Hamburg. Hamburg und Schleswig-Holstein könnten die Milliarden-Rechnung schon früher begleichen – Debatte in der Bürgerschaft.
Gut sechs Jahre ist es her, dass Hamburg und Schleswig-Holstein die HSH Nordbank im Zuge der Finanzkrise mit drei Milliarden Euro frischem Kapital und einer Zehn-Milliarden-Garantie retten mussten. Seitdem bangen die Länder, wie viel dieser Garantie die HSH in Anspruch nehmen wird, wie groß also die Rechnung ist, die Hamburg und Kiel irgendwann zu begleichen haben. Die letzte Prognose der Bank im April lag bei 2,1 Milliarden Euro – zu zahlen von 2019 an.
Nun deutet sich an, dass diese Rechnung schon viel früher aufgemacht wird, vielleicht fällt die Entscheidung noch vor den Sommerferien. Ein Indiz für die zugespitzte Lage lieferte die Bürgerschaftssitzung am Mittwoch: Während die Abgeordneten über die HSH debattierten, war Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) auf dem Rückweg aus Brüssel, wo er mit seiner Kieler Amtskollegin Monika Heinold (Grüne) bei der EU-Kommission über die Zukunft der Bank verhandelt hatte.
Worum geht es? Die HSH Nordbank hat sich zwar einigermaßen gefangen und schreibt operativ wieder schwarze Zahlen. Doch die Altlasten aus Geschäften, die vor 2009 getätigt wurden und noch mit 50 Milliarden Euro in den Büchern stehen, belasten sie stark. Für die Zehn-Milliarden-Garantie, die Verluste aus diesen Altlasten absichert, zahlt sie den Ländern pro Jahr 400 Millionen Euro Gebühr. Eine Zusatzgebühr in ähnlicher Größenordnung, die die EU ihr aufgebrummt hatte, haben die Länder ihr sogar vorerst gestundet. Daher möchte die HSH die Altlasten und damit auch die Garantiebelastung loswerden. Das wäre wohl auch im Sinne der EU, die die Garantie kritisch sieht und noch nicht abschließend genehmigt hat. Für die Länder wiederum ist die Garantie ein Damoklesschwert, das noch Jahre über ihnen hängen könnte und das sie ebenfalls gern los wären.
Welche Lösungen sind im Gespräch? Mehrere. Die wahrscheinlichste: Die Länder könnten der HSH zumindest einen Großteil ihrer Altlasten abkaufen. Dabei geht es vor allem um Schiffskredite in Milliardenhöhe. Für die müsste zunächst ein Marktpreis ermittelt werden. Wäre er geringer als der Wert, zu dem die Forderungen in den HSH-Büchern stehen, würde die Bank diesen Verlust auf die Garantie anrechnen. Die könnte im Gegenzug weitgehend eingestellt werden. Erwerber der Altlasten und damit eine Art staatliche „Bad Bank“ könnte der HSH Finanzfonds sein, den Hamburg und Schleswig-Holstein 2009 gegründet hatten. Er stellte seinerzeit die drei Milliarden Kapital und die Garantie.
Wer hätte welche Vorteile? Die HSH Nordbank könnte befreit von Altlasten und Garantiegebühren freier agieren und sich mutmaßlich besser entwickeln. Davon hätten letztlich auch die Eigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein etwas, die langfristig einen Käufer für das Institut suchen. Die Länder wären zudem vom Garantierisiko befreit und könnten möglicherweise von einer Wertaufholung der Altlasten profitieren. Für eine schnelle Lösung spricht auch, dass das Zinsniveau derzeit niedrig ist und die Schuldenbremse noch nicht gilt – schließlich müssten die Papiere auf Pump gekauft werden.
Welche Risiken gibt es? Ob ein schneller Schnitt besser ist als das Aussitzen der Probleme, ist offen. Senator Tschentscher sagte im Ausschuss für öffentliche Unternehmen zur möglichen „Rechnung“ über 2,1 Milliarden Euro, solche Prognosen glichen einem „Blick in die Glaskugel“. Klar ist: Sollten die Länder Altlasten ankaufen, läge das Risiko bei ihnen. Außerdem würden sie die Garantiegebühren verlieren – bis 2019 immerhin 1,6 Milliarden Euro.
Was sagt die Politik dazu? Der Senat bestätigt lediglich, dass er sich in Gesprächen mit Kiel, der HSH und der EU befindet. Finanzsenator Tschentscher kehrte am Mittwochabend ins Rathaus zurück und sagte in einer anderen Bürgerschaftsdebatte, in Sachen HSH gelte nach wie vor der Satz, dass „die Rechnung noch nicht bezahlt“ sei und der Bank vor allem die Altlasten zu schaffen machten. Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks räumte ein, dass sich die Lage seit 2009 geändert habe und man auch über „neue Modelle“ wie den Verkauf von Schiffskrediten nachdenken müsse. Auch Markus Schreiber (SPD) sagte, es sei „sinnvoll“, eine Restrukturierung der Bank zu prüfen. „Der Senat muss sich mit Nachdruck für eine Lösung einsetzen, die für die Bank tragfähig ist, aber die Risiken für Hamburgs Steuerzahler und weitere Vermögensverluste klar begrenzt“, sagte Thilo Kleibauer (CDU). Michael Kruse (FDP) forderte mehr Transparenz: „Rot-Grün kann Bürger und Bürgerschaft jetzt nicht länger mit Durchhalteparolen und einer Häppchen-Informationspolitik hinhalten.“ Norbert Hackbusch lobte den Finanzsenator hingegen dafür, dass er das Problem „nie kleingeredet“ habe. Dennoch bleibe die HSH Nordbank Hamburgs größtes Haushaltsrisiko. „Etliche Fakten deuten darauf hin, dass dieses Risiko noch in diesem Jahr zu einem dramatischen Problem wird.“