Zur Fahrradstadt wird Hamburg wohl nie werden, aber dennoch kann viel getan werden. Weniger Ideologie würde auch helfen.
Die Überschrift der Senatsmitteilung lautete: „Hamburg auf dem Weg zur Fahrradstadt“. Das war, um es milde auszudrücken, leicht übertrieben. Denn eine „Fahrradstadt“, wie zum Beispiel Münster eine ist, kann Hamburg natürlich nie werden. Dafür sind die Entfernungen in dem Stadtstaat viel zu groß, dafür ist der Anteil des Fernverkehrs zu hoch, und dafür sind die Wirtschaftsverkehre rund um den Hafen und die großen Industriebetriebe viel zu bedeutend. Und auf die Idee, Container auf Rikschas aus dem Hafen abzutransportieren, sind selbst die Grünen noch nicht gekommen.
Dennoch ist die Idee, die hinter der ungeschickten Wortschöpfung „Fahrradstadt“ steckt, gut und richtig. Fahrräder stinken nicht, sie machen keinen Lärm, fördern die Gesundheit ihrer Benutzer, nehmen weniger Platz weg als Autos und sind – auch wenn mancher Rowdy-Radler dieses Bild ins Wanken bringt – eine erheblich geringere Bedrohung für andere Verkehrsteilnehmer als alle motorisierten Fahrzeuge. Dass eine Stadt, die Probleme mit der Schadstoffbelastung der Luft hat, mit der Lärmbelästigung vieler Bürger und nicht zuletzt mit ständigen Staus, den Radverkehr fördert, ist logisch und klug. Insofern ist der Senat im Grundsatz auf dem richtigen Weg.
Doch abseits von Verkehrsstrategien hat das Ziel, den Anteil des Radverkehrs in Hamburg auf 25 Prozent zu verdoppeln, auch eine bedeutende politische Komponente – vor allem für die Grünen. Kaum eine andere Vereinbarung im Koalitionsvertrag mit der SPD ist so urgrünen Ursprungs und bietet gleichzeitig so große Chancen, am Ende auch zu „liefern“. Mehr und bessere Radwege, ein Ausbau des erfolgreichen StadtRad-Systems, Fahrradstellplätze, öffentliche Luftpumpen – alle diese Maßnahmen sind jeweils unmittelbar sichtbar und wirken sich auch umgehend aus. Umgekehrt formuliert: Wenn sich beim Ausbau des Radverkehrs bis 2020 nichts Substanzielles getan hat, wäre das für die Grünen eine schwere Schlappe, die ihren Wählern kaum zu vermitteln wäre.
Dieser Druck erklärt auch, warum die Partei in den Koalitionsverhandlungen auf ein eigenständiges Verkehrsressort unter ihrer Führung gedrängt hatte. Dass sie sich nicht durchsetzen konnte und jetzt fast ausnahmslos Sozialdemokraten oder Parteilose wie Verkehrssenator Frank Horch für die Umsetzung verantwortlich sind, ist eine Ironie der Geschichte. Aber vielleicht ist es ganz gut so. Denn Horch und sein Staatsrat Andreas Rieckhof gehen das Thema vergleichsweise sachlich und ideologiefrei an – und das führt im Zweifel weiter.
Ein Beispiel: Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags sprach die grüne Parteichefin Katharina Fegebank vom „radikalen“ Ausbau des Radverkehrs. Diese Wortwahl dürfte deutlich mehr Bürger verschreckt als begeistert haben – selbst wenn man zugute hält, dass die Grünen schon oft als Bürgerschreck gestartet sind, sich ihre Forderungen wie die nach Atomausstieg, Gleichberechtigung oder Umweltschutz aber letztlich durchgesetzt haben. Klug war dagegen Horchs Satz vom Dienstag: „Radfahren kann man nicht politisch verordnen.“ Man könne die Bürger nur durch gute Angebote davon überzeugen. Da ist was dran.
Tatsächlich ist Akzeptanz das entscheidende Kriterium: Die Politik muss um Akzeptanz in der Bevölkerung für jede einzelne Maßnahme zum Ausbau des Radverkehrs werben. Und sie muss gleichzeitig akzeptieren, dass es Menschen gibt, die nun mal nicht radfahren möchten, warum auch immer. Gelingt dem Senat dieser Interessenausgleich, kann er Hamburg ein bisschen lebenswerter – man könnte auch sagen: grüner – machen. Gelingt er nicht, haben vor allem die Grünen ein Problem.