Die Spendenaktion des Hamburger Abendblattes machte bundesweit Schlagzeilen. Ein (Lehr-)Stück über Engagement in schwierigen Zeiten.

Sonnabend, 18. Juli

Das Hamburger Abendblatt erscheint mit der Schlagzeile „So können Sie Flüchtlingen helfen“. Die Vorbereitungen für die geplante Sammelaktion am Montag sind weitgehend abgeschlossen. Mitarbeiter haben sich in einen Schichtplan eingetragen, jeweils vier sollen eine halbe Stunde die Spenden der Leserinnen und Leser entgegennehmen. „Das sollte reichen“, hatte Chefredakteur Lars Haider am Freitag gesagt. Zwei Lkw, Siebeneinhalb-Tonner, sind bestellt, die im Wechsel Kleidung, Räder, Hygieneartikel und anderes zu Flüchtlingsinitiativen bringen sollen, vier Fuhren insgesamt.

17.15 Uhr: Der Schauspieler Til Schweiger („Keinohrhasen“, „Honig im Kopf“) macht auf seiner Facebook-Seite Werbung für die Hamburger Aktion. Er verschickt die Vorankündigung aus dem Abendblatt und schreibt dazu: „Meine Bitte an Hamburg: Alle mitmachen!“ Am Ende wird der Aufruf rund 23.000 Lesern gefallen. Aber in den mehr als 2000 Kommentaren dazu wird der Schauspieler zum Teil böse beschimpft, manchmal wird es rassistisch: „Wer glaubt denn noch das Märchen von den traumatisierten Flüchtlingen?“, schreibt einer. Ein anderer: „Sorry Til, ich mache nicht mit, ich bin 100 Prozent dagegen, dass Deutschland von Flüchtlingen überschwemmt wird.“ Irgendwann stellt eine weitere Leserin fest: „Ja, Wahnsinn, was ist denn hier los?“ Schweiger reagiert gut 24 Stunden später. Und wie.

Sonntag, 19. Juli

17 Uhr: Die Nachrichtensendung „heute“ berichtet über die Probleme, die ausgerechnet Hamburg mit der Unterbringung von Flüchtlingen hat („Zeltstadt in Jenfeld“) und von der geplanten Sammelaktion. Der Beitrag läuft auch im „heute-journal“ um 21.45 Uhr.

Julius (6) spendet sein Laufrad
Julius (6) spendet sein Laufrad © Andreas Laible | Andreas Laible

17.29 Uhr: Til Schweiger hat von der Diskussion auf seiner Facebook-Seite die Schnauze voll: „Oh Mann – ich habs befürchtet!!“ schreibt er. Und: „Ihr seid zum Kotzen. Wirklich! Verpisst Euch von meiner Seite, empathieloses Pack. Mir wird schlecht!“ Wenig später ist der Wutausbruch des Schauspielers großes Thema auf nahezu allen wichtigen Nachrichtenseiten im Internet. „Til Schweiger beschimpft Facebook-Fans“, heißt es bei „Spiegel Online“. Und außerdem: „Am Montag werden vor dem Redaktionsgebäude des Hamburger Abendblatts zwei Lastwagen stehen. Mit den Lkw will die Hamburger Zeitung Hilfsgüter zu den Flüchtlingen in der Hansestadt bringen.“ Auf Schweigers Facebook-Seite geht die aufgeladene Diskussion erst recht weiter. Einer schreibt: „Solch einen Spruch kann doch nur einer abgeben, der den Arsch voll Geld hat und selbst nichts davon den Flüchtlingen abgibt. Helfen ist ja gut und schön, aber was müssen wir Deutschen denn noch alles machen?“

