Noch ist unklar, ob die Chefin der Türkischen Gemeinde in die neue Fraktion aufgenommen wird. Sie selbst hofft auf eine „vollständige Rehabilitierung“ nach ihrem umstrittenen Auftritt.

Hamburg. Da die Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Hamburg (TGH), Nebahat Güçlü, mit einem sehr guten persönlichen Wahlergebnis auf der Grünen-Landesliste in die neue Bürgerschaft einzieht, haben die Grünen im Parlament gleich zu Beginn ein Problem. Wie berichtet, hatte der Landesvorstand vor der Wahl ein Parteiausschlussverfahren gegen die frühere Bürgerschaftsvizepräsidentin eingeleitet, weil diese bei einer extrem nationalistischen türkischen Organisation um Stimmen geworben hatte. Nun stellt sich die Frage, ob Güçlü überhaupt in die neue Grünen-Fraktion aufgenommen wird.

Der Vorsitzender der alten Fraktion, Jens Kerstan, sprach am Dienstag von einer „für alle Beteiligten schwierigen Situation“. Die neue Fraktion müsse nach ihrer Konstituierung „besprechen, wie sie damit umgeht“. Die alte Fraktion habe da keinerlei Entscheidungsbefugnisse. Da Fraktionen ein freiwilliger Zusammenschluss von Abgeordneten seien, gehöre niemand automatisch dazu, weil er für eine Partei kandidiert habe.

Parteisprecherin Silke Lipphardt betonte erneut, Güçlü habe „durch ihren Auftritt in einem extrem nationalistischen Umfeld und ihre umstrittenen Stellungnahmen danach der Partei Schaden zugefügt“. Dennoch sehe der Landesvorstand in einem Schiedsgerichtsverfahren auch einen „Weg zur internen Klärung der unterschiedlichen Ansichten mit Hilfe einer unabhängigen Instanz“. Güçlü habe in dem Verfahren „auch die Möglichkeit sich gegenüber dem Landesvorstand neu zu erklären“, so Lipphardt.

Güçlü freut sich über Einzug in die Bürgerschaft

Güçlü selbst hofft offenbar auf eine Beilegung der Auseinandersetzung. „Ich freue mich sehr, dass ich es in die Bürgerschaft geschafft habe und danke allen, die mich unterstützt und gewählt haben“, sagte die 49-jährige Germanistin und Politologin am Dienstag. „Ich stehe nach wie vor hinter der grünen Programmatik und möchte in der Bürgerschaft aktiv für diese eintreten und grüne Politik für die Hamburgerinnen und Hamburger umsetzen. Ich hoffe, dass wir Grüne gemeinsam diese Differenzen um meinen Wahlkampfauftritt bei einer türkischen Organisation aufarbeiten.“ Sie sei „sehr guter Hoffnung“, dass sie dabei voll rehabilitiert werde. „Es gibt mittlerweile mehrere Gutachten von renommierten Wissenschaftlern, die diese Sache ganz anders einordnen als der grüne Landesvorstand es bisher tut. Ich mache seit Jahrzehnten antirassistische Arbeit, und es hat mich sehr belastet, dass das Vorgehen des Landesvorstandes in der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck von mir hinterlassen hat“, so Güçlü. „Gleichwohl setze ich darauf, dass wir nun alle offenen Fragen klären und dass einer Zusammenarbeit auch in der neuen Bürgerschaftsfraktion danach nichts mehr im Wege steht.“

Das Landesschiedsgericht der Grünen hatte bereits vor der Wahl die Vorstands-Entscheidung kassiert, Güçlü die Mitgliederrechte mit sofortiger Wirkung abzuerkennen. Der Vorsitzende des Schiedsgerichts, Ernst Medecke, hatte moniert, dass Güçlü kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Außerdem sei der Vorstand mit seinem Vorgehen „in die Nähe des Straftatbestandes der Nötigung einer aufgestellten Listenkandidatin“ geraten.

Dass die Einschätzungen des Falls auch innerhalb der Grünen weit auseinander gehen, lässt sich bei Facebook sehen. Zu den Hunderten, die Güçlü durch ein „Like“ zum Wahlerfolg gratulieren, zählen dort auch prominente Hamburger Grüne wie die früherer Zweite Bürgermeisterin Krista Sager oder die frühere Bürgerschafts-Vizepräsidentin Verena Lappe.