Hafencity. Präsidenten betonen „Leistungsfähigkeit der Hochschulen“. Diese bräuchten aber rund 100 Millionen Euro mehr pro Jahr.
Wer die am Dienstag vorgestellte „Denkschrift zum Hochschulsystem und zur Hochschulpolitik in ... Hamburg“ liest, könnte sich zunächst fragen, wo eigentlich das Problem ist. Auf 100 Seiten breiten die Präsidenten der sechs staatlichen Hochschulen sowie der privaten Bucerius Law School und der Universität der Bundeswehr ihre Sicht auf den Wissenschaftsstandort Hamburg aus – und die ist erstmal sehr positiv.
Die Universität Hamburg ist demnach mit gut 40.000 Studenten die größte Volluniversität Nordeuropas, unter knapp 400 deutschen Hochschulen die elftbeste, Tendenz steigend, und kann mit einer Fülle an Exzellenzbereichen aufwarten, etwa in der Physik oder der Klimaforschung.
Der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) wird „ausgeprägte Praxisorientierung, exzellente Lehre und sehr gute anwendungsnahe Forschung“ bescheinigt. Die Technische Universität Hamburg-Harburg ist Vorreiter beim Technologietransfer, hat fast 25 Prozent ausländische Studierende und wirbt sehr erfolgreich Drittmittel für ihre ausgezeichneten Forschungsprojekte ein. Auch die Hochschulen für Bildende Künste (HfBK), für Musik und Theater (HfMT) und die noch junge HafenCity Universität (HCU) rühmen sich ihrer „Alleinstellungsmerkmale“, ihres „Renommees“ oder der vielen Preise, die sie international abräumen.
Hinter dieser positiven Darstellung steckt durchaus Kalkül. Denn die Hochschul-Chefs waren der Meinung, dass ihre Unis in der 2014 von den ehemaligen Spitzenpolitikern Klaus von Dohnanyi (SPD), Wolfgang Peiner (CDU) und Willfried Maier (Grüne) mit dem Papier „In Sorge um Hamburg“ angestoßenen Debatte über den Wissenschaftsstandort zu schlecht weggekommen waren. „Bedauerlicherweise nähren sich viele Bewertungen von Laien über das Hamburger Wissenschaftssystem aus Urteilen, die zwischen 1970 und dem Ende der 80er-Jahren entstanden sind“, heißt es kaum verhohlen in der „Denkschrift“. Auch über das ebenfalls 2014 vorgelegte Strategiepapier der Wissenschaftsbehörde waren die Uni-Chefs nicht glücklich. Ihnen ging es daher zunächst darum, „die Öffentlichkeit über die Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu informieren“, sagte Uni-Präsident Dieter Lenzen bei der Vorstellung an der HCU.
Doch das Papier informiert auf nahezu jeder Seite auch über das Kernproblem in Hamburg: Geld. Harvard in den USA habe das 14-fache Budget der Hamburger Uni, bei halber Studentenzahl. Die TU Harburg müsse mit einem Zehntel dessen auskommen, was die Technische Hochschule Zürich zur Verfügung habe, nämlich 1,2 Milliarden Euro. Und die HfBK liege „weit hinter der vergleichbaren Kunstakademie Düseldorf zurück“ heißt es. Für alle Hamburger Hochschulen gelte, dass „eine international wettbewerbsfähige Finanzierung in keinem Fall gegeben“ sei.
Unter dem Punkt „Forderungen“ steht daher: „Die Unterfinanzierung der Hamburger Hochschulen muss beendet werden.“ Ein Finanzierungsrückstand „von bis zu 25 Prozent“ müsse innerhalb von fünf Jahren überwunden werden. Konkret heißt das: Statt der 642 Millionen Euro, die die Stadt ihren Hochschulen 2015 zur Verfügung stellt, bräuchten diese gut 800 Millionen – 160 Millionen mehr pro Jahr.
Lenzen betonte zwar, dass das Papier „nicht die Spur einer Kritik an der neuen Regierung“ von SPD und Grünen enthalte, auch seine Kollegen begrüßten die neue Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) mit freundlichen Worten. Aber der Konflikt ist offensichtlich: Fegebank hat für fünf Jahre 40 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung, also acht Millionen pro Jahr. „Das würde nicht einmal die Tarifsteigerungen ausgleichen“, rechnete HCU-Präsident Walter Pelka vor. HfBK-Präsident Martin Köttering brachte es auf den Punkt: „Es fehlen 100 Millionen Euro im System.“
HfMT-Chef Elmar Lampson formulierte am offensivsten, was er vom neuen Senat erwartet. Die Hochschulvereinbarungen, die den Unis eine Steigerung der staatlichen Zuwendung um 0,88 Prozent pro Jahr zusichern, seien „Knebelverträge“, so Lampson. „Ich bin ungeduldig und erwarte, dass sich etwas verändert.“