17.50 Uhr, in der Passage des Abendblatt-Gebäudes am Großen Bur­stah: Laut hört man von der Straße den Jubel der Tausenden auf dem Rathausmarkt, die gerade die Triathleten beim Finale anfeuern. Plötzlich radelt ein Mann auf einem Mountainbike in den leeren Gang, blickt sich ratlos um und fragt dann Redakteur Klaus Kundel, der zufällig vorbeikommt: „Wo kann ich das hier abgeben?“ Dabei zeigt er auf sein Fahrrad – es ist blank geputzt, tadellos in Schuss, am Lenker baumeln zwei neuwertige Helme. Er müsse am Montag nach München, könne deshalb nicht zur Sammelaktion kommen. Aber über das Mountainbike würde sich eine Flüchtlingsfamilie doch bestimmt freuen, oder? Spricht’s, drückt dem verdutzten Redakteur das Rad in die Hand und geht wieder hinaus in den Hamburger Sommerabend. Der erste Spender von – ja, von wie vielen? Die Redakteure, die das Rad später im Konferenzraum im 4. Stock bestaunen, geben waghalsige Tipps ab. Einer sagt: „Wenn schon heute ein Leser auf gut Glück hierherkommt, werden es morgen mindestens 500 sein!“ Von wegen.


Montag, 20. Juli

Viele Zeitungen berichten über Brandanschläge auf Flüchtlingsheime in Bayern und Baden-Württemberg.

11 Uhr: Offizieller Start der Spendenaktion vor dem Verlagsgebäude am Großen Burstah.

11.01 Uhr: Wirtschaftsredakteurin Melanie Wassink stürmt in die Redaktionskonferenz: „Da unten ist der Bär los. Vielleicht sollten noch ein paar Leute runterkommen und bei der Entgegennahme der Spenden helfen.“

11.02 Uhr: Die Schlange der Wartenden reicht bis weit in den Großen Burstah.

Leser Karl-Heinz Pfefferkorn bringt seine Spende
Leser Karl-Heinz Pfefferkorn bringt seine Spende © Michael Rauhe | Michael Rauhe

11.03 Uhr: Lokalredakteurin Geneviève Wood erscheint zum Dienst. Eigentlich ist sie für die Schicht von 15 bis 15.30 Uhr eingetragen. Sie bleibt gleich unten.

11.15 Uhr: Inzwischen sind rund 30 Kollegen des Hamburger Abendblatts im Einsatz. Eine Frau fragt Hermann Martens aus der Vermarktung, ob er ihr mal kurz helfen helfen könnte, etwas aus ihrem Auto zu tragen. Der Geländewagen der Dame ist bis unters Dach mit Spenden vollgepackt.

11.25 Uhr: Redakteur Sascha Balasko ruft bei Bürgerschaftsvizepräsident Dietrich Wersich (CDU) an, um zu sagen, dass er sich zum vereinbarten Zwölf-Uhr-Termin um fünf Minuten verspäten werde. Drei Minuten später, beim Anblick des Spender-Ansturms, der nächste Anruf: „Hallo Herr Wersich, tut mir leid, aber das wird heute nichts. Wir haben Tausende von Menschen vor der Tür. Hier kann heute niemand weg.“

11.32 Uhr: Lokalredakteurin Camilla John sitzt vor dem Büro von Chefredakteur Lars Haider im fünften Stock. Eigentlich sollte jetzt eine Themenbesprechung sein, aber alle Büros auf der Etage sind leer.

11.44 Uhr: Der erste Lkw ist voll.

11.45 Uhr: Kulturredakteurin Birgit Reuther hat eigentlich frei, sie will nur selbst ein paar Sachen als Spenden vorbeibringen. Jetzt hilft sie einer alten Dame; die ist mit einem Rollkoffer erschienen, der fast so groß ist wie sie selbst: „Ich bin extra aus Schnelsen gekommen. Ich habe zu Hause noch viel mehr Sachen. Aber allein in der S-Bahn sind die so schwer zu transportieren.“

12.01 Uhr: Eine junge Frau hält mit ihrem Auto am Großen Burstah. Anna-Lena Neumann, Objektleiterin Digital, hilft ihr beim Ausladen mehrerer Kartons. „Das habe ich alles neu gekauft“, sagt die Frau, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „Honig im Kopf“ trägt. Der Til-Schweiger-Film.

