Ex-Bürgerschaftsvizepräsidentin Nebahat Güçlü sprach im Wahlkampf bei einer türkischen Organisation, zu der auch die gefürchteten „Grauen Wölfe“ gezählt werden. Nun droht ihr der Parteiausschluss.
Hamburg. Die Hamburger Grünen-Spitze hat ein Parteiausschlussverfahren gegen die eigene Bürgerschaftskandidatin und frühere Bürgerschaftsvizepräsidentin Nebahat Güçlü angekündigt. Grund ist ein Wahlkampfauftritt Güçlüs bei einer vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften türkischen Organisation, zu der auch die sogenannten „Grauen Wölfe“ gerechnet werden.
Hintergrund: Am 18. Januar war Güçlü, die seit zwei Jahren auch Vorsitzende der türkischen Gemeinde Hamburg ist, als Rednerin bei einer Veranstaltung der als extrem nationalistisch geltenden „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland“ aufgetreten, zu der auch die „Ülküçü“-Bewegung zählt, deren Mitglieder als „Graue Wölfe“ bezeichnet werden.
Laut Verfassungsschutzbericht liegt der Bewegung „ein übersteigerter türkischer Nationalismus zugrunde, der mit einer Überhöhung der eigenen Ethnie und einer Abwertung anderer Ethnien gepaart ist“. Kennzeichen der Ideologie sei „eine ausgeprägte, oft auch gewaltbereite rassistische Feindbildorientierung gegenüber ethnischen Minderheiten in der Türkei“, so der Verfassungsschutzbericht 2013. „Hierzu gehören Kurden, Armenier, Griechen und Juden.“ Der „Graue Wolf“ (Bozkurt) sei das Symbol der Bewegung, er finde sich als heulender Wolf auf Flaggen.
Anhänger der Bewegung erkennen einander demnach am „Wolfsgruß“ bei dem rechte Arm ausgestreckt werde und Daumen und Finger den Kopf eines Wolfs formen. „Die ‚Ülkücü’-Ideologie fördert in Deutschland das Entstehen einer eigenen rechtsextremistischen Jugendbewegung, wirkt stark integrationshemmend und steht nicht im Einklang mit den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, so die Verfassungsschützer. In der Türkei werden die „Grauen Wölfe“ für viele Morde verantwortlich gemacht.
Güçlü: „Ich spreche auch mit der AfD“
Güçlü erklärte auf Nachfrage, sie vertrete grundsätzlich die Ansicht, man müsse mit allen reden. „Ich spreche ja auch mit der AfD“, so die frühere Vizepräsidentin der Bürgerschaft. Gleichwohl sei ihr der Hintergrund der Organisation nicht bekannt gewesen. Sie selbst mache seit Jahrzehnten anti-rassistische Sozialarbeit, deswegen treffe es sie persönlich hart, nun „in die rechte Ecke gestellt“ zu werden.
„An der Veranstaltung haben über 1500 Einwanderer teilgenommen, die sich sicher mit aller Entschiedenheit dagegen verwehren würden als Rechtsextreme oder gar ‚Anhänger der Grauen Wölfe‘ bezeichnet zu werden“, teilte Güçlü in einer Erklärung auf Facebook mit – und fügte hinzu: „Um Missverständnissen vorzubeugen, ich distanzieren mich ABSOLUT von den ‚Grauen Wölfen‘ und deren Ideologie!!!“
Gleichzeitig verteidigte Güçlü ihren Auftritt. „Aus Sicht mancher kurdischen und PKK-nahestehenden Personen und Organisationen ist allein der Begriff ‚Türke‘ oder ‚türkisch‘ inzwischen zu einem extrem negativ konnotierten Begriff geworden und Organisationen sowie Veranstaltungen, die in irgendeiner Weise einen Namen tragen in dem das Wort ‚türkisch‘ vorkommt, werden sehr leichtfertig als rassistisch erklärt.“
Grünen-Spitze nennt Auftritt inakzeptabel
Die grünen Spitzenkandidaten Katharina Fegebank und Jens Kerstan betonten am Montag, dass der Auftritt Güçlüs ohne ihr Wissen stattgefunden habe. „Für uns ist es inakzeptabel, wenn eine grüne Kandidatin bei offen nationalistischen Gruppierungen auftritt“, teilten sie mit. „Das ist unvereinbar mit unseren grünen Grundwerten und unserem Engagement gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit. Für uns ist klar: Wir werben nicht um Stimmen am rechten Rand. Wir erwarten, dass Nebahat Güclü Konsequenzen zieht und ihre Kandidatur zurückzieht.“
Bei einer Telefonkonferenz um 17 Uhr schilderte Güçlü der Parteiführung ihre Sicht der Dinge – weigerte sich aber nach Abendblatt-Informationen, auf ihre Kandidatur auf Platz 25 der grünen Landesliste zu verzichten. „Wir werden daher nun das Landesschiedsgericht anrufen und ein Parteiausschlussverfahren in die Wege leiten“, sagte der stellvertretende Grünen-Landeschef Manuel Sarrazin nach dem Gespräch. Der offizielle Auftritt als Grünen-Kandidatin bei dieser Organisation, deren Ziele den grünen Grundwerte widersprächen, sei „parteischädigend“, so Sarrazin. Güçlü selbst war nach dem Gespräch für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.
Ali Yildiz, Sprecher des christlich-alevitischen Freundeskreises der CDU, warf Güçlü vor, sie habe „den Konsens der demokratischen Parteien verlassen, als sie die Veranstaltung besuchte und trotz der eindeutigen Symbole und Bilder vor Ort ihre Rede hielt“. Im Schatten der Debatte über den Dschihadismus, werde der vermeintlich waffenfreie Islamismus derzeit klein geredet. Dies sei „auch der Nährboden für den dschihadistischen Islamismus“.
Auch bei Facebook hatten viele Kommentarschreiber kein Verständnis für Güçlüs Erklärungen. „Komisch, die türkischen Oberfaschos sind riesig an der Wand abgebildet und sie merkt nichts... Kein Kommentar!“, schrieb einer. Andere Diskussionsteilnehmer warfen Güçlü Naivität vor – oder nahmen ihr gerade diese angebliche Naivität nicht ab. Tenor der Kritiker: Was ist eigentlich schlimmer – zu den bekannten Rechtsextremisten zu gehen, oder als Spitzenpolitikerin und Chefin der türkischen Gemeinde nicht zu wissen, dass man zu Rechtsextremisten geht?
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