Hamburg. „Fortschrittsbericht“ des Senats zählt Erfolge auf und benennt rotgrüne Ziele. Anteil des Radverkehrs soll auf 25 Prozent steigen.
Auf dem Weg zur „Fahrradstadt“ kommt Hamburg gut voran – das ist jedenfalls die Botschaft des rot-grünen Senats. Der hat am Dienstag seinen „Fortschrittsbericht 2015 zur Radverkehrsstrategie“ vorgestellt und listet darin seitenweise Erfolge der vergangenen zwei Jahre auf:
Stadtrad: Das StadtRad-System wurde kontinuierlich ausgebaut und verfügt derzeit über 1800 Räder an 159 Stationen. Bis Ende des Jahres sollen es mehr als 200 Stationen sein. Nach Harburg solle perspektivisch auch Bergedorf an das StadtRad angeschlossen werden.
Velo-Routen: Von den 14 Velo-Routen, den wichtigsten Langstreckenverbindungen für Radler, sind mittlerweile 80 Kilometer fertiggestellt. Die restlichen 200 Kilometer sollen bis 2020 fertig sein, wobei in vielen Fällen gar keine baulichen Maßnahmen mehr erforderlich sind.
Einbahnstraßen: Von 900 Einbahnstraßen in Hamburg können bereits 80 Prozent von Radfahrern in Gegenrichtung befahren werden.
Fahrradparkplätze: In den vergangenen zwei Jahren wurden 964 neue Fahrradbügel zum Anschließen der Räder aufgestellt. Außerdem wurde die Zahl der Bike+Ride-Mietplätze in Fahrradboxen oder Sammelschließanlagen um 350 auf jetzt 1610 erhöht. Der Bestand an frei zugänglichen B+R Plätzen an U- und S-Bahnstationen hat sich auf 16.000 im Jahr 2014 erhöht. Bis 2025 sollen es 25.000 Plätze sein.
Radverkehrsanteil: Wie hoch der Radverkehrsanteil am Gesamtverkehrsaufkommen ist, konnte der Senat nicht exakt sagen. Nachdem er bei der letzten offiziellen Messung des Bundesverkehrsministeriums 2008 bei 12,2 Prozent lag, sei er aber definitiv gestiegen, betonte Verkehrs-Staatsrat Andreas Rieckhof (SPD). „Ob es 15, 16 oder 17 Prozent sind, wissen wir aber nicht.“ Die nächste Messung sei erst 2016 geplant und werde 2017 veröffentlicht. Im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen verankert ist aber das politische Ziel: Im Laufe der 2020er-Jahre sollen Radfahrer einen Anteil von 25 Prozent am Verkehrsaufkommen haben.
Zählsäulen: Um die Entwicklung messen zu können, will der Senat weitere „Zählsäulen“ aufstellen. Nachdem 2014 an der Außenalster im Bezirk Mitte eine erste Säule installiert wurde, die die Radler zählt und deren Anzahl anzeigt, soll bald in jedem der sieben Bezirke so eine Einrichtung stehen.
„Das Fahrrad gewinnt in Hamburg immer mehr an Bedeutung“, sagte Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) und bekräftigte: „Für diese Legislaturperiode ist das Thema Radverkehr einer der Schwerpunkte in der Verkehrspolitik des Senats. Hamburg soll zur Fahrradstadt werden.“ Angesichts von teils heftigen Diskussionen über einzelne Maßnahmen wie dem Umbau des Harvestehuder Wegs zur Fahrradstraße oder der möglichen Verlegung von Radwegen auf die Fahrbahn im Bereich des Ring 3 in Altona betonte er aber auch die Notwendigkeit, die Bevölkerung über Neuerungen wie die „Fahrradstraßen“ zu informieren und aufzuklären: „Es ist nicht mit einem Farbeimer und einem Pinsel getan.“ Die Hamburger „umerziehen“ wolle man aber nicht, betonte Horch: „Radfahren kann man nicht politisch verordnen.“ Es gehe darum, Anreize zu setzen und Angebote zu machen, die die Bürger überzeugen. „Radfahren in der Stadt“, so Horch, „muss noch selbstverständlicher werden.“
Die Opposition kritisiert die Verlegung von Radstreifen auf die Straße
Bei der Opposition stieß das im Grundsatz auf Zustimmung, im Detail aber auf Kritik. „Die Erhöhung des Radverkehrsanteils am Gesamtverkehrsaufkommen ist vernünftig und entspricht den Zielen der Radverkehrsstrategie, die die CDU schon 2008 beschlossen hat“, sagte CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering. Die Verkehrswende erreiche man aber nicht mit der Brechstange. „Wenn der Senat jetzt Fahrradstreifen auf die Hauptverkehrsachsen verlegen will, wie er es am Ring 3 in Altona gerade tut, dann ist das gegen jede Vernunft und gefährdet die Verkehrsteilnehmer.“ Angesichts der wachsenden Zahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrerbeteiligung (2014 steig sie von 3014 auf 3274) müsse der Senat „die Sicherheit endlich zum obersten Gebot machen“, so Thering.
Auch Wieland Schinnenburg (FDP) warf dem Senat vor, er betreibe „eine ideologische Politik, die an manchen Stellen Radfahrer gefährdet: „Die fast generelle Verlagerung des Radverkehrs auf die Straße ist falsch. Insbesondere an viel befahrenen Hauptverkehrsstraßen sind Radfahrer auf separaten Wegen besser aufgehoben.“
Heike Sudmann (Linke) kritisierte, dass Versprechen aus dem Koalitionsvertrag auf die lange Bank geschoben würden: „Zu groß ist die Angst vor der Autolobby, zu klein bleiben die Straßenbereiche für die Radfahrer. Solange das Parken auf Radstreifen und das Anhupen und Wegdrängeln von Radfahrenden auf der Straße als Kavaliersdelikte gelten, wird sich wenig ändern.“
SPD und Grüne zeigten sich zufrieden mit dem „Fortschrittsbericht“: 2013 und 2014 seien rund 42 Kilometer Radwege erneuert worden, sagte Martin Bill, Verkehrsexperte der Grünen. „Jetzt legen wir gemeinsam noch eine Schippe drauf. In den kommenden Jahren sollen mehr als 130 Kilometer Fahrradstrecken saniert und gebaut werden. Das ist fast eine Verdreifachung der Investitionen in den Radverkehr. Damit vollzieht Hamburg die Verkehrswende.“ Lars Pochnicht, Radverkehrsexperte der SPD, verwies auf die Fahrradsternfahrt vom vergangenen Sonntag: „30.000 Hamburgerinnen und Hamburger zeigten am Wochenende, dass das Radfahren längst eine Massenbewegung ist, die zurecht gute Bedingungen einfordert. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir gemeinsam mit den Grünen beim Radverkehr jetzt noch mehr aufs Tempo drücken.“