Hamburg. Europäischer Gerichtshof untersagt Eingriffe in Flüsse, die zu einer Verschlechterung der Wasserqualität führen. Die wichtigsten Fragen.

Am Mittwoch ist eine wichtige Vorentscheidung zur Elbvertiefung gefallen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte über die Weser-Vertiefung und stellte fest, dass ein solcher Eingriff nicht zur Verschlechterung der Wasserqualität führen darf. Eines ist nach dem Richterspruch klar: Leichter wird die Elbvertiefung nicht. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Worüber sollte der EuGH entscheiden?

Ausgangspunkt des Verfahrens ist der Antrag zur Vertiefung der Weser, der zeitlich vor den Anträgen zur Elbvertiefung bei den Behörden gestellt wurde. Die Weser soll wie die Elbe für größere Schiffe ausgebaut werden. Umweltverbände hatten dagegen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geklagt. Das Gericht hat das Verfahren aber ausgesetzt, weil es sich nicht sicher war, wie eine neue Umweltrichtlinie der EU über den Umgang mit Binnengewässern zu verstehen ist.

Die Leipziger Richter wandten sich deshalb an den EuGH, der erklären soll, wie die sogenannte Wasserrahmenrichtlinie auszulegen ist. Diese sieht vor, dass sich der ökologische Zustand aller Gewässer in der EU verbessert. Maßnahmen, die zu einer Verschlechterung führen, sind demnach zu verbieten. Die Leipziger Richter wollten nun von ihren europäischen Kollegen erfahren, ob dieses Verbot eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung der Gewässer darstellt oder ob Eingriffe in die Gewässer grundsätzlich zu verbieten sind, wenn sie eine Verschlechterung des Gewässerzustands verursachen können.

Was sagt der EuGH ?

Der Europäische Gerichtshof hat entgegen Hamburgs ursprünglicher Hoffnung deutlich gemacht, dass die Wasserrahmenrichtlinie streng einzuhalten ist. Das Verschlechterungsverbot der Wasserqualität müsse bei jedem Einzelprojekt beachtet werden und ist nicht nur eine allgemeine politische Zielvorgabe. Demnach wäre die Elbvertiefung zunächst einmal nicht möglich. Allerdings sind von dieser Pflicht zum Gewässerschutz Ausnahmen zugelassen. Voraussetzung: Der Eingriff ins Gewässer ist von „übergeordnetem öffentlichen Interesse“.

Wie reagiert der Hamburger Senat?

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) zielt deshalb auf die Ausnahmen ab. „Wir haben mehr als gute Gründe für eine Ausnahmegenehmigung. An dem unstrittigen öffentlichen Interesse am Fahrrinnenausbau hat ja weder die EU-Kommission noch das Bundesverwaltungsgericht jemals irgendeinen Zweifel gelassen. Ich bin deshalb sehr zuversichtlich, dass wir die Genehmigung erhalten“, sagte der Senator am Mittwoch. Zurückhaltender gab sich der Fraktionschef des Koalitionspartners von den Grünen, Anjes Tjarks. Mit dem Luxemburger Urteil sei keine Entscheidung für oder gegen eine Weser- oder Elbvertiefung gefallen. Jetzt sei das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Zug. Der Unternehmensverband Hafen Hamburg appellierte unterdessen an die Behörden, die Planungen jetzt schnell so zu überarbeiten, dass das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig das Verfahren zur Elbvertiefung abschließen kann.

Sieht die Opposition das genauso?

CDU, FDP und Linke sind anderer
Auffassung. Sie bezeichneten das Urteil als Schlappe für Horch und für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Die CDU sieht sogar nach dem Urteil die Erfolgsaussichten für eine baldige Fahrrinnenanpassung schwinden. „Das Urteil des EuGH ist eine schwere Bürde für
die Zukunft des Hamburger Hafens“, sagte der Vorsitzende der Bürgerschaftsfraktion André Trepoll. „Die vollmundigen Ankündigungen von
Olaf Scholz nach seinem Amtsantritt 2011 zum schnellen Start der Elbver-tiefung erweisen sich damit erneut
als haltlos.“ Die Fraktionschefin der FDP, Katja Suding, meinte: „Die enge Auslegung der EU-Wasserrahmenrichtlinie durch den Gerichtshof ist ein schwerer Rückschlag für Hamburg, den Bürgermeister Scholz und Wirtschaftssenator Horch direkt zu verantworten haben.“ Die Linke sagte, der Senat
könne nicht auf weitere Elbvertiefungen setzen.

Was sagen die Umweltverbände?

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wertete den Richterspruch als Stärkung des Gewässerschutzes. „Wenn wir naturnahe Flüsse statt Kanalisierungen fordern, die Sicherung einer hohen Wasserqualität, des Fischreichtums und die Wiederherstellung von Flussauen, dann steht ab jetzt das höchste europäische Gericht hinter uns“, erklärte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Das übergreifende Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ aus BUND, NABU und WWF sprach von einem „Meilenstein für den Gewässerschutz in ganz Europa“. Die Hürden für eine Genehmigung der geplanten Elbvertiefung seien höher geworden. Handelskammer und Wirtschaftsverbände hoffen auf eine faire Abwägung durch das Bundesverwaltungsgericht.

Wie geht es weiter?

Das EuGH-Urteil lässt Raum für juristische Interpretationen. Vor allem die Frage, ob die Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot auch bei Weser und Elbe greifen, muss vom Bundesverwaltungsgericht geklärt werden. Das kostet Zeit. Deshalb sieht der Verein Hamburger Spediteure den Richterspruch aus Luxemburg mit Skepsis: Die Spediteure befürchten dass die Diskussion um die Ausnahmekriterien zu weiteren Zeitverzögerungen bei den Fahrrinnenanpassungen von Weser und Elbe führen wird. Horch will prüfen, ob der bereits gestellte Ausnahmeantrag jetzt überarbeitet werden muss.