Hamburg. Kurz vor Semesterbeginn teilte eine Professorin mit, dass ihre Studenten das Studium wohl nicht beenden können - aus Personalmagel.

Am 27. März ist für mehr als 100 Hamburger Studenten eine Welt zusammengebrochen. An dem Tag erhielten die jungen Leute, allesamt angehende Berufsschullehrer mit Fachgebiet Gesundheitswissenschaft, eine E-Mail ihrer Professorin Ingrid Mühlhauser, in der diese sie darüber informierte, dass wegen Personalmangels die Fortsetzung ihres Studiums nicht gewährleistet sei – und das nur vier Tage vor dem Semesterbeginn.

Sie bedaure, dass für viele Probleme keine Lösung gefunden werden konnte und „daher die Universität ihrer Verpflichtung, die Lehre sicherzustellen, nicht nachkommen wird“, schreibt Mühlhauser. Die E-Mail liegt dem Abendblatt vor. „Ich war geschockt“, sagte eine Studentin. „Das kam völlig überraschend – und das so kurz vor Semesterbeginn.“

Sie und ihre Kommilitoninnen haben sich anwaltlich beraten lassen und erwägen rechtliche Schritte – denn die Universität ist gesetzlich verpflichtet, den Studenten die Fortsetzung ihres Studiums zu ermöglichen. „Wenn uns nichts angeboten wird, kommt es zu einer Sammelklage“, sagen die Studenten. Sie wollen anonym bleiben, weil sie andernfalls Probleme befürchten. „Kritik kommt hier nicht so gut an“, sagt eine junge Frau. Der Studiengang Gesundheitswissenschaft auf Lehramt für Berufsschulen wird zu gut 80 Prozent von Frauen belegt. Sie haben alle bereits eine mehrjährige fachliche Ausbildung, etwa als Arzthelferin, Medizinische Angestellte oder Zahntechnikerin oder alternativ ein einjähriges Praktikum in dem Bereich absolviert. Inklusive Studium – drei Jahre Bachelor, danach zwei Jahre Master – dauert ihre Ausbildung also ohnehin mindestens acht Jahre. Daher sind die Studenten fassungslos angesichts der Perspektive, dass sich das Studium verzögern könnte oder eine Fortsetzung in Hamburg gar nicht mehr möglich ist.

Referendariat in Gefahr

Die Probleme, die sich daraus ergeben könnten, sind vielfältig. Eine Studentin schildert, dass sie jetzt zwingend ein Forschungsseminar belegen müsste, andernfalls würde sie ein Jahr verlieren. Im Anhang der E-Mail ihrer Professorin heißt es jedoch lapidar: „wird in diesem Sommersemester nicht angeboten“. Eine andere junge Frau berichtet, dass sie bereits mit Schulen im Gespräch über ein Referendariat ab Sommer 2016 sei, das könne sie jedoch nicht antreten, wenn sie ihr Masterstudium bis dahin nicht abgeschlossen habe. Das hängt jedoch ebenfalls an diesem Forschungsseminar. Dafür waren die Studentinnen angemeldet, es gab sogar vor kurzem Infos über die Gruppeneinteilung – dann aber plötzlich die Mitteilung, dass das Seminar ausfalle. Ebenso wie drei weitere Veranstaltungen. „Das kann nicht sein, dass das erst eine Woche vor Semesterbeginn feststeht“, schimpft eine Studentin, „das kann nicht sein.“

+++ Lesen Sie hier den Kommentar des Abendblatts zu dem Thema +++

Ingrid Mühlhauser erklärt in ihrer E-Mail, dass sie Uni-intern „immer wieder“ auf die Probleme aufmerksam gemacht habe. Demnach sei sie die einzige feste Professorin, während bislang 60 Prozent der Lehre mit externen Lehrbeauftragten durchgeführt worden sei. Nun seien Drittmittel zur Finanzierung zweier langjähriger Mitarbeiter weggefallen, eine weitere Dozentin habe die Uni verlassen, weil ihre Stelle nicht entfristet worden sei. „Trotz intensiver Bemühungen“ sei es daher nicht gelungen, die Lehre gemäß Stundenplan anzubieten.

„Die Fronten sind wohl sehr verhärtet“

Ein Problem scheint zu sein, dass der Studiengang Gesundheitswissenschaften auf Lehramt zwischen allen Stühlen sitzt. Er gehört offiziell zum Fachbereich Chemie, der wiederum zur MIN-Fakultät gehört (Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften). Es gibt Überlegungen, den Studiengang woanders anzusiedeln und daher offenbar nur begrenzte Bereitschaft, feste Stellen zu schaffen. Dennoch wurden im Herbst neue Studenten aufgenommen. Auch wurden die Mittel seitens der Uni zunächst nicht gekürzt.

Die Leitung der Universität hielt sich auf Abendblatt-Nachfrage bedeckt und verwies auf die „Hoheit“ der Fakultäten: „Das Präsidium hat den Dekan der Fakultät um einen Bericht zu der Situation in dem Studiengang gebeten.“ Die MIN-Fakultät wiederum hatte alle Studenten, die sich wegen der E-Mail ihrer Professorin dort gemeldet hatten, am Mittwochnachmittag im Hörsaal H3 des Geomatikums über die Lage informiert. „Wir sehen uns verpflichtet, den Studenten die Fortsetzung ihres Studiums zu ermöglichen“, sagte Professor Norbert Ritter, Prodekan der MIN-Fakultät, dem Abendblatt. Die Studenten seien zu Recht sauer und man bemühe sich um Lösungen. Für zwei von vier Veranstaltungen habe man bereits Personal in Aussicht.

„Das war eine Besänftigungsveranstaltung“, sagte eine Studentin. Die Ankündigung, dass Veranstaltungen eventuell in die vorlesungsfreie Zeit fallen müssten, stelle viele Studenten vor neue Probleme. Für Verwunderung habe auch gesorgt, dass ihre Professorin an dem Infotermin nicht teilnahm: „Die Fronten sind wohl sehr verhärtet.“