12.27 Uhr: Der zweite Lkw ist voll. Eine Frau drückt Kulturchefin Maike Schiller ein ganzes Paket Bettwäsche in die Hand und flüstert ihr fast verschwörerisch zu: „Habe ich extra noch mal alles durchgebügelt!“

Daniela Tibi kommt schwer bepackt
Daniela Tibi kommt schwer bepackt © Andreas Laible | Andreas Laible

12.43 Uhr: Hausmeister Sven Shirazi ruft seine Freundin Michaela Rose an: „Kannst du kommen? Wir haben hier einen Ausnahmezustand.“

12.45 Uhr: Olaf Schulz aus der Marketingabteilung öffnet die Türen zu der Ladenfläche, auf der die Abendblatt-Geschäftsstelle entstehen soll: „Wir müssen die Spenden erst einmal hier lagern.“

13.15 Uhr: Im dm-Markt am Großen Burstah schiebt ein Mann einen Einkaufswagen vor sich her, der bereits mit Windeln und Premilch für Babys vollgepackt ist. Er holt sein Handy raus und ruft seine Frau/Freundin an: „Schatz, kannst du bitte noch einmal auf die Abendblatt-Liste gucken, was benötigt wird? Ich habe schon ein paar Dinge zusammen, aber ich glaube, das reicht noch nicht.“

13.35 Uhr: Das Gedränge wird immer größer, die Kofferberge immer höher. Dorle Siebert aus der Vermarktungsabteilung wird von einem Gepäckstück voll im Gesicht getroffen. Sie kühlt die Stelle mit einer Flasche Mineralwasser und sortiert weiter.

13.40 Uhr: In der Luther-Gemeinde in Bahrenfeld, die für die etwa 2400 Bewohner der Zentralen Erstaufnahme an der Schnackenburgallee zuständig ist, sichten zwölf Ehrenamtliche die angelieferten Spenden im Akkord. „Wir hatten noch nie so eine Menge an passender Herrenkleidung und Babynahrung“, sagt Bettina Buhr.

14.33 Uhr: Chefredakteur Lars Haider schreibt eine E-Mail an das Hamburger Logistikunternehmen Hermes: „Für unsere Flüchtlingsaktion brauchen wir dringend Lkw mit Fahrer, die Hilfsgüter zu Unterkünften transportieren können. Können Sie uns da helfen?“

14.44 Uhr: Von „Bild der Frau“ sind Sünje Nicolaysen, Babett Thienemann und Cathrin Backhaus zum Helfen gekommen. „Wir haben aus unseren Büros gesehen, was hier los ist. Da konnten wir nicht sitzen bleiben.“

14.59 Uhr: In dem naiven Glauben, bald mit seiner halbstündigen Schicht zu beginnen, stürzt sich Hartmut Hiestermann, Teamleiter Projektmanagement, ins Getümmel, trägt die Spenden in die Geschäftsstelle des Abendblatts, die kurzfristig zu einem Zwischenlager umfunktioniert wurde. Nach einer Dreiviertelstunde ruft Sascha Balasko, Redakteur in der Landespolitik, Hiestermann zu: „Hardy, komm mit! Wir brauchen noch Leute, um einen Lkw am Gymnasium Lerchenfeld zu entladen.“ Dort entsteht ein zweites Zwischenlager. Zurück am Schreibtisch ist Hiestermann erst gegen 21.30 Uhr.

15.43 Uhr: Hermes-Pressesprecherin Claudia Schanz schickt eine Mail an den Abendblatt-Chefredakteur: „Hallo Herr Haider, unser Bereichsleiter Operations organisiert aktuell die Fahrzeuge und wird sich alsbald mit Ihnen in Verbindung setzen.“ Anderthalb Stunden später sind die Hermes-Lkw da.

