Der Senat hat längst nicht alle Empfehlungen umgesetzt.
Wenn der Fall Yagmur etwas gezeigt hat, dann die Tatsache, dass es nicht den einen Fehler gab, der zu dem gewaltsamen Tod des Mädchens geführt hat. Auch wenn das juristische Verfahren gegen die Mutter des dreieinhalb Jahre alten Kindes noch nicht abgeschlossen ist, so ist die unmittelbare Verantwortung für den Tod Yagmurs klar. Nicht ganz so klar lässt sich die Verantwortung den einzelnen staatlichen Stellen zuordnen. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hat aufgezeigt, dass es nahezu alle Institutionen in der Hand gehabt hätten, Yagmur zu retten.
Die Gründe dafür, dass sie es nicht getan haben – auch das wurde deutlich –, sind Kommunikationsschwierigkeiten, Routine, bestimmt auch Überlastung sowie Vorschriften. Der Fall Yagmur hat auf die schlimmste aller Weisen gezeigt, wohin es führt, wenn das Elternrecht über dem Kinderrecht steht. Aus guten Gründen ist das Kind kurz nach seiner Geburt in eine Pflegefamilie gekommen. Aus den gleichen Gründen hätte es bis zu seiner Volljährigkeit dort bleiben müssen. Da die Gesetze die leibliche Familie aber als besten Ort für Kinder ansehen, konnte es bei gleichzeitigem Versagen des Staates zu den fatalen Ereignissen im Dezember 2013 kommen.
Es ist daher der folgerichtige Schluss des Untersuchungsausschusses, eine Reform des Pflegekinderwesens zu fordern. Hier hat Hamburg eine entsprechende Arbeitsgruppe im Bund auf den Weg gebracht. Damit hat der Senat die wichtigste Empfehlung des Untersuchungsausschusses umgesetzt – aber eben nicht alle Empfehlungen. Es ist Aufgabe und Recht der Opposition, das zu kritisieren und die schleunige Umsetzung zu fordern.
Allerdings lässt sich nicht jedes Loch im System mit Regeln stopfen. Wenn in Staatsanwaltschaften, Gerichten, Jugendämtern und Kitas wieder nur Dienst nach Vorschrift gemacht wird, dann rutscht womöglich erneut ein tragischer Fall durchs Netz. Verstand und Wachsamkeit kann man nicht verordnen. Aber jeder, der jetzt und in der Zukunft in der Verwaltung mit Kinderschutz zu tun hat, der sollte das Schicksal Yagmurs studieren – damit zumindest nicht der Staat wieder versagt.