zum gewaltsamen Tod der dreieinhalb Jahre alten Yagmur zeigt sich die CDU unzufrieden mit den Konsequenzen aus dem Fall. „Die Bereitschaft des Senats, die im parlamentarischen Untersuchungsausschuss beschlossenen Empfehlungen umzusetzen, ist nicht konsequent genug“, beklagt CDU-Fraktionschef André Trepoll, der den PUA im vergangenen Jahr als Vorsitzender geleitet hat.
Der Untersuchungsausschuss hat am 18. Dezember 2014, dem ersten Todestag des Mädchens, den 543 Seiten umfassenden Abschlussbericht verabschiedet. Darin enthalten sind 33 Empfehlungen an den Senat, mit denen der Kinderschutz verbessert werden sollte. SPD, CDU, Grüne und FDP haben sich auf diese Punkte geeinigt. Die Linken haben sich an der Abstimmung nicht beteiligt. Sie hatten, wie berichtet, auch die Beratungen zum Bericht abgelehnt.
Aus Sicht von Trepoll sind aber nur wenige Empfehlungen umgesetzt worden. Eine davon ist die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur „Stärkung der Kinderrechte“, was Trepoll begrüßt. Darin soll unter anderem geklärt werden, ob es möglich ist, die Stellung von Pflegeeltern zu stärken. Im Fall Yagmur hatte sich auf besonders tragische Weise gezeigt, dass die bislang geltende Regelung, wonach Pflegekinder grundsätzlich wieder in die Obhut ihrer Eltern gegeben werden sollen, dem Kindeswohl widersprechen kann. Die Praxis der vorübergehenden Pflegschaften wird im Fall Yagmur auch ein Grund dafür gewesen sein, dass Bedenken gegen eine Rückführung eher beiseitegelegt wurden. Yagmur kam auf diese Weise zurück in ihr Elternhaus, wo sie schließlich umgebracht wurde.
Die Personallage der Jugendämter sei immer noch „dramatisch angespannt“
„Viele der im PUA beschlossenen Empfehlungen betreffen Bundesrecht, daher erscheint die Arbeit innerhalb einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe als durchaus sinnvoll“, sagt Trepoll. Allerdings kritisiert er, dass es aus seiner Sicht an der Umsetzung anderer Empfehlungen mangelt. „Es zählen die Ergebnisse. Es wird durchaus der Eindruck erweckt, als würde ein Großteil der Vorhaben auf morgen verschoben oder erst gar nicht erfolgen.“ Als Beispiel nennt er die vorgeschlagenen Maßnahmen im Bereich der Polizei und Staatsanwaltschaft. „Hier gibt es keine neuen verbindlichen Anweisungen oder neue strukturelle Schwerpunktsetzung.“ So hat der Untersuchungsausschuss empfohlen, die Einrichtung einer Schwerpunkt-staatsanwaltschaft „Kinderschutz“ und einer Spezialabteilung bei der Polizei zur Verbesserung der Qualität der Ermittlungsarbeit und der Kooperation mit den Jugendämtern zu prüfen. Laut seiner Antwort auf eine Große Anfrage von Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP sieht der Senat „die Intention der Empfehlung (...) durch die jetzige Organisation bereits erfüllt“.
Auch hatte der Untersuchungsausschuss empfohlen, künftig das Erscheinen von Beschuldigten zu einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung durchzusetzen. So hatte im Fall Yagmur die damalige Staatsanwältin darauf verzichtet, die Mutter des Mädchens vorzuladen, weil diese bereits vorher eine Aussage zu lebensgefährlichen Verletzungen Yagmurs gegenüber der Polizei verweigert hatte. In diesem Punkt sieht der Senat keinen Handlungsbedarf. In seiner Antwort auf die Große Anfrage heißt es, dass es die Möglichkeit einer zwangsweisen Vorführung in der Strafprozessordnung bereits gebe. Allerdings seien Staatsanwälte in ihren Fortbildungen auf dieses Problem aufmerksam gemacht worden. „Eine darüber hinausgehende Anweisung wurde nicht getroffen, da es sich stets um eine einzelfallbezogene Entscheidung handelt“, heißt es weiter.
Grundsätzlich zeigt Trepoll sich auch mit der personellen Lage in den Jugendämtern unzufrieden. Diese sei „nach wie vor dramatisch angespannt“. Die meisten zusätzlich zugewiesenen Stellen nach Yagmurs Tod seien gar nicht besetzt. Auch habe sich gezeigt, dass sich die lange angekündigte Einführung eines Personalbemessungssystems weiter verzögere. Wahrscheinlich wird erst Ende September feststehen, wie viele Mitarbeiter in den Jugendämtern gebraucht werden.
Die Bilanz von Melanie Leonhard, familienpolitische Sprecherin der SPD und im vergangenen Jahr Obfrau ihrer Fraktion im Untersuchungsausschuss, fällt milder aus. „Es sind viele Dinge auf den Weg gebracht worden. Faktisch hatte dieser Senat aber auch erst vier Monate Zeit, die Empfehlungen des PUA umzusetzen.“ Sie schlägt vor, die Jugendamtsmitarbeiter Ende des Jahres im Familienausschuss berichten zu lassen, ob die Empfehlungen umgesetzt wurden – und ob sie funktionieren.
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