Hamburg. Unternehmen und Ver.di geben unterschiedliche Prognosen ab. Allein in Hamburg lagern noch Millionen Briefe. Die wichtigsten Fragen.

Vier Wochen Streik, mehr als 40 Stunden Verhandlungen, erst dann war der Tarifkonflikt bei der Deutschen Post beendet. Von heute an sollen alle Brief- und Paketzusteller wieder arbeiten. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen nach Ende des Poststreiks.

Worauf haben die Deutsche Post und die Gewerkschaft Ver.di sich geeinigt?

Beim Gehalt sieht die Einigung eine Einmalzahlung in Höhe von 400 Euro zum 1. Oktober 2015, eine Lohnerhöhung um zwei Prozent im Jahr 2016 und eine Erhöhung von 1,7 Prozent ein weiteres Jahr später vor. Die zum Jahresbeginn ausgegründeten Paketgesellschaften DHL Delivery, deren Mitarbeiter nach dem 20 bis 30 Prozent niedrigeren Tarif der Logistikbranche bezahlt werden, bleiben bestehen. Der Post-Haustarifvertrag wird nicht auf sie übertragen. Die Post verpflichtet sich aber, die aktuell im Unternehmen arbeitenden Paketzusteller im Mutterkonzern zu behalten. Nach Angaben von Ver.di betrifft das rund 7650 Menschen. Nur neu eingestellte Beschäftigte können damit in die ausgegründeten Gesellschaften kommen. Der Kündigungsschutz bei der Post wird bis Ende 2019 verlängert. Eine Vergabe von Brief- oder kombinierter Brief- und Paketzustellung an Fremdfirmen ist bis Ende 2018 ausgeschlossen.

Welche Seite konnte sich durchsetzen?

Wie üblich betonen beide Seiten die für sie positiven Aspekte des Kompromisses. Post-Chef Frank Appel sprach von einem „guten Tag für die Deutsche Post, ihre Kunden und Mitarbeiter“. Ver.di-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis nannte den Abschluss ein „umfassendes Sicherungspaket für die Beschäftigten“. Die vereinbarten Lohnsteigerungen bezeichneten Analysten als „moderat“. Nicht durchsetzen konnte die Gewerkschaft eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Es bleibt bei 38,5 Stunden. Einen Teilerfolg verbucht Ver.di bei den neuen Delivery-Gesellschaften, weil weitere Postbeschäftigte nicht dorthin ausgelagert werden. Die Post kann und will ihre neue Paketsparte personell trotzdem stark ausbauen. Angesichts des boomenden Online-Handels plant sie, den Personalstand in den neuen Gesellschaften von jetzt 6500 bis zum Jahr 2020 auf 20.000 zu erhöhen. Im Gegenzug kommt die Post der Sorge der Gewerkschaft entgegen, dass vor Ende des Jahres 2018 auch im Briefgeschäft der Haustarif unterlaufen werden könnte. Einen Hinweis, wer als Gewinner gesehen wird, lieferte am Montag die Börse. Die Postaktien gewannen zeitweise bis zu vier Prozent.

Wie hoch waren die Kosten des Streiks?

Experten gehen davon aus, dass der Streik die Deutsche Post einen hohen zweistelligen oder gar einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag gekostet hat. Die Streikkasse der Gewerkschaft Ver.di sei durch den Ausstand mit etwa 30 Millionen Euro belastet worden. Beide Seiten wollten diese Angaben jedoch nicht bestätigen.

Wie lange dauert es, bis die Zustellung wieder reibungslos läuft?

„Unser Ziel ist es, die aufgelaufenen Rückstände so schnell wie möglich abzubauen und zu einer Normalisierung zu kommen“, sagt Martin Grundler, der Sprecher der Post für Hamburg und Schleswig-Holstein. Er gehe davon aus, dass eine Normalisierung innerhalb „einiger, weniger Tage“ erreicht werden könne. Dabei könne es aber regionale Unterschiede geben, je nachdem wie intensiv gestreikt worden sei und wie viele Briefe und Pakete liegengeblieben seien. Nach Einschätzung von Ver.di wird es dagegen mindestens einige Wochen dauern, bis alle in Depots eingelagerten Sendungen nachträglich zugestellt sind. „Bei Paketen kann sich das bis in den August hinein hinziehen“, sagt Gewerkschaftssekretär Thomas Ebeling. Die Paketzustellung sei für Störungen besonders anfällig, weil sich die Arbeitsschichten der Zusteller nicht einfach verlängern ließen. Da Hamburg zu den Schwerpunkten des Streiks zählte, liegen nach Ver.di-Schätzung womöglich mehr als eine Millionen Pakete und Päckchen in den Depots. Mit der Stamm-Mannschaft sei das nicht zu bewältigen, sagt Ebeling. Post-Sprecher Grundler kündigt an, das Unternehmen werde weiter „Entlaster“ aus der Belegschaft einsetzen.

Welche Rechte haben Postkunden, die Pakete zu spät bekommen?

Da ein Streik als höhere Gewalt gilt, kann die Post für Schäden nicht haftbar gemacht werden. Gegenüber dem Versender eines Pakets aber haben Kunden durchaus Rechte. „Wenn das Paket eines Versandhändlers zu spät zugestellt wird, kann man vom Widerrufsrecht Gebrach machen“, sagt Julia Rehberg, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Der Versender müsse für eine termingerechte Zustellung sorgen. Die Frist für einen Widerruf beginne erst mit dem Tag der Zustellung

Wie stark haben die Mitbewerber der Post von dem Ausstand profitiert?

Beim Paketdienst DPD heißt es, die Auswirkungen auf das Unternehmen seien „begrenzt“. „Wir haben Kunden gewonnen, die wir auch halten wollen“, sagt Peter Rey, einer der Firmensprecher. Eine „spürbare Steigerung“ des Paketaufkommens verzeichnet dagegen das Logistik-Unternehmen Hermes. „Es gibt Anfragen von Versandhändlern, ob wir größere Anteile ihres Paketaufkommens übernehmen können“, sagt Ingo Bertram, einer der Hermes-Sprecher in Hamburg. Statt etwa eine Million Sendungen habe Hermes in den vergangenen Wochen 1,1 bis 1,3 Millionen Pakete pro Tag transportiert. Ob das Unternehmen dauerhaft neue Kunden gewonnen habe, lasse sich aber noch nicht sagen. „Man wird sehen, wie sich das reguliert“, sagt Bertram.

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