Hamburg. Einigung zwischen dem Konzern und der Gewerkschaft Ver.di nach vierwöchigem Streik. Neuer Tarifvertrag gilt bis 2018.
Für Kunden der Deutschen Post hat das Warten auf verspätete Briefe und Pakete in dieser Woche voraussichtlich ein Ende. Nach vierwöchigem Dauerstreik gibt es einen Tarifabschluss bei dem Bonner Konzern. Das teilten die Post und die Gewerkschaft Ver.di am Sonntagabend in Bad Neuenahr (Rheinland-Pfalz) mit. Der Streik soll in der Nacht von Montag auf Dienstag um 24.00 Uhr enden. Es wird aber wohl noch Tage dauern, bis sie alle der Millionen liegen gebliebenen Sendungen befördert haben.
Die rund 140.000 Post-Beschäftigten erhalten der Einigung zufolge zum 1. Oktober 2015 zunächst eine Einmalzahlung von 400 Euro. Anschließend bekommen sie zum 1. Oktober 2016 zwei Prozent und zum 1. Oktober 2017 dann noch einmal 1,7 Prozent mehr Geld. „Wir konnten ein Gesamtpaket vereinbaren, das unseren Mitarbeitern Sicherheit und Perspektive bietet sowie gleichzeitig künftiges Wachstum ermöglicht“, sagte Post-Personalchefin Melanie Kreis.
Ver.di-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis nannte den Abschluss ein „umfassendes Sicherungspaket für die Beschäftigten“. Nach dem harten Tarifkonflikt sollten jetzt alle Kollegen bei der Post wieder aufeinander zugehen, riet Post-Vorstand Jürgen Gerdes. Insgesamt ist die Einigung ein echter Kompromiss. Beide Seiten haben ihre Ziele nur teilweise umsetzen können. So hat die Post erreicht, dass es in ihrem Paketgeschäft auch künftig Gesellschaften mit 20 bis 30 Prozent schlechterer Bezahlung als im Ver.di-Haustarif gibt. Eine Rückabwicklung der Anfang 2015 ausgegründeten Gesellschaften ist damit vom Tisch.
Die Post verpflichtet sich aber, ihre aktuell im Konzern arbeitenden Paketzusteller beim Mutterkonzern zu behalten. Laut Ver.di sind das rund 7650 Menschen. Nur neu eingestellte Beschäftigte können damit in die ausgegründeten Gesellschaften kommen. Ver.di hatte eine Zunahme der bei den regionalen Paketgesellschaften arbeitenden Kollegen strikt abgelehnt.
Somit ist aus Sicht der Gewerkschaft der Bestand also geschützt. Zugleich kann die Post ihren Wachstumskurs und Personalaufbau bei den Paket-Gesellschaften fortsetzen. Denn vor allem das Geschäft mit dem Online-Handel boomt.
Ver.di hat für vier weitere Jahre – bis Ende 2019 – Kündigungsschutz ausgehandelt. Außerdem hat die Gewerkschaft die Übernahme von mindestens zwei Jahre lang befristet beschäftigter Kollegen in feste Jobs erreicht. Eine Vergabe von Brief- oder kombinierter Brief- und Paketzustellung an Fremdfirmen ist bis zum Jahresende 2018 ausgeschlossen. Dafür musste Ver.di aber die lange Laufzeit des Vertrags bis Ende Januar 2018 akzeptieren. Es gibt auch keine Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich.
Dem unbefristeten Streik war ein bereits seit Ostern schwelender heftiger Tarifkonflikt vorausgegangen. Beide Seiten hatten sich am Freitag dann wieder zusammengesetzt, um nach einer Lösung zu suchen. Am Sonnabend und Sonntag waren die Gespräche fortgesetzt worden. Der Ausstand sorgte zuletzt zunehmend für Beschwerden von Kunden. In manchen Städten blieben Briefe nach Schilderungen von Betroffenen wochenlang liegen. Stark betroffen ist auch Hamburg. Klagen kommen vor allem von Online-Händlern, deren Lieferungen verspätet das Ziel erreichen und die Probleme mit den Kunden bekommen.
In der Bevölkerung fand der Ausstand einer Umfrage zufolge insgesamt zuletzt dennoch weiter Rückhalt. Wie das Meinungsforschungsinstitut YouGov in einer am Freitag veröffentlichten Befragung ermittelte, haben 63 Prozent der Bundesbürger Verständnis für den Arbeitskampf. Nur 29 Prozent lehnen ihn kategorisch ab.
Dabei hat fast die Hälfte der Bundesbürger inzwischen die Auswirkungen des Streiks persönlich zu spüren bekommen. Insgesamt 42 Prozent der 1370 Befragten gaben an, durch den Tarifkonflikt bereits wichtige Post zu spät erhalten zu haben.
3000 Postbeschäftigte hatten noch am Freitag in Hamburg für die Tarifziele der Gewerkschaft Ver.di und gegen die Ausgliederung von Teilen der Belegschaft aus dem Haustarif demonstriert. „Es war ein beeindruckender Demonstrationszug“, sagte Ver.di-Fachbereichsleiter Lars-Uwe Rieck. Bei der Abschlusskundgebung hatte der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann den Postbeschäftigten versichert, dass die Gewerkschaften insgesamt hinter ihnen stünden und ihre Forderungen unterstützten. Der Tarifkonflikt war jedenfalls außergewöhnlich hart – wohl der härteste in der Post-Geschichte. „Wir sind im Krieg“, soll ein Post-Vorstand gesagt haben. Ver.di-Funktionäre liefen mit Kameras Aushilfszustellern hinterher, um tatsächliche oder vermeintliche Rechtsverstöße zu dokumentieren. Beschwerden, eidesstattliche Versicherungen und mehrfache Klagen etwa gegen den Einsatz von Beamten – die Gewerkschaft zog alle Register und investierte nach Schätzungen des Tarifexperten Hagen Lesch in der „Welt am Sonntag“ rund 30 Millionen Euro für Streikgeld.