15.44 Uhr: Der stellvertretende Chefredakteur Matthias Iken wird im Gewühl von einem Typen mit Vollbart angesprochen, der gerade Klamotten abgegeben hat. „Wir waren doch Anfang der 90er zusammen im Ferienlager, ich als Kind, du als Gruppenleiter.“

15.50 Uhr: Chefreporterin Yvonne Weiß nimmt ein Skatebord von einem Siebenjährigen entgegen: „Ich kann schon sehr gut damit fahren, jetzt soll das ein anderer Junge auch lernen.“ Eine ältere Dame gibt eine Tüte mit Bettwäsche ab und entschuldigt sich, dass diese schon benutzt wurde: „Mein Mann und ich haben aber nur zweimal darin geschlafen. Wir nehmen jetzt einfach wieder unsere alte, die reicht völlig.“

16.13 Uhr: Einige Abendblatt-Redakteure stellen sich direkt an die Straße, wo ein Polizist sehr gut damit zu tun hat, die Busse an parkenden Autos vorbeizudirigieren.

16.30 Uhr: Ein Autofahrer fährt hupend vorbei, ruft aus dem Fenster: „Klasse, Leute, macht weiter so!“

16.59 Uhr: Ein kleiner Junge kommt mit seinen Eltern vorbei, er auf dem Tretrad. Als Lokalchef Stephan Steinlein es ihm abnehmen möchte, fließen beinahe Tränen. „Meins“, sagt er und klammert sich fest. Die mit Tüten schwer bepackten Eltern hatten nie vor, das kleine Rad abzugeben.


17.20 Uhr:
Werkstudent Gregor Hoppe meldet sich, als jemand gesucht wird, der einen Lkw-Führerschein hat. Zusammen mit Friedemann Scheer lädt er erst den Wagen voll, fährt dann zu einer Abgabestation, um dort wieder alles auszupacken.

18 Uhr: Ursprünglich sollten die Spenden gründlich sortiert werden. Das geht schon lange nicht mehr. Die Koffer, Tüten und Pakete werden direkt aus den Autos der Spender auf die wartenden Lkw verladen, Hausmeister Sven Shirazi ist inzwischen einer der wenigen (vielleicht der Einzige), der noch den kompletten Überblick hat. Etliche Hamburger, die eigentlich nur kurz zum Spenden gekommen waren, sind nun schon seit Stunden da und packen mit an. In der Redaktion und dem Verlag des Hamburger Abendblatts arbeitet nur eine Handvoll Leute, der Rest ist draußen.

18.45 Uhr: Zwei junge muslimische Frauen drücken Projektmanagerin Carolin Karstens Oliveira lange Röcke und langärmelige T-Shirts für Damen in die Hand und fragen: „Hier sind außerdem noch (Kopf-)Tücher – die standen nicht auf der Liste, aber die werden doch bestimmt auch gebraucht?“

18.50 Uhr: Eigentlich ist die Spendenaktion in zehn Minuten vorbei. Online-Redakteurin Juliane Kmieciak verlässt die Redaktion zu Fuß in Richtung Rathausmarkt und wird dabei fast umgerannt. Etliche Menschen eilen ihr entgegen, teilweise schwer bepackt und sehr schnellen Schrittes. „Hoffentlich schaffen wir es noch“, ruft ein Junge seiner Mutter zu, die einen großen Sack mit Klamotten, Bettwäsche oder Handtüchern unter dem Arm hat. Ein Mann ruft ihnen zu: „Keine Eile, da ist noch die Hölle los!“

Die Spenden stapeln sich
Die Spenden stapeln sich © Michael Rauhe | Michael Rauhe

19.10 Uhr: Hat der dm-Drogeriemarkt wirklich doppelt so viel Umsatz gemacht wie an normalen Tagen? Möglich scheint es allen, die dabei sind, die Hygieneartikel zu ordnen.

