Nebahat Güçlü hatte mit einem Auftritt bei einer rechten Organisation für Streit gesorgt. Ihr Bürgerschaftsmandat behält sie.

Die Hamburger Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete und frühere Bürgerschaftsvizepräsidentin Nebahat Güçlü hat ihren Parteiaustritt erklärt. „Ich habe inzwischen die Hoffnung verloren, dass diese Partei noch Platz für kritische Stimmen hat“, schrieb die 49-Jährige am Mittwoch in einer persönlichen Erklärung. „Ich will auch weiterhin nach meinem Demokratieverständnis mit allen Organisationen, die auf Basis demokratischer Grundwerte gewaltlos und mit demokratischen Mitteln arbeiten, den kritischen Dialog suchen und Demokratisierungsprozesse unterstützen. Statt mich gegen mein Gewissen verbiegen zu lassen, ziehe ich es vor, aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen auszutreten. Leider sehe ich keine Grundlage mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ich werde zukünftig als partei- und fraktionslose Abgeordnete das Mandat, das mir die Wählerinnen und Wähler gegeben haben, nach bestem Wissen und Gewissen ausüben.“

Hintergrund ist der Streit über einen Wahlkampfauftritt Güçlüs bei einer rechtsextremen türkischen Organisation und das nachfolgende Parteiausschlussverfahren. Wie berichtet, war Güçlü, die auch Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Hamburg ist, Mitte Januar als Rednerin bei einer Veranstaltung der als extrem nationalistisch geltenden Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland aufgetreten, zu denen auch die „Grauen Wölfe“ gerechnet werden. Laut Verfassungsschutz liegt der Bewegung „ein übersteigerter türkischer Nationalismus zugrunde, der mit einer Überhöhung der eigenen Ethnie und einer Abwertung anderer Ethnien gepaart ist“. Die „Grauen Wölfe“ werden für viele Morde in der Türkei verantwortlich gemacht.

Schiedsgericht lehnte Parteiausschluss ab


Nach Bekanntwerden des Auftritts hatte die Parteiführung Güçlü aufgefordert, auf ihre Kandidatur auf Platz 25 der Grünen-Landesliste zu verzichten. Da die Germanistin und Politologin das ablehnte, entschied der Vorstand, ein Ausschlussverfahren einzuleiten. Sie habe mit dem Auftritt gegen grüne Grundwerte verstoßen. Nach der Wahl, bei der Güçlü durch viele Personenstimmen ein Mandat erringen konnte, lehnte das Schiedsgericht der Partei den Parteiausschluss vor fast zwei Wochen jedoch ab. Allerdings verlor Güçlü offenbar durch die Vorkommnisse ihre Anstellung. „Das Verhalten des Landesvorstandes hatte auch starke Auswirkungen auf meine Beschäftigung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg, der den Grünen nahesteht“, schreibt sie in ihrer Erklärung. „Es hatte zur Folge, dass mir nach vier Jahren erfolgreicher Arbeit gekündigt wurde.“

Dem Grünen-Landesvorstand um Katharina Fegebank und Manuel Sarrazin wirft Güçlü nun vor, „wider besseren Wissens sowohl die Partei als auch die Öffentlichkeit getäuscht und belogen“ zu haben. „Das grüne Schiedsgericht hat in seinem einstimmigen Beschluss vom 21.3.2015 den Antrag des Landesvorstandes auf Parteiausschluss gegen mich abgelehnt“, so Güçlü. „Es hat damit klar zum Ausdruck gebracht, dass es keinerlei Zweifel an meiner Darstellung der Ereignisse sowie an meiner demokratischen Haltung hat. Trotzdem hat der Landesvorstand in einer Pressemitteilung vom 21.3.2015 erklärt, ich hätte mich erstmals im Schiedsgerichtsverfahren von der Türk Federasyon distanziert. Das ist falsch. Vielmehr erfolgte meine Distanzierung nachweislich bereits am 25.1.2015 und auch am 27.1.2015. Ferner behauptet der Landesvorstand in selbiger Pressemitteilung, dass ich erstmals Fehler eingeräumt hätte. Auch das ist falsch. Ich hatte bereits am 25.1.2015 deutlich erklärt, dass es ein Fehler gewesen ist, nach Erhalt der Einladung zu der Veranstaltung der Türk Federasyon am 18.1.2015 keine Rücksprache mit der Partei gehalten zu haben.“

Ihre Teilnahme an der Veranstaltung selbst sehe sie jedoch nicht als einen Fehler, so Güçlü. „Es liegt mir fern, irgendwelche Organisationen zu verteidigen oder zu verharmlosen. Zumal ich immer wieder klar und deutlich erklärt habe, dass ich mich von der Türk Federasyon und aller ihr nahestehenden Organe/Organisationen distanziere. Aber Entwicklungen hin zu mehr Demokratie müssen auch gewürdigt werden“, heißt es in der Erklärung. „Mehrere wissenschaftliche Gutachten von „ausgewiesenen Historikern und Türkeikennern (allesamt aus dem linken Spektrum)“ hätten bestätigt, dass die Organisation nicht mehr als rechtsextrem bezeichnet werden könne, so Güçlü. „Eine Parteiführung, die ernsthaft den Parteiausschluss damit rechtfertigt, dass nicht die objektive politische Bewertung, sondern vielmehr die öffentliche Wahrnehmung entscheidend sei, hat für mich jegliches Demokratieverständnis verloren und betreibt reine Imagekosmetik.“

Die Grünen stellen in der Bürgerschaft nach dem Parteiaustritt Güçlüs nur noch 14 statt bisher 15 der insgesamt 121 Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft.