Der Streit um die Elbvertiefung geht weiter. Die Dauer des Verfahrens ist unerträglich

Man muss schon studierter Jurist sein, um dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Weservertiefung detailliert folgen zu können. Doch auch ein Laie erkennt bei der Lektüre der 21 DIN-A4-Seiten, dass es in Europa aus ökologischen Gründen äußerst schwierig ist, Eingriffe in die Natur im Allgemeinen und in fließende Gewässer im Besonderen vorzunehmen. Denn sobald sich die Wasserqualität auch nur minimal verschlechtert, sind solche Eingriffe nach europäischem Recht verboten. Eigentlich. Denn es gibt Ausnahmen, für welche die Grenzen allerdings eng gesteckt sind und die gut begründet sein müssen.

Das wussten die Befürworter
und Gegner der Elbvertiefung auch schon vor dem gestrigen EuGH-Urteil. Allerdings haben die Richter in
Luxemburg diese Rechtsauffassung nun vehement unterstrichen. Im Klartext: Die Elbvertiefung ist weiter möglich, doch die juristischen Hürden sind gestern keinesfalls niedriger geworden. Um das Bild zu wahren: Die Fundamente für die Hürden wurden in Luxemburg nochmals extra fest zementiert.

Die entscheidende Frage, welche die Richter stellen, lautet: Ist die geplante Flussvertiefung von einem „übergeordneten öffentlichen Interesse“? Doch weder für die Weser noch für die Elbe gibt der EuGH darauf eine klare Antwort. Das war auch gar nicht der Auftrag an die Große Kammer in Luxemburg. Der EuGH sollte lediglich eine Art Stellungnahme zur Weservertiefung direkt und damit zur Elbvertiefung indirekt abgeben. Das nächste Wort hat nun erneut das Bundesverwaltungsgericht. Wann die Richter in Leipzig entscheiden? Ungewiss! Wie sie entscheiden? Noch ungewisser! Der jahrelange Streit um die Elbvertiefung wird weitergehen. Das ist gewiss und kaum noch zu ertragen!

Bereits im September 2006 wurde das Planfeststellungsverfahren für die Elbvertiefung beantragt. Die Behörden legten die Pläne öffentlich aus, es folgten mehr als 5000 Einwendungen von Bürgern, Kommunen und Verbänden. Die Europäische Kommission äußerte sich zu dem Vorhaben detailliert. Auflagen wurden erteilt. Das Bundesverwaltungsgericht stoppte die Pläne, verlangte eine Stellungnahme vom EuGH – und nun geht der Fall wieder zurück an die Leipziger Richter. Fast neun Jahre dauert der juristische Marathon um die Frage, ob ein deutscher Fluss verbreitert und vertieft werden darf oder nicht. Die Länge dieses Verfahrens ist völlig überzogen und inakzeptabel. Selbstverständlich muss es in einer Demokratie, die auf dem Prinzip der Gewaltenteilung fußt, Klagemöglichkeiten gegen große Verkehrsprojekte und umfangreiche Mitspracherechte geben. Aber Europa darf sich nicht mit Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien bis zur Handlungsunfähigkeit selbst fesseln.

Bei Projekten, die von großer ökonomischer Bedeutung für eine Handelsnation wie Deutschland sind, muss es juristische Entscheidungen geben, die zeitnah zur Antragsstellung erfolgen. Es geht nicht darum, dass Wirtschaftsinteressen stets Vorfahrt haben sollen. Aber Unternehmen brauchen Planungssicherheit – auch bei der Elbvertiefung. Die internationalen Reedereien müssen längerfristig die Routen für ihre schwimmenden Giganten bestimmen und deshalb wissen, ob und in welchem Umfang ihre Frachter in Hamburg noch abgefertigt werden können. Die Geduld der Reedereien in diesem juristischen Verwirrspiel verdient Respekt. Doch bald dürfte auch sie zu Ende gehen – genau das wäre eine Katastrophe für Europa, Deutschland und den Hamburger Hafen.