21.25 Uhr: In der Turnhalle der Schule Lerchenfeld geht die Spendenaktion weiter. Schulleiter Christian Krug hatte die Halle als Lagerraum spontan am Nachmittag zur Verfügung gestellt: „Wir Hamburger wollen den Flüchtlingen das Ankommen in der fremden Umgebung erleichtern und sie willkommen heißen.“ Jetzt wandert das letzte Paket von Hand zu Hand. Zwölf Abendblatt-Kollegen aus Redaktion und Anzeigenabteilung sowie zwei Lkw-Fahrer haben eine Kette gebildet, um die Laster zu leeren. Als auch dieses Paket in der Halle verstaut ist, klatschen die Beteiligten spontan Beifall.

22.15 Uhr: Moderator Thomas Roth beginnt die „Tagesthemen“ mit einem Blick auf die Aktion für Flüchtlinge in Hamburg: „Auch wenn es nicht so häufig in den Schlagzeilen steht: Bei vielen Menschen ist die Hilfsbereitschaft wirklich groß. In Hamburg zum Beispiel haben heute Tausende für Flüchtlinge gespendet.“ In Brüssel können sich die Staaten nicht auf eine Verteilung der Flüchtlinge in Europa einigen.


Dienstag, 21. Juli

0.27 Uhr: Die Spätausgabe der „Tagesschau“, das „Nachtmagazin“, hat Til Schweiger zugeschaltet. Er freut sich über den großen Erfolg der Hamburger Aktion, sagt aber auch: „Das deutsche TV trägt seinen Teil dazu bei, dass die Leute so abgestumpft sind.“ Das beschert ihm gleich die nächsten Schlagzeilen.

10.30 Uhr: Beim Hamburger Abendblatt bildet sich unter der Leitung von Sophie Seiderer und Judith von Zengen eine Arbeitsgruppe Flüchtlingsspenden. Statt geplanten zehn sind mindestens 40 Tonnen zusammengekommen, diese sollen in den nächsten Tagen sortiert werden, in ein zentrales Lager und von dort direkt in die Flüchtlingsunterkünfte gebracht werden. Erste Kollegen haben sich dafür bereits freiwillig gemeldet.

Sortierte Spenden bei der Luthergemeinde Bahrenfeld
Sortierte Spenden bei der Luthergemeinde Bahrenfeld © Andreas Laible | Andreas Laible

13.14 Uhr: Nie in der Geschichte von abendblatt.de hat ein Artikel mehr Menschen über Facebook erreicht als der Bericht über die Hilfsaktion: Es sind 612.000. Bei den Kommentaren überwiegt die Begeisterung: „So stolz auf Hamburg“, schreibt Rona Kruse. Und Ayla Mayer: „Hamburg, meine Perle“. Aber es geht auch anders: „Spendet erst mal für hilfsbedürftige Kinder und Menschen aus Deutschland. Selbige sind doch schon Menschen dritter Klasse“, schreibt Sybill Constance De Buer. Und Michi Homa: „Dann schaut mal die nächsten Tage in den Unterkünften in die Mülleimer oder in die Gartenanlage. Dort findet ihr eure Sache bestimmt wieder.“ Til Schweiger, Sie sind nicht allein.

18.50 Uhr: Sekretärin Sabine Wegener hilft mit ihrem Sohn Clemens einer Flüchtlingsinitiative in Jenfeld, die Spenden zu sortieren - und macht eine erfreuliche Entdeckung: 98 Prozent aller Sachen sind gut bis hochwertig, die Helfer müssen nur ganz wenig Unbrauchbares wegwerfen.

19.25 Uhr: Bei Stefan Walther klingelt das Telefon. Der Spätdienst-Redakteur in der Online-Redaktion geht ran. „Hallo, hier ist Til Schweiger.“ Der Schauspieler bedankt sich für die Spendenaktion und erzählt eine rührende Geschichte. „Weil ich wegen der Dreharbeiten in Istanbul nicht persönlich kommen konnte, habe ich eine Freundin zu euch geschickt. Als sie mir die Bilder von den gespendeten Sachen schickte, musste ich weinen“, so Schweiger. Die Frau mit dem „Honig im Kopf“-T-Shirt.


Mittwoch, 22. Juli

12.02 Uhr: „So erfolgreich lief die Aktion, die Til Schweiger unterstützte“, titelt stern.de und schreibt dann: „Der Ärger des Schauspielers dürfte nun verflogen sein – angesichts des beispiellosen Erfolgs der Aktion.“

Flüchtlinge erhalten Spenden in der Regerstraße
Flüchtlinge erhalten Spenden in der Regerstraße © Michael Rauhe | Michael Rauhe

13 Uhr: Stefan Wiechert, Leiter Herstellung, holt beim Wheels Fahrradladen vier gespendete neue Räder und zwei Roller ab.

14.50 Uhr: Immer noch erreichen die Redaktion Briefe und E-Mails. „Auch ich war eine der 10.000 Spender“, schreibt Silke Pastors aus Schenefeld. „Die Stimmung unter den vielen, vielen Menschen, die mit Koffern, Kinderwagen, Tüten und Kartons unterwegs waren, um zu Hause Gesammeltes abzugeben, war einfach überwältigend positiv und schön. Ich hatte Muskelkater vom Schleppen der großen Tüten – ich werde wiederkommen und nehme den Muskelkater gern an. Wann geht es weiter?“ Und immer wieder kommt der Wunsch, den Leserin Birgitt Rühs so formuliert: „Ich würde mir noch eine weitere derartige Aktion wünschen.“

17.26 Uhr: Gute Nachrichten von Hermes. Das Hamburger Logistikunternehmen stellt längerfristig eine Lagerhalle für die Spenden zur Verfügung, die am Montag notdürftig in der Schulturnhalle, einem Gebäude der Stiftung Alsterdorf und in den Räumen der geplanten Abendblatt-Geschäftsstelle untergebracht worden waren.

17.53 Uhr: Abendblatt-Verlagsgeschäftsführer Frank Mahlberg verschickt eine Mail an alle Kollegen: „Wir brauchen 20 Hände, um am Freitag ab neun Uhr die Spenden in der Schulturnhalle zu sortieren.“

Donnerstag, 23. Juli

9.45 Uhr: Sophia Seiderer aus der Verlagsgeschäftsführung ist noch auf der Suche nach Umzugskartons, in denen die sortierten Spenden in die Flüchtlingsunterkünfte gebracht werden sollen. Ansonsten steht der Plan für die nächsten Tage: Der dm-Drogeriemarkt, der so vom Ansturm der Spender profitiert hat, stellt 100 rote Klappboxen zum Transport von Kleidung etc. zur Verfügung, von der Firma Förch kommen große Säcke. Und Hermes übernimmt auch weiter den Transport.

Samya hat ein Rad ergattert
Samya hat ein Rad ergattert © Michael Rauhe | Michael Rauhe

10 Uhr: Abendblatt-Fotograf Andreas Laible packt als Erster Koffer und Tüten aus, die in der Geschäftsstelle lagern. „Unglaublich, wie viel die Leute für die Aktion neu gekauft haben.“

16.48 Uhr: Die „Süddeutsche Zeitung“ meldet, dass die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsheime in Deutschland dramatisch zugenommen hat. .


Freitag, 24. Juli

9 Uhr: Im Gymnasium Lerchenfeld beginnen 25 Mitarbeiter des Hamburger Abendblatts damit, die hier gelagerten Spenden zu sortieren und auf Lkw zu verladen, um sie ins neue Zentrallager bei Hermes zu bringen. „Es ist viel Arbeit, aber sie macht uns allen große Freude“, sagt Chefredakteur Lars Haider.

17 Uhr: Bei der Durchsicht der vielen Beiträge über Til Schweiger und die Spendenaktion findet sich das bemerkenswerte Zitat eines anderen Schauspielers: „Bisher mochte ich Til Schweiger nicht, jetzt mag ich ihn. Respekt.“